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Kommentar - Ukrainischer Botschafter boykottiert Solidaritätskonzert

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hat eine Einladung des Bundespräsidenten zum Solidaritätskonzert für die Ukraine brüsk zurückgewiesen. Nicht zum ersten Mal düpiert er Vertreter:innen aus Politik und Kultur. Maria Ossowski kommentiert.

Aufregung. Unverständnis. Unmut. Zu Recht. Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, tut seinem Land in dessen riesiger Not keinen Gefallen. Im Gegenteil. Melnyk hat nicht zum ersten Mal hohe Vertreter aus Politik und Kultur, die die Ukraine in ihrem Kampf gegen die russischen Invasoren unterstützen, undiplomatisch und sogar ungezogen vor den Kopf gestoßen.

Der Bundespräsident lädt am Sonntagmorgen ein zum Solidaritätskonzert für die Ukraine. Er ist coronaerkrankt per Video zugeschaltet. Es spielen Mitglieder der Berliner Philharmoniker, geflüchtete ukrainische Musiker:innen und auch russische Musiker wie Evgenij Kissin. Der Starpianist aus Moskau, er lebt mittlerweile in London und New York, bezieht mit seiner Teilnahme klar Position gegen den Machthaber in seinem Heimatland.

Die Philharmoniker präsentieren zwei Stücke des geflohenen ukrainischen Komponisten Valentin Silvestrov. Der 84-Jährige ist anwesend und setzt sich selbst an den Flügel. Die Kultur in Deutschland, das beweist auch dieses Konzert im Schloss Bellevue, ist nicht neutral, sondern politisiert wie nie zuvor. Und: Sie ist einig in der Solidarität mit der Ukraine.

Der ukrainische Botschafter aber twittert, nur russische Solisten träten auf, das sei ein Affront, er bliebe fern. Eine Sprecherin Steinmeiers versucht, ihn umzustimmen. Nein, er habe keinen Bock auf große russische Kultur.

Geht’s noch undiplomatischer, noch unlogischer, noch hoffärtiger? Ähnlich unterirdisch hatte sich schon Melnyks Frau via Facebook über die Solidaritätsadresse von Daniel Barenboim vor drei Wochen geäußert. Barenboims Familie war zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus der Ukraine und Belarus wegen des Antisemitismus nach Argentinien emigriert. Barenboim dankte in seinem Solidaritätskonzert der Ukraine dafür, dass sie momentan unsere Werte verteidige.

Eindeutiger kann man Unterstützung nicht formulieren. Die Botschaftergattin jedoch geriet in höchsten Social Media-Furor: Ukrainer seien nie Antisemiten gewesen, nur Russen! Und es sei richtig, dass ihr Mann diese schändliche Rede nicht gehört habe und dem Konzert ferngeblieben sei.

Jetzt reichts. Emotionale Reaktionen des Botschafters sind angesichts des russischen Terrors völlig verständlich. Schließlich überziehen Putins Truppen gerade sein Land mit Mord und Totschlag. Wer wäre da nicht zutiefst erschüttert? Aber den neuen Vorsitzenden des außenpolitischen Bundestagsauschusses ein Arschloch zu nennen, Barenboims und Steinmeiers Einladungen fern zu bleiben und stattdessen Fakenews in die Welt zu setzen, das richtet langsam einen Schaden an, der beunruhigt.

Diplomatie heißt, im Dialog zu bleiben und beharrlich, aber kultiviert und sachlich seinem Land zu dienen. Melnyk, steht zu befürchten, beginnt, bei allem Verständnis für seine Verzweiflung, seinem Land eher zu schaden

Maria Ossowski, rbbKultur

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