Der feine Unterschied | Heide Oestreich E52 © rbb/Gundula Krause
rbbKultur
Bild: rbb/Gundula Krause Download (mp3, 4 MB)

Der feine Unterschied - Die Feministische Kolumne - Diversity stört!

Wir machen ja jetzt auch Diversity. Ja, der rbb – und die ganze ARD haben schon große Pläne mit x Maßnahmen für eine ganze Diversity-Strategie. Jetzt muss man´s nur noch umsetzen. Das allerdings ist nicht so leicht, meint Heide Oestreich. Denn zuerst tut Diversity nur genau eines: Sie stört!

Diversity stört!

Vielleicht kennen Sie das? Diversity klingt super. Ist aber anstrengend. Wenn in einem Team alle ungefähr gleich ticken, dann läuft es nämlich wie geschmiert. Man geht zusammen essen, lacht über dieselben Witze, versteht sich ohne Worte, kann sich darauf verlassen, dass der andere ungefähr so reagiert, wie ich es erwarte. Dann habe ich das Gefühl: Das ist mein Team, das ist super so.

Wenn da nun Leute reinkommen, die nicht so sind wie der Rest, dann können die über die Witze vielleicht nicht lachen, essen etwas anderes, mosern darüber, dass ihre Belange nicht vorkommen - und gehen womöglich noch zur unpassenden Zeit nach Hause, weil ihr Kind krank ist. Und schon läuft es nicht mehr wie geschmiert. Wofür sollte das nochmal gut sein, Diversity? Das stört doch nur! So kann man doch nicht arbeiten!

Man kennt das von homogenen Männergruppen, in die die ersten Frauen kommen: Als die Bundeswehr ihre Kampftruppen für Frauen öffnen mussten, gezwungen durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, da trauerten nicht wenige Jungs der Kameradschaft zwischen Männern hinterher, eine ganze Kultur sahen sie untergehen. Namhafte Militärexperten prognostizierten, dass Kampfkraft und Moral der Truppe sinken würden - der nächste Krieg war quasi schon verloren.

Sie können sich vielleicht vorstellen, wie die Frauen sich fühlten, die da in die Truppe kamen, die von sich annahmen, dass nur Männer Militär können: Wenn eine homogene Gruppe eine "fremde" Minderheit nicht haben will, kennt die Sabotage-Fantasie keine Grenzen. Sexuelle Belästigung, Mobbing, nicht nachvollziehbare Beurteilungen – das sind nur einige der Beschwerden, die laut den Berichten der Bundeswehr aktenkundig wurden. Und so wundert es nicht, dass mehr Frauen als Männer die Bundeswehr dankend wieder verlassen.

Was bedeutet das für Diversity-Strategien? Dass es nicht damit getan ist, ein paar neue Gesichter in alte Kontexte zu setzen. Sondern dass die Arbeit damit erst anfängt. Und das ist eine Arbeit in den Köpfen der homogeneren Gruppe. Sie müssen erfahren, dass "anders" nicht gleich "schlechter" ist. Dass andere Bedürfnisse erstmal stören, aber neue Perspektiven das ganze Team auch beweglicher im Kopf macht. Wenn es gut läuft, dann inspiriert diese Beweglichkeit das ganze Team.

Die bisher homogene Gruppe lernt dann, dass sie ja auch aus Individuen mit einzelnen Bedürfnissen besteht. Barrierefreiheit nützt nicht nur Menschen mit Behinderung etwas. Die Möglichkeit zum Mobilen Arbeiten oder zur Verkürzung der Arbeitszeit nützt nicht nur Müttern. Das wäre der Kipp-Punkt: Wenn alle merken, dass sie von Diversity etwas haben. Bin gespannt, ob ich den hier bei uns noch erlebe.

Heide Oestreich, rbbKultur

Mehr

Der Morgen; © rbbKultur
rbbKultur

"Gemeinsam sind wir Vielfalt!" - Diversity-Tag 2022

Mit dem Diversity Tag - der in diesem Jahr am 31. Mai stattfindet - soll bundesweit für Vielfalt und Toleranz sensibilisiert und ein Zeichen gegen Rassismus und Diskriminierung gesetzt werden. Auch die ARD und der rbb beteiligen sich. Wir haben für Sie Porträts engagierter Menschen, Kommentare, Geschichten und Podcast-Empfehlungen.