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Galina Timtschenko | Bild: Andrej Vasilenko/Monocle

Europäisches Medienfestival in Potsdam - PRIX Europa - Die Preisverleihung

Der Prix Europa gehört zu den wichtigsten europäischen Medienfestivals. Ausgezeichnet werden die besten europäischen TV-, Radio- und Digital-Media-Programme – nicht durch eine prominent besetzte Jury, sondern durch die Medienschaffenden selbst. Vier Tage lang wurden die Wettbewerbsbeiträge gesichtet und gestern in Potsdam die Preise vergeben. Oliver Kranz berichtet von der Preisverleihung in der Schinkelhalle.

Der Prix Europa ist ein Medienwettbewerb und zugleich ein Treffpunkt. 540 Medienschaffende aus 28 europäischen Ländern kamen für vier Tage in Potsdam zusammen, um herausragende TV-, Radio- und Digital-Media-Programme des letzten Jahres zu sichten. Dann wurde abgestimmt. Von den 17 Preisen, die gestern vergeben wurden, gehen vier nach Deutschland.

Die ZDF-Produktion "Die Wannseekonferenz" (Regie: Matti Geschonneck) wurde als bester Spielfilm ausgezeichnet. Sie schildert, wie 1942 der größte Massenmord der Geschichte beschlossen wurde – bei einem "Arbeitsessen mit anschließendem Frühstück" an einem idyllischen Ort. Der Film beeindruckt durch seine dokumentarische Genauigkeit. Die Gefühlskälte der Konferenzteilnehmer wird überzeugend ins Bild gesetzt.

Auch andere preisgekrönte Produktionen greifen historische Themen auf. Das Online-Projekt "For You, Portugal, I Swear!" berichtet über das Schicksal afrikanischer Soldaten, die in der portugiesischen Kolonialarmee kämpften und nach der Niederlage Portugals im Stich gelassen wurden. "Unsere Geschichte ist nicht immer das, was wir aus Büchern lernen", sagte die Autorin Sofia da Palma Rodrigues in ihrer Dankesrede. Das Online-Projekt präsentiert Texte, Fotos und Videos, durch die man per Mausklick manövrieren kann.

Per Touchscreen durch die Geschichte
"Im Kern geht es immer darum, packende Geschichten mit zeitgenössischen Mitteln zu erzählen", erklärt Silvia Lahner vom Österreichischen Rundfunk, die zum Lenkungsausschuss des Prix Europa gehört. Online- und Social-Media-Formate sind im Aufwind. Die finnische Produktion "Sexy Pants And Other Problems" wurde als "Bestes europäisches Digital Audio Projekt" ausgezeichnet. Sie kombiniert Bilder einer Graphic Novel und eine Audiospur. Die Betrachter können sich per Touchscreen durch die Geschichte manövrieren und den Fortgang der Handlung selbst bestimmen.

Viele ausgezeichnete Produktionen kommen in Serienform daher. In "Belgium's Stolen Children" suchen drei Menschen nach den Spuren ihrer eigenen Herkunft in Verbindung mit der belgischen Kolonialgeschichte. Das französische "War Crimes: The Faces of the Executioners" bringt das Publikum direkt ins aktuelle Kriegsgeschehen in der Ukraine und wurde damit beste Fernsehinvestigation.

Europäische Journalistin des Jahres
Der Prix Europa macht sichtbar, wie vielfältig die europäischen Medienproduktion ist – sowohl inhaltlich als auch ästhetisch. Doch er unterstreicht auch, dass es gemeinsame europäische Werte gibt. Als Europäische Journalistin des Jahres wurde die Russin Galina Timtschenko ausgezeichnet, die bis 2014 das Nachrichtenportal Lenta.ru leitete. Weil dort kritisch über die Annexion der Krim berichtet wurde, setzte sich der Kreml für ihre Entlassung ein. Sie ging nach Lettland und gründete dort das Nachrichtenportal Meduza, das heute zu den wichtigsten russischsprachigen Exilmedien gehört.

Die Auszeichnung beim Prix Europa bedeutet für Galina Timtschenko viel. "Sie ist für mich und mein Team eine große Ermutigung. Ich danke meinen Kollegen, die heute noch in Russland arbeiten. Sie werden dort als Staatsfeinde verfolgt, aber sie machen weiter – allen Drohungen und Unterdrückungsmaßnahmen zum Trotz." 10 Millionen Menschen greifen jeden Monat in Russland auf die Texte von Meduza zu.

Das ist für Galina Timtschenko ein Hoffnungszeichen: "Jeder Krieg beginnt damit, dass die unabhängige Presse mundtot gemacht wird", sagte sie in ihrer Dankesrede. "Wir müssen versuchen, das zu verhindern!" – Für diese Worte erntete sie bei der Preisgala viel Applaus. Der Prix Europa soll Medienarbeit fördern, die etwas auslöst ("Media that matter" lautet der Slogan des Wettbewerbs). In diesem Jahr ist das gelungen.

Oliver Kranz, rbbKultur