Karim Khani Behzad; © ORF/Valerie Benner
rbbKultur
Bild: ORF/Valerie Benner Download (mp3, 7 MB)

Kreuzberger Bestseller-Autor Behzad Karim Khani - "Dieses Land muss sich die Frage stellen: Wollen wir zusammenleben - ja oder nein?"

Nach den gewaltsamen Angriffen auf Feuerwehrleute und Polizei-Beamte in der Silvesternacht kündigt Berlins Regierende Bürgermeisterin Giffey einen Gipfel zu Jugendgewalt an. CSU-Chef Söder nennt Berlin "Chaos-Stadt". Fast 150 Menschen wurden zwischenzeitlich festgenommen, die meisten junge Männer, viele mit einer Migrations-Geschichte, oft aus Kreuzberg oder Neukölln. Der Kreuzberger Bestseller-Autor Behzad Karim Khani ist mit seinem autobiografisch gefärbten Debüt-Roman "Hund, Wolf, Schakal" in genau diese Ecken Berlins abgetaucht. Was denkt er über die Silvesternacht und die Debatte dazu?

rbbKultur: Herr Khani, wie haben Sie die Silvesternacht erlebt? Waren Sie überrascht von den Bildern?

Behzad Karim Khani: Ich war gar nicht in Berlin, sondern in einem anderen sozialen Brennpunkt, in Essen. Nein, ich war nicht überrascht von den Bildern. Auch in Essen sah es nicht anders aus. Auch dort wurden Mopeds angezündet – es hatte nichts mit Silvester und einem frohem neuen Jahr zu tun.

rbbKultur: Erleben wir jetzt eine neue Dimension der Gewalt – oder die gleiche raue Welt, die Sie schon in Ihrem Buch "Hund, Wolf, Schakal" geschildert haben?

Khani: Ich sehe es nicht als eine neue Dimension der Gewalt. Man sollte auch aufhören, mit Bildern zu arbeiten, die bürgerkriegsähnliche Zustände zeigen oder Kriegsszenarien aufzufahren, wenn man Krieg und Bürgerkrieg nicht kennt und wenn man wirklich andere Dimensionen der Gewalt nicht kennt. Eine andere Dimension der Gewalt hätten wir, wenn wir hier Bandenkriege hätten, wenn wir mit scharfer Munition bewaffnete, rumballernde Leute hätten. Das wäre eine neue Dimension der Gewalt. Das was jetzt ist – ich will es gar nicht runterreden – ist fatal. Das darf nicht sein. Aber eine neue Dimension der Gewalt sehe ich dort nicht.

rbbKultur: Sie hatten selbst eine schwerkriminelle Jugend – so haben Sie es selbst genannt. Sie sind in den 90ern in Bochum groß geworden, nachdem Ihre Eltern aus dem Iran nach Deutschland gekommen sind. Warum sind Sie damals in die Gewalt abgedriftet?

Khani: Bei mir ging es um etwas vollkommen anderes. Ich bin in einer Gegend aufgewachsen, in der Gewalt eine der einzigen Möglichkeiten war, seine Würde zu bewahren. Man enthält sich der Gewalt nicht dadurch, dass man zum Opfer wird. An der Stelle, wo die Gewalt ist, muss man reagieren. Gewalt hat eine ganz eigene Logik.

rbbKultur: Was halten Sie von der Debatte, die jetzt aufgeflammt ist, in der es auch um gescheiterte Integration und um fehlenden Respekt vor dem Staat geht? Ist das die richtige Diskussion?

Khani: Nein, die Diskussion war hier noch nie richtig. Wissen Sie, dieses Land hat so viele perfide Wege, sich die eigentliche Frage nicht zu stellen. Nämlich, ob wir zusammenleben wollen – ja oder nein. Wenn nicht, dann gibt es Parteien, die man wählen kann. Die haben auch eine Menge Ideen von harten Strafen - über das Abschieben von Kriminellen bis hin zum Vergasen. Bitteschön, geht dort hin und wählt die.

Ansonsten, wenn man sich für ein Miteinander entscheidet, muss man aufhören, in "wir" und "die" zu denken. Dann muss man aufhören zu zählen, ob es jetzt 12 Syrer waren, 14 Afghanen oder sonstige … Und dann muss man sich halt auch mal die Klassenfrage stellen. Man muss sich auch fragen, wie es diesen Menschen geht, die dort leben.

Ich komme gar nicht aus einer Welt des Gutmeinens und Wohlwollens – aber man muss sich fragen, wie integrationsfähig man selbst ist, wie inklusiv die deutsche Gesellschaft ist. Man kann sich nicht Thilo Sarrazins Buch hunderttausendfach kaufen. Man kann Horst Seehofer nicht zum Innenminister erklären, der Plakate in unseren Heimatsprachen aufhängen lässt, auf denen dafür geworben wird, dass wir nach Hause gehen können. Man kann einem Ahmad Mansour nicht das Bundesverdienstkreuz verleihen – jemand, der auf der Straße "Onkel Tom" genannt wird. Man kann nicht 1.000 fremdenfeindliche Anschläge in einem Jahr haben und sich "Willkommenskultur" an die Brust kleben. Es gibt in diesem Land nicht eine Synagoge, nicht ein jüdisches Altersheim, das ohne Wachschutz funktioniert, ohne Kameras etc. Die haben nicht Angst vor uns, die haben Angst vor den Deutschen.

Meine Nichte geht auf eine jüdische Schule und es sind deutsche Kinder, die dort vorbeilaufen und Vergasungswitze machen. Wir haben Verlage, die von Fremdenhass und Homophobie leben. Man kann uns nicht DAS anbieten und dann die Frage stellen, ob die Jungs integrationsfähig sind.

Das Gespräch führte Ev Schmidt, rbbKultur

Mehr