
Was wird aus dem Filmstandort in Potsdam? -
Es gilt als ältestes Großatelier-Filmstudio der Welt und ist das größte Filmstudio Europas: Zahlreiche internationale Kinofilme und Serien wurden im Studio Babelsberg gedreht, im vergangenen Jahr feierte es sein 110-jähriges Bestehen. Doch seit die US-amerikanische Firma Kino Bidco Anfang des Jahres Babelsberg als Hauptanteilseigner übernommen hat, finden dort kaum mehr Dreharbeiten statt. Woran liegt das und was wird aus dem Filmstandort Babelsberg? Darüber sprechen wir mit dem Regisseur und ehemaligen Geschäftsführer des Studio Babelsberg, Volker Schlöndorff.

rbbKultur: Seit der Übernahme durch die US-amerikanische Firma Kino Bidco Anfang dieses Jahres finden keine großen Produktionen mehr in Babelsberg statt. Was ist da los?
Volker Schlöndorff: Das ist die große Frage, die wir uns alle stellen und mit Sorge beobachten. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten: Einerseits vielleicht, dass Kino Bidco neu ist auf dem deutschen Markt - sonst gibt es nur Studios in Amerika - und sich nicht genug um die Akquise gekümmert wurde, was ich mir eigentlich nicht vorstellen kann. Die Absicht, das Studio anderweitig zu nutzen, ist natürlich ein Verdacht, der da naheliegt, ob man es vielleicht aushungern oder an die Wand fahren will. Die Gefahr besteht.
rbbKultur: Anderweitig nutzen, hieße das – blickt man auf die Firmengeschichte und was hinter Kino Bidco steckt –, dass das Gelände für Immobilienspekulation genutzt werden soll? Dieser Verdacht drängt sich auf …
Seit dem Treuhandvertrag 1991 ist dieses Gerücht immer in der Luft. Und wir haben es 1991/92, als ich hinzukam, geschafft, diese Gerüchte zu beruhigen. Das Studio existiert nach wie vor, ist nicht abgewickelt worden, hat 30 Jahre doch ziemlich gut überlebt. Natürlich – ein Teil es Randgeländes ist bebaut worden, aber das Kerngelände ist nach wie vor Studio. Jetzt ist die Frage, ob dieses Kerngelände nun auch womöglich in Immobilien übergeht. Nicht ganz einfach: Ein Teil der Gebäude sind denkmalgeschützt, aber ich glaube, das genügt nicht, um das zu betreiben. Da müsste schon irgendwo ein Wille erkennbar sein. Es ist von der anderen Firma kein Ansprechpartner aufzutreiben - und das ist das beunruhigendste dabei.
rbbKultur: Einige Aktionäre haben gegen den Mehrheitsaktionär Kino Bidco geklagt, etwa gegen den Verlust der Unabhängigkeit des Studios. Vorgestern hat das Oberlandesgericht Brandenburg in einem Beschluss ein erstes Signal für das Hauptverfahren gegeben. Sehr kurz zusammengefasst: Der sogenannte Beherrschungsvertrag kann in seiner jetzigen Form ins Handelsregister eingetragen werden. Sie, Volker Schlöndorff, waren persönlich bei der Verhandlung dabei. Was heißt das denn jetzt für Studio Babelsberg?
Schlöndorff: Erstmal: die Sprache ist ja wunderbar: "Beherrschungsvertrag". Genau darum geht es: Wer hat hier eigentlich das Sagen? Das hat ein Teil der Kleinaktionäre anfechten wollen, weil sie dem Herrscher nicht vertraut haben. Aber das Gericht hat ihnen da leider nicht stattgegeben. Das ist insofern ein Signal, dass der Kaufvertrag, so wie er besteht und wie ihn keiner von uns kennt - wir wissen ja nicht, was drinsteht -, zunächst einmal gültig ist, wenn da auch ein weiteres Verfahren läuft.
Das ist genau die Befürchtung, die wir hatten. Deshalb bin ich auch nach Brandenburg gefahren. Ich hatte das Gefühl, das wird jetzt ein historischer Moment: Dass nach über 30 Jahren Kampf um das Studio und Hunderten Millionen Euro an Subventionen, die in Erneuerung investiert worden sind, nun plötzlich alles den Bach runtergeht.
rbbKultur: Was muss passieren, um Studio Babelsberg zu retten?
Schlöndorff: Ich glaube, da kann man nicht so leicht von der öffentlichen Hand reingehen. Wir haben ja eine Filmförderung und diese hat es dem Studio erlaubt, über Jahrzehnte zu überleben. Vor allen Dingen im Konkurrenzkampf mit anderen europäischen Studios war es immer gut, wenn hier mit öffentlichem Geld fremde Produktionen angelockt werden konnten. Das genügt im Augenblick nicht. Ich glaube, da sind wir ziemlich machtlos und müssen jetzt, wie es so schön heißt, leider den Markt spielen lassen.
rbbKultur: Nun hat am Dienstag Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Funktion als Wahlkreisabgeordneter Babelsberg besucht und andere Formen des Filmfördergesetzes angekündigt, um den Filmstandort Babelsberg zu retten. Ich persönlich weiß nicht mehr, seit wie vielen Jahrzehnten schon eine Reform des Filmfördergesetzes angekündigt wird … Bauen Sie auf das Wort von Olaf Scholz?
Schlöndorff: Ja, ich baue auf sein Wort. Die Renovierung oder Erneuerung der Filmförderung ist schon seit einem guten Jahr in Gang. Frau Roth hat sie bei der Berlinale und überall immer wieder angekündigt. Wir, die Verbände, sind im dauernden Kontakt mit dem Ministerium, um das zu formulieren. Nur, das ist leider das ungeeignete Instrument, um jetzt das Studio zu retten. Das Studio ist in der Vergangenheit durch die Filmförderung gerettet worden, in der Zukunft wird eine große Veränderung des Gesetzes nichts bewirken.
rbbKultur: Eine persönliche Frage zum Schluss unseres Gespräches. Ich erinnere mich noch gut an Ihren ersten großen Pressetermin Anfang der 90er Jahre, als Sie das Studio Babelsberg besucht haben …
Schlöndorff: So lange sind Sie schon dabei? (lacht)
rbbKultur Ja, so lang bin ich schon dabei - auch als Filmkritiker, nicht nur als Moderator. Und ich weiß: Sie waren begeistert wie ein Kleinkind. Man hat gespürt, dass Sie in gewisser Weise nach Hause gekommen sind. Blutet Ihnen jetzt das Herz?
Schlöndorff: Ja, sonst wäre ich zum Beispiel nicht nach Brandenburg gefahren. Es ist ein Jammer. Nicht nur ich, viele europäische Filmregisseure aus der ganzen Welt, darunter Tarantino, waren begeistert. Gérard Depardieu war einer der ersten, die wir hierhergeholt haben - das ist wirklich mit Herzblut gemacht worden, vielleicht gegen alle wirtschaftliche Vernunft. Es hat aber hingehauen dank der Großzügigkeit der französischen Investoren damals. Man weiß ja, die Franzosen lieben Film - und diese haben es ganz besonders getan.
Dieser wunderbare Aufbau, der gelungen ist, der ist nun auf einmal wirklich bedroht. Und das schreckliche Wort der Abwicklung, was man mir damals oft unterstellt hat, das kommt jetzt wohlmöglich mit 30 Jahren Verspätung doch noch.
Das Gespräch führte Peter Claus, rbbKultur. Es handelt sich um eine redigierte Fassung.