Thementag Wasser -
Wenn es keine Stilblüte wäre, könnte man mit Fug und Recht behaupten: Wasser war ein Dauerbrenner in der Musikgeschichte. Große Komponisten haben sich gern und oft mit dem Thema auseinandergesetzt – viele Instrumentalwerke sind Klassiker geworden, von Georg Friedrich Händels "Wassermusik" bis zu Hanns Eislers "Vierzehn Arten, den Regen zu beschreiben". Doch auch die Oper hat sich immer wieder in erstaunlich vielen Facetten und Variationen jahrhundertelang mit dem Wasser beschäftigt. Ein Beitrag unseres Opernexperten Matthias Kaether.
Im Herbst des Jahres 1800 verbreitete sich in Windeseile eine französische Oper von Luigi Cherubini in ganz Europa, die als letzter Schrei in Sachen Revolutionsoper galt – die Geschichte eines armen Wasserträgers, der einem adligen Verschwörer dabei hilft, der Verfolgung durch die Regierung zu entgehen. Der "Wasserträger" beeindruckte Beethoven tief und inspirierte ihn zu seinem Fidelio. Sogar Goethe war hingerissen:
"Fragt ihr mich, welche Oper ich gut finde, so nenne ich euch den 'Wasserträger', denn hier ist das Sujet so vollkommen, dass man es ohne Musik als ein bloßes Stück geben könnte, und man es mit Freuden sehen würde."
Nicht nur eine spannende Intrigenhandlung hat Cherubinis Oper aufzuweisen – sie erinnert auch an eine Berufsgruppe, die man heute kaum noch kennt. In Zeiten vor der Industrialisierung verfügten die Städte noch nicht über ein weitverzweigtes Leitungssystem und mussten durch Wasserträger versorgt werden.
Erbsen in Blechrohren
Wasser spielte in der Oper schon früh eine wichtige Rolle. Die zerstörerische Kraft des Elements brachte man musikalisch wie bühnentechnisch zur Geltung, etwa in den beliebten Gewittermusiken. Die mussten nicht unbedingt in sinnvollem Zusammenhang mit der Handlung stehen, Hauptsache, es regnete und blitzte ordentlich. Damit die Kostüme und Bühnenbilder trocken blieben, ahmte man den Regen mit Erbsen nach, die man durch Blechrohre rasseln ließ. Ober man nutzte einfach die Suggestionskraft der Instrumente.
Im 19. Jahrhundert führte die Sensationslust dann sogar zur Inszenierung gigantischer Wasserkatastrophen auf der Bühne. So ließ Rossini in seiner Oper "Moses" die fiesen alt-testamentarischen Ägypter im Roten Meer ertrinken. Musikalisch grandios, doch technisch buchstäblich ein Schlag ins Wasser: Die Oper fiel wegen zu billiger Special Effects durch.
Auch die Wasserreservoire der Welt spielen in der Oper eine zentrale Rolle: Meere, Flüsse und Seen werden ausgiebig thematisiert. Beliebt waren im Barock sogenannte Gleichnis-Arien, in denen die Protagonisten ihre wogenden Gefühle mit dem tosenden Meer verglichen. Erstaunlich, dass das Publikum sich das immer wieder, 100 Jahre lang, ohne Murren gefallen ließ. Die poetischen Metaphern wurden von Jahr zu Jahr nicht grade origineller. Es muss wohl an der genialen Musik gelegen haben, etwa der von Mozart im "Idomeneo".
Wassergeister der Musikgeschichte
Dass Wasser auch eine Seele hat, ist für Opernfans eine Selbstverständlichkeit – symbolisiert wird die Beseeltheit durch zahllose Wassergeister, die Musikgeschichte bevölkern. Das Personal reicht von wenig prominenten Najaden der Barockzeit bis zu Mega-Stars wie den Rheintöchtern Wellgunde, Woglinde und Floßhilde in Wagners "Ring des Nibelungen". Und was wäre die Opernwelt ohne die feuchten Küsse all der Nixen, die die Bühnen der Welt bevölkern! Wasserfrauen von Undine bis Rusalka, die sich – vielleicht zu recht – darüber beklagen, dass das Menschenvolk untreu und oberflächlich ist!
A propos feucht und klagend – zum Schluss sollte unbedingt noch die sublimste Form des Wassers erwähnt werden, die die Oper nicht müde wird zu besingen – die Träne. Geweint wird viel, nicht nur vor, sondern auch auf der Bühne, und so manche musikalischen Tränengüsse haben es in die Klassik-Hitlisten geschafft.
Matthias Käther, rbbKultur