"Jeden Tag im Museum" | Folge 1 -
Wohl kaum jemand verbringt so viel Zeit im Museum wie das Personal. Da liegt es nahe, dass der einen oder dem anderen einzelne Kunstwerke besonders ans Herz gewachsen sind. Um diese Werke geht es bei der Sonderpräsentation der Staatlichen Museen zu Berlin: 36 Museumsaufseherinnen und -aufseher haben ihr jeweiliges Lieblingsobjekt ausgewählt. Antje Bonhage hat mit einigen von ihnen gesprochen. Heute stellt sie Gerard Janssen mit seinem Lieblingswerk in der Gemäldegalerie vor.
Es war Liebe auf den ersten Blick: Seit Gerard Janssen im Jahr 2018 seinen Job als Museumsaufsicht und Mitarbeiter am Informationsstand in der Gemäldegalerie begonnen hat, geht er immer am "Bildnis einer Dame" des spanischen Porträtmalers Diego Velázques vorbei, um das Gemälde zu begrüßen.

Liebe auf den ersten Blick
"Was mich so fasziniert an dem Bild, ist diese Frau: die guckt mich so an! Immer wenn ich daran vorbeilaufe, habe ich das Gefühl, dass sie mich anschaut und denkt 'So, so, Freundchen, da bist du wieder.' Und sie hat so ein kleines Lächeln. Ich finde es auch fantastisch, dass Velázquez es geschafft hat, aus Materialien wie Ölfarbe und Leinwand eigentlich eine Seele zu malen, zu zeigen. Dieses Porträt, das lebt so - und das finde ich wirklich faszinierend."
Das Gemälde zeigt eine offenbar wohlhabende junge Frau: das schwarze Gewand sieht aus wie aus Samt und ist mit filigranen Goldfäden bestickt. Die Frau trägt Schmuck aus Perlen und Edelsteinen. Im lockigen braunen Haar steckt eine Rose aus weißen Diamanten. Die Wangen sind leicht gerötet. Die Dame lächelt – fast unmerklich – und blickt dabei den Betrachter eindringlich an.
Die Magie von Kunst
Wer genau die Porträtierte ist, ist nicht belegt. Velázquez hatte im Jahr 1630 einige Monate mit dem spanischen Grafenpaar Monterrey in der Villa Medici in Rom verbracht. Es wird vermutet, dass es sich bei der Dame um die Gräfin von Monterrey handelt.
Immer wieder nimmt Gerard Janssen sich die Zeit, das Bild in Ruhe zu betrachten:
"Dann stelle ich mich wirklich ganz nah ran, so nah wie möglich - natürlich nicht zu nah. Ich bin immer wieder fasziniert, was für ein unglaublich guter Maler Velázquez ist: Wie er einen Kragen malt mit ein paar Pinselstrichen - und gleich hat man das Gefühl: Ah, das ist so ein weicher Stoff, und da ist Metall! Er ist technisch wirklich so begabt, dieser Maler. Aber dass er es schafft, eine Seele zu malen - das ist wirklich die Magie von Kunst. Das ist das absolute Extra, was ich so mag."
Janssen ist selber Künstler
Janssen ist Mitte 50. Neben seinem Job in der Gemäldegalerie ist er selber Künstler. Seine Spezialität sind Zeichnungen mit Feder und Tusche. In seinem Heimatland, den Niederlanden, hat er Kunst studiert. Seit 2004 lebt er in Berlin.
Um als Aufsicht in einem Museum zu arbeiten, ist Kunstverständnis allerdings keine Voraussetzung:
"Man braucht dafür einen Schein als Sicherheitsmitarbeiter. Das ist eine Ausbildung - ich habe sie an der Sicherheitsakademie gemacht. Dann absolviert man eine mündliche und schriftliche Prüfung bei der IHK, dann hat man diesen Schein, um dann im Museum als Sicherheitsmitarbeiter arbeiten zu können."
Gerard Janssen mag seinen Job. Viele unterschiedliche Leute mit verschiedenen Hintergründen und Nationalitäten arbeiten um ihn herum. Eine richtig bunte Gesellschaft. Das schönste für ihn ist aber der tägliche Zugang, die Nähe zu den Werken, die er schätzt. Deshalb wollte er auch unbedingt in der Gemäldegalerie eingesetzt werden. Von "seinem" Velázquez, dem "Bildnis einer Dame", wusste er damals noch gar nichts:
"Ich bin sowieso ein Liebhaber von Velázquez und habe seine Bilder auch im Prado in Madrid zweimal sehen können. Vor vier Jahren habe ich hier in der Gemäldegalerie angefangen und bin so durch die Galerie geschlendert - und dann war ich echt geschockt: "Wow, da hängt ein Velázquez! Wir haben zwei Gemälde von Velázquez, aber dieses Porträt hat mich gleich mitgenommen."
Antje Bonhage, rbbKultur