Documenta 15 – Fridericianum © dpa/Andreas Arnold
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Die Debatte mit Natascha Freundel, Bazon Brock und Heinz Bude - Documenta 15 – Das Ende der Kunst, wie wir sie kannten?

"Wir müssen den Streit führen." Bazon Brock

Diese Folge von "Der Zweite Gedanke" polarisiert wie keine vorher: "Das Streitgespräch war fabelhaft", schrieb uns ein Hörer. "Schwer auszuhalten", findet eine Hörerin. Die Diskussionsleiterin – Moderatorin Natascha Freundel – sei "unerträglich", hieß es auf Twitter. Das Gespräch sei "aufrüttelnd und wert, weiter gegeben zu werden", schrieb uns eine Hörerin per Mail. In dieser Woche geht die umstrittene "Documenta 15" zu Ende. Nicht aber der Streit über Rolle und Anspruch der Kunst heute und über den Umgang mit globalem Antisemitismus. Der Kunsttheoretiker Bazon Brock und der Soziologe Heinz Bude haben wichtige Gedanken zu dieser Debatte beigetragen – wir wiederholen das Streitgespräch vom 7. Juli 2022.

Bude: "Es geht hier um zwei wirklich interessante Punkte, nämlich einerseits um die Frage, ob wir hier eine andere Kunstauffassung haben, die sich dezidiert -"

Brock: "In den Ländern gibt’s keinen Kunstbegriff!"

Bude: "Warten Sie mal. Das ist die eine Frage, die wir stellen müssen. Daher geht es sehr um die Frage der exemplarischen Subjektivität der künstlerischen Person."

Brock: "Das gibt es in den Ländern, Kulturen nicht! Die Kulturen sind hoch entwickelt. Die Chinesen, die Ägypter, die Griechen, die Römer, alle waren hochleistungsfähige Kulturen. Und trotzdem kannten sie den Begriff Kunst und Künstler nicht."

Bude: "So ist es."

Brock: "Na eben! Und da muss man das anerkennen und sagen: Donnerwetter, wir lernen jetzt aus dem Westen eine Position, die wir jetzt auch alle erreichen wollen."

Heinz Bude (© Dawin Meckel) und Bazon Brock (© Norbert Miguletz)
Bild: Dawin Meckel | Norbert Miguletz

Gäste

Heinz Bude, geboren 1954 in Wuppertal, ist seit 2000 Professor für Makrosoziologie an der Universität Kassel und seit dem Oktober 2020 dort Gründungsdirektor des documenta-Instituts. Er hat zur Wirkungsgeschichte der Flakhelfer-Generation an der FU Berlin promoviert und sich 1994 mit einer Arbeit über die Herkunftsgeschichte der 68er Generation habilitiert. Von 1992 bis 2014 arbeitete er am Hamburger Institut für Sozialforschung und leitete den Arbeitsbereich "Die Gesellschaft der Bundesrepublik". Er hat u.a. über die „Generation Berlin“ geschrieben (Merve 2001), über „Die Gesellschaft der Angst" (Hamburger Edition 2014), über "Die Macht von Stimmungen" ("Das Gefühl der Welt, Hanser 2016) und über "Solidarität. Die Zukunft einer großen Idee" (Hanser 2020). Mit Bettina Munk und Karin Wieland schrieb er den Roman "Aufprall" über West-Berlin in den 80er Jahren (Hanser 2020).

Bazon Brock, geb. 1936 in Stolp/Pommern, Denker im Dienst und Künstler ohne Werk, ist emeritierter Professor am Lehrstuhl für Ästhetik und Kulturvermittlung an der Universität Wuppertal. Er lehrte zuvor an der Universität für angewandte Kunst in Wien und der Hochschule für bildende Künste Hamburg. 1992 erhielt er die Ehrendoktorwürde der TH Zürich und 2012 die Ehrendoktorwürde der HfG Karlsruhe. In den 60er Jahren entwickelte er die Methode des "Action Teaching", bei dem der Seminarraum zur Bühne für Selbst- und Fremdinszenierungen wird. Von 1968 bis 1992 führte er in Kassel die von ihm begründeten documenta-Besucherschulen durch. Von 2010 bis 2013 leitete er das Studienangebot "Der professionalisierte Bürger" an der HfG Karlsruhe. Gemeinschaftsaktionen mit Joseph Beys, Nam June Paik u.a. gehören zu seinen rund 3000 Veranstaltungen und Aktionslehrstücken; zuletzt „Lustmarsch durchs Theoriegelände“ (2006, in elf Museen). Er repräsentiert das "Institut für theoretische Kunst, Universalpoesie und Prognostik" und ist Gründer der "Denkerei/ Amt für Arbeit an unlösbaren Problemen und Maßnahmen der hohen Hand" mit Sitz in Berlin.

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Debatte mit Natascha Freundel & Gästen - Der Zweite Gedanke

Hier wird nicht nur debattiert, hier wird auch zusammen nachgedacht. Über alles, was unser Miteinander betrifft. Bildung, Digitalisierung, Demokratie, Einsamkeit, Freiheit, Klima, Kultur, Städtebau, Visionen - die Themen liegen in der Luft, nicht erst, aber besonders deutlich seit der Corona-Pandemie. Jede Folge widmet sich einer Frage unserer Zeit. rbbKultur-Redakteurin Natascha Freundel spricht jeweils mit zwei Gästen, die wissen, wovon sie reden. Philosophisch, aber nie abgehoben. Persönlich, aber nicht privat. Kritisch und konstruktiv. Hier soll es nicht knallen, sondern knistern. Immer auf der Suche nach dem zweiten, neuen Gedanken.

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18. Juni - 25. September 2022 - documenta fifteen

Die documenta gilt als der wichtigste Gradmesser der Kunst weltweit. Erstmals seit ihren Anfängen 1955 wird die "Weltkunstausstellung" in diesem Jahr von einer Gruppe verantwortet: der Künstler:innengruppe Ruangrupa aus Indonesien. Dass sie vieles anders machen würden, zeichnete sich schon lange ab. Aber es gab auch schon lange Antisemitismus-Vorwürfe. Berichte und Interviews zur diesjährigen Kunstschau. Unsere Webdoku beleuchtet Nazi-Verstrickungen, Politik und Skandale der documenta seit 1955.