Kyiv: Ukraine Flagge im Hintergrund zwischen zwei zerstörten Häusern © picture alliance / AA | Oleksii Chumachenko
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Die Debatte mit Natascha Freundel, Sabine Adler und Viktor Jerofejew - Die Ukraine, Russland und wir – wie weiter?

"Wir stecken in einer metaphysischen Sackgasse." Viktor Jerofejew

Russlands Krieg gegen die Ukraine dauert bald ein ganzes Jahr. Deutschlands Rolle vor diesem Krieg fasst Sabine Adler, Expertin für den postsowjetischen Raum, als "Versagen" zusammen. Der russische Schriftsteller Viktor Jerofejew sagt über Putin, er sei zu allem bereit, aber niemals dazu, als Verlierer dazustehen. Welche Lehren und Perspektiven für die Zukunft sehen Adler und Jerofejew in dieser Situation?

Ein deutsch-russisches Gespräch mit der Übersetzung von Irina Bondas.

Wir befinden uns heute in einer metaphysischen Sackgasse mit diesem Krieg. Die Frage ist größer und komplexer als eine politische oder militärische Frage. Es ist nicht einmal nur eine zivilisatorische Sackgasse, sondern eben eine metaphysische: Wenn zwei Seiten glauben, dass das Licht gegen die Finsternis kämpft und beide Seiten sich im Recht wähnen, dann entsteht so eine metaphysische Sackgasse.

Viktor Jerofejew

Dieses wahnsinnig düstere Bild, das Sie von Ihrem Land zeichnen - damit können die jungen Leute in Russland nicht leben! Das wäre wirklich der komplette Wahnsinn. Das ist ein Fatalismus ohne jede Hoffnung, und ich bin wirklich froh über jeden Russen und über jede Russin, die nicht so fatalistisch auf das Land guckt. Das finde ich zu düster, und ich wehre mich dagegen, und ich bin wirklich sehr, sehr, sehr dafür, dass wir Auswege zeigen, über Auswege nachdenken - und bei allem vielleicht sogar manchmal die Realität dafür auch ein bisschen schönreden.

Sabine Adler
Sabine Adler (© Natascha Zivadinovic-Janker) und Viktor Jerofejew (© Julia von Vietinghoff)
Sabine Adler und Viktor Jerofejew | Bild: Natascha Zivadinovic-Janker | Julia von Vietinghoff

Gäste

Sabine Adler, geboren 1963 in Zörbig, ist Leiterin des Reporterpools für Osteuropa für die drei Programme des Deutschlandradios. Sie berichtete fünf Jahre als Korrespondentin aus Moskau, war Leiterin des DLF-Hauptstadtstudios in Berlin und Korrespondentin im Studio Warschau mit Schwerpunkt Polen, Belarus, baltische Länder und Ukraine. Sie schrieb u.a. "Ich sollte als Schwarze Witwe sterben" über tschetschenische Selbstmordattentäterinnen (DVA 2005). Im Aufbau Verlag veröffentlichte sie "Russisches Roulette. Ein Land riskiert seine Zukunft" (2011) und 2022 im Verlag CH. Links "Die Ukraine und wir. Deutschlands Versagen und die Lehren für die Zukunft".

Viktor Jerofejew, 1947 in Moskau geboren, wurde weltweit bekannt durch seinen 1989 erschienenen und in 27 Sprachen übersetzten Roman "Die Moskauer Schönheit". 1979 wurde er wegen seiner Beteiligung am Literaturalmanach "Metropol" vom Schriftstellerverband der UdSSR ausgeschlossen. Er ist Herausgeber der ersten russischen Nabokov-Ausgabe und schreibt regelmäßig für die New York Times Book Review, DIE ZEIT, die FAZ , DIE WELT und mare. Nach Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine floh Jerofejew im Frühjahr 2022 mit seiner Familie aus Moskau über das Baltikum nach Deutschland. Sein jüngster Roman heißt "Enzyklopädie der russischen Seele" (Matthes & Seitz Berlin 2021).

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1 Kommentar

  1. 1.

    Es bleibt für mich unbegreiflich, warum vermutlich kluge Menschen, insbesondere Frauen, nach Waffen rufen. Haben wir alles vergessen? Glauben heutige Generationen an mögliche Menschlichkeit in oder nach einem Krieg? Krieg sät nur mehr und mehr Hass, über Jahrzehnte, über Millionen Menschen und das ändert auch kein "Sieg"!

    Frau Adler: Ihre Aussage: weil keine Verhandlung vorhanden muss es Waffen geben, sollten Sie umdrehen in: keine Waffen geben damit Verhandlungen geschehen!

    Bei aller Komplexität der Situation um Russland in den vergangenen vierzig Jahren: Wir sollten uns niemals von Hass gegenüber unseren Nachbarn leiten lassen! Wir sollten mit unseren Nachbarn sprechen und versuchen ihre Sorgen und Interessen zu verstehen. Vielleicht ist das ja wichtiger als einem vermeintlichen Freund jenseits des Atlantiks zu vertrauen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Jörn Meyer

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