Demonstartion in London für die Freiheit der Frauen im Iran © picture alliance/ AA/ Rasid Necati Aslim
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Die Debatte mit Natascha Freundel, Kristina Lunz und Gilda Sahebi - Feministische Außenpolitik und der Kampf um Freiheit

"Es ist wichtig, dass wir die Zeit nicht zurückdrehen lassen und sehr klar nach vorne gehen." Gilda Sahebi

In Deutschland wird wieder über Feminismus debattiert, genauer: über "Feministische Außenpolitik". Als "Feminist Foreign Policy" hatte sie es schon in den Koalitionsvertrag der Ampelregierung geschafft, inzwischen haben Außenministerin Annalena Baerbock und Entwicklungsministerin Svenja Schulze Leitlinien für eine "feministische Außen- und Entwicklungspolitik" vorgestellt.

Keine "Revolution", wie Baerbock betonte, es ginge vielmehr um "Realfeminismus". Auch der muss hinterfragt werden. Wieso reagiert Deutschland so verhalten auf den feministischen Freiheitskampf im Iran? Weshalb unterstützt Deutschland den Freiheitskampf der Ukraine zugleich militärisch – und verabschiedet damit die traditionelle Verbindung von Feminismus und Pazifismus? Ist der "Feminismus" dieser Außenpolitik nur ein hübsches Etikett?

Wir befinden uns im größten Angriff auf demokratische, liberale Werte seit den 1930er-Jahren. Feministische Außenpolitik bedeutet auch neue Prozesse, neue Fragen, die gestellt werden. Das muss alles erst erarbeitet werden. Daher weiß ich es nicht, wie wir am besten Zivilgesellschaft, feministische Zivilgesellschaft, Menschenrechtsverteidiger:innen in einem autokratischen Staat unterstützen. Ich habe ein paar Ideen, aber ich weiß es nicht in dem Sinne, dass wir alle schon entsprechend gefragt hätten, die betroffen sind. Und diese Arbeit muss jetzt gemacht werden.

Kristina Lunz

Am Iran sieht man die Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit sehr gut. Feministische Außenpolitik gegenüber Iran hieße eine komplett andere Politik, die wir nicht ansatzweise sehen. Es hat sich seit September '22 an der deutschen Iran-Politik eigentlich nichts geändert. Und diese Iran-Politik haben wir seit mehr als 30 Jahren, die ist eine Katastrophe, da haben Menschenrechte, Frauenrechte nie eine Rolle gespielt. Das ist zwar in der Rhetorik anders. Also Annalena Baerbock spricht anders, sie betont Frauenrechte. Sie hat Namen von Opfern genannt, aber die Politik ist immer noch dieselbe. Und das heißt für mich, dass es zumindest in Bezug auf den Iran absolut keine feministische Außenpolitik gibt.

Gilda Sahebi
Kristina Lunz (© Stefan Pramme) und Gilda Sahebi (© Hannes Leitlein)
Kristina Lunz und Gilda Sahebi | Bild: Stefan Pramme | Hannes Leitlein

Gäste

Kristina Lunz, Jahrgang 1989, ist Mitbegründerin und Mit-Geschäftsführerin des "Centre for Feminist Foreign Policy" (CFFP). Nach einem Bachelor in Psychologie erhielt sie ihren ersten Masterabschluss "Global Governance and Ethics" in London und absolvierte einen zweiten Masterabschluss in Diplomatie als Vollstipendiatin an der Universität Oxford. Nach ihrem Abschluss arbeitete sie u.a. für die Vereinten Nationen in Myanmar und für eine NGO in Kolumbien. Lunz hat diverse aktivistische Kampagnen (mit-)initiiert und etliche Auszeichnungen sowie Fellowships in renommierten Institutionen erhalten. Sie ist Mitglied der Advisory Group der Goalkeepers Initiative der Bill und Melinda Gates Foundation und wurde 2019 von Forbes zu den "30 under 30" in Europa und DACH ernannt. 2022 erschien ihr Buch "Die Zukunft der Außenpolitik ist feministisch" (Ullstein/Econ Verlag).

Gilda Sahebi, 1984 im Iran geboren und in Deutschland aufgewachsen, ist ausgebildete Ärztin und studierte Politikwissenschaftlerin. Sie arbeitet als freie Journalistin mit den Schwerpunkten Antisemitismus und Rassismus, Frauenrechte, Naher Osten und Wissenschaft. Sie ist Autorin für die "taz" und den "Spiegel" und arbeitet unter anderem für die ARD. Seit dem Tod von Jina Mahsa Amini und der darauffolgenden Protestbewegung berichtet sie unermüdlich über die Geschehnisse im Iran. Der "Focus" ernannte sie 2022 zu einer der "100 Frauen des Jahres", das "Medium Magazin" zur Journalistin des Jahres in der Rubrik Politik. Im März 2023 erschien ihr Buch "Unser Schwert ist Liebe. Die Feministische Revolte im Iran" (S. Fischer Verlag).

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Debatte mit Natascha Freundel & Gästen - Der Zweite Gedanke

Hier geht es um alles, was unser Miteinander betrifft: Bildung, Demokratie, Freiheit, Klima, Städtebau - Themen und Fragen unserer Zeit. rbbKultur-Redakteurin Natascha Freundel spricht mit zwei Gästen, die wissen, wovon sie reden. Philosophisch und persönlich. Kritisch und konstruktiv. Immer auf der Suche nach dem zweiten, neuen Gedanken.