Die Debatte mit Natascha Freundel, Mischa Gabowitsch und Alona Karavai -
"Wie werden wir uns an diesen Krieg erinnern?" Alona Karavai
Spätestens seit Februar 2022 haben sowjetische Kriegsdenkmäler in der Ukraine eine "extrem hohe Bedeutung", sagt der Zeithistoriker und Soziologe Mischa Gabowitsch. Die Ukraine war im Zweiten Weltkrieg vollständig von Deutschland besetzt. Wo vor 80 Jahren gegen deutsche Truppen gekämpft wurde – und später Denkmäler entstanden – kämpfen Ukrainerinnen und Ukrainer heute gegen Russlands Truppen.
Die russischen Invasoren erklären ihren Krieg als fortgesetzten Kampf gegen den "Nazismus" und staffieren die besetzten ukrainischen Gebiete mit alter oder neu-inszenierter Sowjetsymbolik aus. Kulturvermittler wie Alona Karavai versuchen derweil, ukrainische Kunstschätze vor Raub und Zerstörung zu retten.
Wie kann die ukrainische Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg in dieser Situation gepflegt werden?

Alona Karavai, geboren 1982 im Osten der Ukraine und aufgewachsen in Kramatorsk, ist Ko-Gründerin des Hauses für Kunstresidenzen in den ukrainischen Karpaten Khata-Maysternya, der Galerie in Iwano-Frankiwsk Asortymentna kimnata und des Online-Kunstarchivs post impreza. 2015 hat sie die Bildungs-NGO Insha Osvita mitbegründet. Sie hat Übersetzung in Donezk und Organisationsentwicklung an der TU Kaiserslautern studiert und mehrere Jahre im Vorstand des Berliner Vereins "MitOst" gearbeitet. Seit Februar 2022 engagiert sich für die Evakuation und Aufbewahrung von Kunstwerken aus kleinen lokalen Museen, Galerien und Familienarchiven sowie für Kunstresidenzen und Förderung von Künstlerinnen und Künstlern in der Ukraine. Im Juni 2023 wurde ihr der Kairos-Preis der Alfred-Töpfer-Stiftung verliehen, einer der renommiertesten Kunst- und Wissenschaftspreise Europas.
Mischa Gabowitsch, geboren 1977 in Moskau, ist Historiker und Soziologe und derzeit Lise-Meitner-Fellow am Research Center for the History of Transformations (RECET) der Universität Wien. Er studierte in Oxford und Paris und promovierte an der Pariser Hochschule für Sozialwissenschaften, EHESS, über den russischen Nationalismus. Zwischen 2002 und 2006 war er Chefredakteur der Moskauer Zeitschrift "Neprikosnowennyj sapas" (Eiserne Ration: Debatten über Politik und Kultur), später Mitgründer und erster Chefredakteur von „Laboratorium“, einer sozialwissenschaftlichen Zeitschrift aus Sankt Petersburg. Gabowitsch hat an der Princeton University unterrichtet und war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Einstein Forum in Potsdam. Er ist Autor von "Putin kaputt!? Russlands neue Protestkultur" (Suhrkamp 2013) sowie Herausgeber von vier Sammelbänden zu Erinnerung an Krieg und Massenmord (Russisch, Deutsch und Englisch). Aktuell arbeitet er an einem Buch zu Russlands Umgang mit Denkmälern in der besetzten Ukraine (mit Mykola Homanyuk) sowie an einer Geschichte des Gedenkens an den Sieg der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg.
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