Ulrike Krumbiegel (r.) in der Rolle der Irene, Irm Hermann (l.) spricht die Rolle der Mutter. (Quelle: rbb/Hanna Lippmann)
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- Die Läuferin

Als Kind hat Irene unter dem Missbrauch durch ihren Vater gelitten. Nun ist der Vater tot. Für Irene beginnt eine Zeit der Trauer, des sich Erinnerns und Nachdenkens. Ein Hörspiel über den langen Weg zu sich selbst.

Schlaflose Nacht. Vaters toter, aufgeblähter Körper verfolgt mich. Mache meine Yogaübungen, versuche, mich zu beruhigen.

Irene

Der Tod war immer da. Ein schwarzer Schatten, vor dem ich meinen Vater beschützen musste. Mein Vater, der es vermeidet, seine Töchter in den Arm zu nehmen. Mein Vater, der nicht will, dass wir ihn vermissen, wenn er tot ist.

Irene

In meiner Familie sprach man selten über die Nazizeit und den Krieg. Man war sich einig: Sie waren alle Opfer. Und unsere Zähne sind stumpf geworden von ihren sauren Trauben.

Irene

Irene läuft. Täglich. Dauerlauf, Intervalltraining, Sprint. Es ist nicht nur Sport. Es ist ein Lauf zu sich selbst. Vier Jahre nachdem Irene den Kontakt zu ihren Eltern abgebrochen hatte, steht sie gemeinsam mit ihrer Schwester Charlotte am Sterbebett ihres Vaters. Die Schwestern hatten ihre Eltern aus demselben Grund verlassen: Hinter der Fassade einer angeblich heilen und glücklichen Familie hatten sie in ihrer Kindheit seelische und körperliche Gewalt erlebt, verübt vom Vater. Nach Jahren erst waren sie sich ihrer Verletzungen bewusst geworden. Nun ist der Vater tot. Für Irene beginnt eine Zeit der Trauer, des sich Erinnerns und Nachdenkens. In ihren Gedanken umkreist sie die Figur des Vaters. Der Vater, der seine Tochter schlägt, sie dennoch liebt, der selbst unheilbar krank ist und gezeichnet von den Erlebnissen des Krieges. Sein Trauma hat er an seine Töchter weitergegeben. Wie ein Läufer einen Staffelstab.

Von Marianne Zückler

Mit Ulrike Krumbiegel, Deborah Kaufmann, Christin König, Irm Hermann, Stefan Stern, Eva-Maria Kurz, Horst Mendroch.

Regie: Andrea Getto
Komposition: Michael Rodach
Produktion: rbb 2011