Berlin - Techno-Clubs als Kulturerbe: Clubcommission hofft auf mehr Unterstützung

Sa 16.03.24 | 22:13 Uhr
  26
Marcel Weber.(Quelle:dpa/J.Carstensen)
Video: rbb24 Abendschau | 16.03.2024 | Victor Marquardt | Bild: dpa/J.Carstensen

Die Berliner Techno-Kultur hat es auf die Liste des Immateriellen Kulturerbes der Bundesrepublik geschafft. Doch sie wird durch Verteilungskämpfe um knappe Flächen bedroht, sagt die Berliner Clubcommission - und wünscht sich Zuschüsse vom Staat.

Nach der Entscheidung, die Berliner Techno-Kultur zum immateriellen Kulturerbe zu erklären, hoffen die Clubbetreiber in der Hauptstadt auf staatliche Finanzhilfen.

Der Vorsitzende der Berliner Clubcommission, Marcel Weber, beklagte am Samstag in der rbb24-Abendschau eine zunehmende Bedrohung der bestehenden Clubkultur in der Stadt. "Durch die Corona-Pandemie haben wir jetzt noch mal endgültig eine ganz andere Situation. Es gibt kaum noch Raum in dieser Stadt. Es gibt einen großen Verteilungskampf um die wenigen Flächen, die noch da sind", sagte Weber.

Die Clubszene werde es auf Dauer nur mit Zuschüssen vom Bund oder dem Land Berlin schaffen, das Bestehende zu erhalten. "Seit vier Jahren gibt es einen Entschließungsantrag auf Bundesebene, dass Clubs als Kulturstätten anerkannt werden. Und ich hoffe einfach, dass diese Entscheidung jetzt, dass wir Kulturerbe geworden sind, auch noch mal so ein bisschen Wind unter die Flügel gibt", sagte Weber.

"Spüren im Herzen, dass es eine wichtige Entscheidung ist"

Auch bei der Suche nach geeigneten Immobilien hofft Weber seinen Worten zufolge auf die Unterstützung der Landesregierung: "Das Land Berlin hat ja auch einige Immobilien noch brachliegen."

Die Kultusministerkonferenz hatte am Mittwoch entschieden, die Berliner Techno-Kultur in das Verzeichnis des immateriellen deutschen Kulturguts aufzunehmen. Die Berliner Klubszene entwickelte sich im Lauf der 1980er Jahre zu einer der weltweit maßgeblichen Keimzellen der Techno-Kultur. Die elektronische Musikrichtung wurde insbesondere zu einer Art Soundtrack der Wendejahre nach der deutschen Wiedervereinigung, symbolisch dafür stehen legendäre Clubs wie der 1991 eröffnete "Tresor" und die jährliche Loveparade, später weltberühmte Clubs wie das Berghain.

Die Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) würdigte die Neuaufnahmen als wichtiges Zeichen für einen erweiterten Kulturbegriff, der sich gegen "die absurde Trennung" von ernster Kultur und Unterhaltungskultur wende. Bezeichnend dafür sei die Aufnahme der Berliner Techno-Kultur. "Ob Subkultur oder traditionelle Handwerkstechnik, all das gehört zum kulturellen Reichtum unseres Landes", erklärte sie in Berlin. "Ich glaube, dass wir alle vor allem im Herzen spüren, dass es eine wichtige Entscheidung ist, über die wir uns sehr, sehr freuen", sagte der Clubcommission-Vorsitzende Weber dazu am Samstagabend.

Seit 2013 eigene Kulturerbeliste

Ebenfalls neu aufgenommen wurden die Finsterwalder Sanges-Tradition, das Bergsteigen in Sachsen, die Schwälmer Weißstickerei aus Hessen, der Kirchseeoner Perchtenlauf in Bayern und der Viez, ein Obstwein aus Moselfranken. Die nationale Liste des immateriellen Kulturguts umfasst damit nun 150 Einträge.

Kulturerbeverzeichnisse gehen auf ein internationales Übereinkommen der UN-Kultur- und Wissenschaftsorganisation Unesco von 2003 zurück, das 2006 in Kraft trat. Es soll den Erhalt von menschlichen Bräuchen, Traditionen und kulturellen Leistungen fördern. Gedacht war es als Ergänzung zu älteren Abkommen zum Schutz materiellen Kulturerbes etwa in Form von Baudenkmälern.

Deutschland trat dem Abkommen zum Erhalt immateriellen Kulturguts 2013 bei und legte anschließend selbst eine entsprechende Liste an, die nach und nach erweitert wird. Darauf finden sich unter anderem auch die Hip-.Hop-Kultur aus Heidelberg, die Oberammergauer Passionsspiele, der rheinische Karneval, die Bäcker- und Brotbackkultur sowie die deutsche Schützenvereinstradition.

Sendung: rbb24 Abendschau, 16.03.2024, 19:30 Uhr

26 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 26.

    Vollste Zustimmung!
    Vorne rumSelektion und Absolution an der Tür und hintenrum betteln gehen und einen auf sozial und kulturell unterstützungswürdig machen. Verlogen und hinterhältig bzw. widerlich. Viele Clubbetreiber sind unanständig.

  2. 25.

    Sehr schön!
    Wer meint Vergnügungssucht und das Geschäft damit gehört unbedingt geschützt und vererbt, denkt eventuell genauso über Autobahnen. Ah, ja da gibt es doch diese Kraftwerk-Hymne (ebenfalls überschätzt). Also der Sounndtrack steht schon. Fehlt nur noch das EInverständnis der ClubCommission.

  3. 24.

    „ Sex ist auch eine Kulturtechnik„
    Ach was? Und was ist mit Nasebohren?

  4. 23.

    Die Welt und was sie als zu bewahrendes Erbe betrachtet verflacht immer mehr bzw. beugt sich gewissen Sachzwängen und kapituliert für Massengeschmack und Influenzertum. Berlin voll mit dabei und am liebsten in der Flachzone vorne dran. Statt Geld und Unterstützung für Bildung fließt noch mehr Aufmerksamkeit Richtung Kommerz und Ausbeutung mittels Ablenkung und Flucht vor den unbedingt wichtigen Themen und Aufgaben. Der Disko-(Club)-Lobby gefällt‘s. Mir graust es.

  5. 22.

    Wird da überhaupt Bier getrunken? Ich dachte, die nehmen nur flüssiges, österreichisches Dosenfutter, um die kleinen bunten Pillen runter zu spülen. Lieber A100 als irgendwelche "Clubs".

  6. 21.

    Solange hier Lehrkräfte an den Schulen fehlen, dort undichte marode Fenster die Regel sind und die sanitären Einrichtungen der Schultoiletten 3. Welt Niveau haben, nicht einen Cent Staatsknete für die Clubs.
    Wer kein Konzept hat sich eigenständig

  7. 20.

    Warum soll die Clubszene keine Kultur sein? Da wird Musik gemacht und getanzt, Musil und Tanzen sind die wohl ältesten Kulturgüter der Menschheit. Kultur ist vielfälltig: Opernkultur, Theaterkultur, Fußballkultur, Natur hat viel mit Kultur zu tun, Lesen, Film schauen, Ess- und Trinkkultur, Saunakultur, Kneipenkultur, ja, und Sex ist auch eine Kulturtechnik, gutes Benehmen übrigens auch, Fotografie, Malerei, Bildhauerei, erotische Kunst - alles Kultur, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

  8. 19.

    Gratulation dazu, dass „Die Berliner Techno-Kultur“ nun auf der Liste des „Immateriellen Kulturerbes der Bundesrepublik“ verzeichnet ist. Techno hat, nicht einzig in Berlin (z.B. Loveparade)eine Menge bewegt. Das steht unbenommen fest.
    Die Forderung nach finanzieller Unterstützung seitens des Landes/Bundes, worauf begründet sie sich? Um womöglich den materiellen Faktoren des Betreibers (Pacht, etc.) unterstützend zur Seite zu stehen?
    Gar kein Thema. Bei möglicher Nutzung von Brachflächen, sollte der Senat offener sein. Auch langfristige Lösungen anbieten.









  9. 18.

    Das ist Club-Szene (Party, Spaß, Alkohol, evtl. Drogen) und keine Club-Kultur. Hier wird "Kultur" gerufen, weil Club-Besitzer, Fördergelder und staatliche Zuschüsse bekommen möchten.
    Viel Spaß Euch ALLEN, in den Berliner Clubs.
    Aber, die Allgemeinheit sollte das nicht (mit)finanzieren (müssen).
    In Kürze gibt's dann noch die Konkurrenz, die Cannabis-Clubs (auch keine Kultur, aber von der Ampel ins Leben gerufen).

  10. 17.

    Ja! Ich denke an die frühen 90 zigern im Tresor mit Väthetc. Das war noch kein Mainstream! Das war cool!

  11. 15.

    Sollten Steuergelder fließen, fordere ich, dass dann auch das Aussortieren von Menschen an den Eingängen aufhört, weil sie die falschen Klamotten anhaben, das Gesicht nicht passt oder zu alt sind.
    Mit dem Geld sollten dann auch die Eintrittspreise und die 1. Flasche Bier gesenkt werden.
    Im Übrigen bin ich der Meinung, dass ein guter Club mit guter Atmosphäre und Konzept sich finanziell auch selbst trägt.
    Viele Bürger finden auch keinen Wohnraum und erhalten deshalb kein Steuergeld oder extra Flächen, wo sie leben können.

  12. 14.

    Na ja,in Oper, Philharmonie und Sprechtheater zu gehen, ist auch Hobby und diese Einrichtungen werden zu Recht gefördert. Von der Sache her hat die Clubkommission schon recht, doch ich bin aus anderen Gründen, die ich im anderen Statement dargelegt habe, dagegen.

  13. 13.

    Wie kommen Sie auf Weltkulturerbe? Davon ist im Artikel nicht die Rede! Was da mit großem Tamtam gefeiert wird, hat mit dem Unesco-Weltkulturerbe herzlich wenig zu tun, es ist eine rein deutsche Angelegenheit. Womöglich werdem demnächst auch noch Laierkastenmänner, Swingerclubs, Eckkneipen und der Schöneberger Straßenstrich in die komische Liste aufgenommen - das sind auch einzigartige Berliner Besonderheiten.
    Dass die Clubkommission Staatsknete haben möchte, macht mich fassungslos.
    An die Politik gerichtet: Für Kinder und Jugendliche wird viel zu wenig getan, die Kids wissen nicht wohin, Kinder- und Jugendtheater leben am Rande der Existenz - Erledigt erstmal diese Hausaufgaben statt die Vergnügungssucht Erwachsener mit all ihren Nebenwirkungen zu stärken.

  14. 12.

    Was soll denn noch alles unterstützt werden.
    Bin dagegen

  15. 11.

    Die "Wertschätzung" erfolgt viel zu spät und ist auch innovationsfeindlich. Es wird so wie in Buenos Aires mit dem Tango enden. Ein paar alte Leute, die der guten, alten Zeit nachhängen und dazu ein paar Gaffer aus dem Ausland wie in einem Zoo. Die Mehrheit der jungen Leute hat doch kaum noch Interesse an "Techno". Nimmt man dann noch die Drogen aus der Gleichung ist es sowieso komplett tot.

  16. 10.

    Es gibt keinen Grund , Steuergeld für das Hobby anderer Menschen auszugeben.

  17. 9.

    Welch ein Kokolores.
    Am Eingang werden ältere nicht eingelassen und die sollen jetzt die Verluste mit ihren Steuergeldern berappen.
    Die Selektion ist oft nicht nachzuvollziehen.
    Bislang bin ich mit meinen Ü60 in Hannover, Frankfurt, Hamburg überall gerne willkommen, nur in Berlin maßen sich die Clubs an zu sortieren (" Credo jetzt kommen sie zum sterben hier her" habe ich mehrfach vernommen)
    Große Clubs sind Out und wer sich nicht anpasst muß eben zumachen.

  18. 8.

    Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing.

  19. 7.

    Leider werden gerade jetzt wichtige Clubs platt gemacht für eine neue Autobahn. Aber was ist schon Kultur, wenn ich nicht im Stau stehen kann...

Nächster Artikel