Konzertbericht | Rap Festival im Gretchen - Gleichberechtigung statt Süßigkeiten

Fr 08.03.24 | 12:45 Uhr | Von Hendrik Schröder
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Symbolbild: Eine Aufschrift "Jenseits von Nelken und Pralinen" auf einer Jacke. (Quelle: IMAGO/Müller-Stauffenberg)
Audio: rbb24 Inforadio | 08.03.2024 | Hendrik Schröder | Bild: IMAGO/Müller-Stauffenberg

Mit dem "Jenseits von Nelken und Pralinen" feierte der Kreuzberger Gretchen Club am Donnerstag in den Internationalen Frauentag hinein. Mit ausschließlich weiblichen Künstlerinnen, viel politischer Message und einer wilden Party. Von Hendrik Schröder

Den Anfang des Abends macht im Kreuzberger Gretchen Club die Berliner Musikerin Malonda, eine ganz und gar herausragende, schillernde Persönlichkeit. Wie sie da steht, im orange-bunten Dress mit wallenden Rüschenärmeln und golden bimmelnden Ohrringen, nimmt sie mühelos die Bühne für sich ein. Und das Publikum gleich mit. Berührende Love Songs wechseln sich bei Malonda ab mit aufgewühlten, politischen Tracks. Manchmal vermischt sich auch beides. Denn auch das Private ist politisch in Malondas Texten. Und wer sonst kann schon ein Engagement bei der Antifa geradezu poetisch besingen?

Frauenkampftag

"Jenseits von Nelken und Pralinen", das ist das Motto das Abends und das bedeutet für viele Zuschauer:innen und für die Acts auf der Bühne: Der 8. März ist kein Tag, an dem Frauen mit Blumen und Süßigkeiten besänftigt oder belohnt werden wollen. Der 8. März ist mehr, ein Tag des Empowerments, der Selbstermächtigung, des Zusammenhalts. Und so heißt der internationale Frauentag in Malondas vielen Ansagen auch grundsätzlich "Frauenkampftag". Und wenn man von Feminismus und Gleichberechtigung und Sichtbarkeit von Frauen reden würde, dann müsse man auch über Rassismus reden, sagt Malonda auf der Bühne, und bekommt dafür viel Applaus.

Gequatsche und Jubel

Überhaupt werden alle Acts an diesem Abend mit dickem Applaus und Gejohle begrüßt und verabschiedet. Viele der Leute, die meisten jünger - geschätzt 80 Prozent Frauen - sind in größeren Gruppen gekommen, man kennt sich, lacht, quatscht. Das hat auf der einen Seite eine sehr herzliche und verbundene Klassenfahrtatmopshäre, ist auf der anderen Seite aber zugegeben etwas nervig, weil auch bei den meisten Auftritten durchgequatscht wird, zumindest in der hinteren Hälfte des Gretchens. So ist das eben bei so vielen Acts an einem Abend - es ist eher eine Party mit Liveacts, als ein gewöhnliches Konzert.

Sleaford Mods in weiblich und fresh

Dann kommt Sophie Labrey aus Manchester, die als Schlagzeugerin und Gitarristin schon in allen möglichen Bands die halbe Welt bereist hat, mittlerweile in Berlin lebt und sich bei ihren Soloauftritten Labreylien nennt - rein optisch und auch musikalisch der Gegenentwurf zur schillernden, exponierten Malonda. Eine ausgeblichene Baseballkappe über den verwuschelten blonden Haaren, schimpft Labreylien ihre angesäuerten Lyrics ins Mic, deutet ab und an eine Boxschlag in die Luft an, tigert über die Bühne. Und wirkt in ihrem atemlosen britischen Slang ein bisschen wie die legendären Sleaford Mods in weiblich, jung und fresh. Die Lyrics verstehen wahrscheinlich nur Muttersprachler:innen, und auch die nur, wenn sie sehr gut zuhören. Aber egal, das hat Kraft, Wut und lässt in seiner Gleichförmigkeit der derben Beats den Laden schon mal ganz gut zappeln.

Mehr Löcher als Stoff

Bei Bex feat Ængel aus Österreich kocht dann langsam der Saal. Dicke Dancebeats aus den Boxen, die beiden tragen teils gehäkelte Outfits (so sieht es zumindest aus), die viel, viel mehr Löcher als Stoff haben. Eine selbstironische Show mit wackelnden Hintern und "Berlin... ich will euch alle hören, von vorne bis hinten"-Ansagen und Texten, die auch mal mit "Berlin, may be we should fuck" enden und amüsiert bejubelt werden. Ein toller Abend mit echt guten Künstlerinnen und einem bei aller kämpferischen Frauentagsstimmung sehr, sehr freundlichem, umsichtigen, rücksichtsvollen Publikum. Und einer Erkenntnis: Wenn mal einen Abend lang nur Frauen auf der Bühne stehen und sehr viele Frauen im Publikum sind, dann merkt man erst, wie männerlastig der gesamte Musikbetrieb in fast allen Genres an fast allen Stellen noch ist. Warum eigentlich?

Sendung: rbb24 Inforadio, 08.03.2024, 09:54 Uhr

 

Beitrag von Hendrik Schröder

1 Kommentar

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  1. 1.

    Mag man alles so sehen. Ich liebe es, Nelken und Konfekt mit einem Küsschen geschenkt zu bekommen.

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