Staatliche Ballettschule in Berlin - Bildungsverwaltung entlastet früheren künstlerischen Leiter der Ballettschule

Di 09.04.24 | 16:13 Uhr | Von Tina Friedrich
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Archivbild: Gregor Seyffert, ehem. Künstlerischer Leiter der Staatlichen Ballettschule Berlin. (Quelle: dpa/Gateau)
Bild: dpa/Gateau

Der ehemalige künstlerische Leiter der Staatlichen Ballettschule wird rehabilitiert. Die Vorwürfe gegen ihn haben sich laut Berliner Bildungsverwaltung als "gegenstandslos" erwiesen. An die Schule kehrt er trotzdem nicht zurück. Von Tina Friedrich

Die Berliner Senatsbildungsverwaltung hat sich beim früheren künstlerischen Leiter der Staatlichen Ballettschule entschuldigt. Vorwürfe gegen Gregor Seyffert hätten sich als "gegenstandslos" erwiesen, heißt es in einem Schreiben. Dieses wurde in den Osterferien bekannt.

Wörtlich heißt es: "Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie bedauert, dass in Verbindung mit der zurückliegenden öffentlichen Diskussion um die Staatliche Ballett- und Artistikschule Berlin der Eindruck entstanden ist, als seien dem ehemaligen Künstlerischen Leiter, Prof. Seyffert, fachliche und persönliche Verfehlungen vorzuwerfen."

Kündigung unwirksam

Vor vier Jahren hatte die Bildungsverwaltung den beiden ehemaligen Führungskräften Gregor Seyffert und Ralf Stabel, damals Schulleiter der Ballettschule, gekündigt, nachdem der rbb über Vorwürfe von Kindeswohlgefährdung und einem Klima der Angst berichtet hatte. Demnach soll es unter an der Schule überlastungsbedingte Verletzungen, Bodyshaming im Unterricht, und sehr lange Arbeitstage gegeben haben.

Beide gingen juristisch gegen die Kündigungen vor. Die Berliner Arbeitsgerichte erklärten sie nach mehreren Verhandlungen für unwirksam. Seither waren Stabel und Seyffert zwar abberufen, erhielten aber weiter ihre Gehälter. Offen blieb, ob einer der beiden an die Schule zurückkehren würde.

Keine Rückkehr an die Schule

Dies ist jetzt zumindest für Gregor Seyffert entschieden: Man habe vereinbart, dass Seyffert nicht an die Schule zurückkehre, heißt es nun in dem Schreiben. Begründet wird die Entscheidung darin unter anderem mit "der Umstrukturierung der Staatlichen Ballettschule Berlin und Schule für Artistik". Damit verbunden sei eine "Änderung der Zielsetzung und Arbeitsweise". Seyffert werde sich im Rahmen seines Arbeitsvertrags anderen Tätigkeiten widmen, so die Erklärung.

Welche Tätigkeiten das sind, wurde von der Senatsbildungsverwaltung nicht bekannt gegeben. Das Schreiben ist vom Leiter der Abteilung für die berufsbildenden und zentralverwalteten Schulen unterschrieben.

Auf Nachfrage teilt ein Sprecher der Bildungsverwaltung im Zusammenhang mit der Erklärung mit: "Die juristische Auseinandersetzung im Kontext der Staatlichen Ballettschule Berlin hatte sich über Jahre hingezogen und konnte nun einer Lösung zugeführt werden." Das Rehabilitationsschreiben sei "im Prinzip" als ein Deal zur Beilegung des juristischen Streits zu verstehen.

Mit Ralf Stabel, dem ehemaligen Leiter der Schule, laufen die Gespräche den Angaben des Pressesprechers zufolge noch. Weitere Details hierzu nannte er nicht.

Burkert-Eulitz sieht Gesamtverantwortung

Die Bildungssprecherin der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Marianne Burkert-Eulitz, verwies auf Anfrage von rbb24 Recherche auf die Erkenntnisse der Expertenkommission, die 2020 die Vorwürfe von Machtmissbrauch und Kindeswohlgefährdung an der Schule untersucht hatte. Dass es über Jahre systematische Missstände an der Schule gegeben habe, stehe weiterhin außer Frage, sagte sie. "Herr Seyffert und Herr Stabel waren Teil des Systems, welches diese kindeswohlgefährdenden Verhältnisse ermöglicht haben", so Burkert-Eulitz. "Dies müssen sie sich zurechnen lassen."

Burkert-Eulitz beschrieb dabei eine schwierige Situation für die Aufarbeitung. “Die Ballettszene ist eine sehr kleine, und viele Betroffene wollten ihre Namen nicht öffentlich nennen, weil sie befürchteten, dann keine beruflichen Chancen zu haben." Sie kritisierte zugleich die Bildungsverwaltung: Diese habe ihrer Ansicht ihrer Aufsichtspflicht stärker nachkommen müssen.

Wichtig sei, dass Seyffert nicht an die Schule zurückkehre, betonte die Grünen-Politikerin. Auf Anfrage von rbb24 Recherche teilte Gregor Seyfferts Anwalt telefonisch mit, Seyffert werde sich nicht zu den aktuellen Vorgängen äußern.

Umstrukturierung der Schule geplant

Die Bildungsverwaltung deutet bereits länger an, dass sie an der Neustrukturierung der Schule arbeite - jedoch ohne weitere Details zu nennen. Den Hinweis im Rehabilitationsschreiben auf eine "neue Zielsetzung oder veränderte Arbeitsweise" konkretisierte auch der Pressesprecher nicht. Er schreibt, die Herausforderungen der vergangenen Jahre hätten sich als "äußerst vielschichtig und komplex" erwiesen, und es gebe in den kommenden Wochen "weitere Gespräche" über die Zukunft der Ballettschule.

Vor den Osterferien hatte die amtierende Schulleiterin Martina Räther in einem Schreiben an große Teile der Schulgemeinschaft beklagt, dass die begonnenen Reformen nicht in ausreichendem Maß vorankommen. Teile des Tanzkollegiums hatten erwidert, dass die Probleme auch an der Entscheidungsschwäche der amtierenden Schulleiterin selbst lägen. Einig sind sich die Vertreter des Tanzkollegiums und die amtierende Schulleiterin, dass sie sich für die Schule mehr Unterstützung durch die Senatsverwaltung für Bildung wünschen.

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Beitrag von Tina Friedrich

9 Kommentare

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  1. 8.

    Hatte Kultursenator Lederer nicht 2019 der Freien Szene das Tanz Haus Berlin versprochen, bis 2025, wenn Berlin "Tanzhauptstadt" sein soll? achtigall, ick hör dir trapsen!

  2. 7.

    Gerade, wenn man denkt, dass es nicht dümmer geht, setzt Frau Burkert-Eulitz einen drauf. Chapeau für so viel Inkompetenz. Wie kann man von berechtigtem Herauswurf der Leitung sprechen, wenn die anonymen Vorwürfe sogar nach juristischer Prüfung als FAKE identifiziert wurden ?!? haha Dass hier überhaupt gefeilscht wird die alte Leitung wieder einzusetzen, trotz derer Verdienste für die Schule und Schüler, ist einfach nur lächerlich. Eine Übernahmequote von 97% der Absolventen war international einzigartig und nahezu von keiner Schule weltweit zu toppen. Doch das zeigt nur, dass die Berliner Politik mal wieder nichts mit Kompetenz und Leistung anfangen kann... da es ihnen fremd ist. Ich will jetzt nicht Wahrsagerin spielen, aber bis zu 1 Jahr wird die Schule geschlossen werden und das "TanzHausBerlin" dort hineinverpflanzt. War zumindest schon so auf der Seite der Senatsverwaltung zu lesen, wahrscheinlich als April-Scherz, doch in Berlin ist alles denkbar.

  3. 6.

    Die Vorwürfe haben sich als gegenstandslos erwiesen, es ist aber trotzdem wichtig, dass er nicht an die Schule zurückkehren soll?

    Soll hier nach der Devise, irgendetwas wird schon drangewesen sein, gehandelt werden?

    Sehr seltsam…

  4. 5.

    Gut, dass unschuldige Lehrpersonen hier nun von dem kriminellen Vorwurf frei gesprochen wurden.
    Zugleich sind sie selbstverständliche Leidtragende dieser Situation - in vielerlei Hinsicht.

    Erstaunlich ist, dass nicht wirklich klar wird, wer Schuld an diesen falschen Vorwürfen ist und wie diese Person(en) zur Rechenschaft gezogen werden. Ebenso ist es erforderlich die Rolle des RBB zu klären und gegebenenfalls auch zur Verantwortung zu ziehen.

    Im besonderen Maße gilt es auch zu klären, wer von der ganzen Affäre profitiert hat und hier vielleicht zumindest eine Mitschuld trägt - kann es sein, dass es Frauen aus der Poltik und der Verwaltung sind...?
    Und "Teil des Systems" ist wahrscheinlich auch der Hausmeister und die Sekretärin - aber wer genau ist für welche negativen Folgen verantwortlich - das muss genau benannt werden. Das die Gruppe der Tänzer klein ist, kann nicht ein ernsthaftes Argument dagegen sein!

  5. 4.

    Es ist den Grünen eigen, sich der Realität zu verweigern. Das sieht und erlebt man besonders in den letzten Jahren.
    Es ist schade, dass die einmal zu den führenden und anerkannten Battettschulen gehörende Schule zum bedeutungslosen Mittelmaß entwickelte.
    Gut, den Ruhm und die Ehre aus DDR-Zeiten, wo, neben der Palucca Hochschule in Dresden, die Berliner Ballettschule und deren Mitglieder und Absolventen zu den Besten der Welt gehörten, sind lange schon vorbei. Wie alles, was aus der ehemaligen DDR kam.

  6. 3.

    Auch hier lief und läuft alles nach einem bewährten "Strickmuster" ab: es werden Vorwürfe erhoben und immer wieder wiederholt. Dann finden sich immer mehr Claquere, die lautstark in das Horn stoßen. So wird der "berechtigte öffentliche Zorn immer mehr entfacht und der Druck erhöht. Die Betroffenen haben keine Chance. Nachdem sie den Wölfen zum Fraß vorgeworfen wurden, wendet man sich einem anderen Thema (Opfer) zu. Das Ergebnis späterer Untersuchungen ist Nebensache.

  7. 2.

    Jetzt kommt endlich alles raus. Eine wirklich so schlimme Intrige. Danke a den RBB dass ihr immer dran geblieben seit! Ich habe alles verfolgt. Bleibt weiterhin dran bitte. Die Grünen-Politikerin sollte sich schämen und mal richtig informieren und Leute kennenlernen die an der Schule waren. Wie mein Sohn, er hat zum Glück!!! abgeschlossen als noch nicht alles ruiniert war und ist nach Schwerin jetzt in Chicago. Die Schule hat ihm die Grundlage geschaffen für alles.Für eine super Karriere, auf die wir seine Familiensuper stolz sind. Macht mal was über die Absolventen und ihren Werdegang, RBB. Ich hoffe und bete die Schule wird wieder so berühmt wie früher! Die Galas in der Staatsoper werde ich in meinem Leben nie vergessen. Alles Gute für die SBB und Herrn Seiffert! Und nochmal dank an RBB für die Berichte.

  8. 1.

    Warum will die Grünen-Politikerin die Realität nicht wahrnehmen? Die Reformvorschläge der Brunswicker Kommission (in der kein einziger Tanzexperte saß!) hat die Bildungsverwaltung zurückgezogen und von ihrer Webseite gelöscht. Ein Wissenschaftler hat untersucht, dass die Kommission die Aufgabe hatte, Kündigungsgründe zu finden. Doch es gab keine, wie die Rehabilitierung von Prof. Seyffert zeigt. Verantwortungsträger wie Frau Burkert-Eulitz und Medien wie der rbb haben diese Schule zerstört. Es ist zu hoffen, dass hier eine Aufarbeitung stattfindet. Erstaunlich, dass der rbb seine Kommentarfunktion diesmal nicht gleich geschlossen hat…

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