"Yes!Con" in Berlin - "Es gibt ein Leben mit Krebs und es gibt ein Leben nach dem Krebs"

Mo 16.10.23 | 06:03 Uhr | Von Julia Vismann
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Verleihung des Yes!-Awards bei der Yes!Con. (Quelle: rbb/J. Vismann)
Audio: radioeins | 16.10.2023 | Dietrich Lars | Bild: rbb/J. Vismann

Fast jeder zweite Mensch erkrankt im Laufe des Lebens an Krebs. Am Wochenende fand in Berlin die "Yes!Con" statt, Deutschlands größte Krebs-Convention für Betroffene und von Betroffenen. Julia Vismann hat sich auf der Veranstaltung umgeschaut.

Der pinke Teppich vor der Eventlocation AXICA am Brandenburger Tor sorgt für viel Aufmerksamkeit. Die Veranstaltung "Yes!Con" ist gerade gestartet und lädt Menschen ein, die mit Krebs zu tun haben, darunter Patient:innen, Angehörige, Fachleute aus Kliniken, Gesundheitspolitiker:innen und Prominente.

Auf zwei Bühnen widmen sich Betroffene und Experten am Samstag in Podiumsdiskussionen, Workshops und Vorträgen dem Thema. Doch es wird auch gefeiert. Als US-Sängerin Anastacia zusammen mit der jungen Ärztin Nezin Karimian von der Berliner Charité ihren Hit "I’m outta Love" singt, ist die Stimmung im futuristischen Gebäude ausgelassen.

Ein Gänsehaut-Moment

Anastacia, die zweimal Brustkrebs besiegt hat, geht offen mit ihrer Erkrankung um, dafür wird sie mit dem sogenannten "Ring of Courage" ausgezeichnet. "Ich versuche hier etwas zu bewegen, indem ich Menschen inspirieren möchte." Krebs sei ein beunruhigendes Wort, aber sie möge die ersten drei Buchstaben des Wortes "Cancer", sag sie: "can".

"Yes we Can_cer" ist der Slogan des Yes!con-Gründers Jörg Hoppe. Er selbst ist 2017 an Leukämie erkrankt und hat durch eine Stammzelltransplantation und die Unterstützung seiner Familie und seiner Freunde geschafft zu überleben.

"Es gibt ein Leben mit Krebs und es gibt ein Leben nach dem Krebs", sagt Hoppe. "Für viele Menschen ist das Leben nach Krebs sogar ein besseres, weil sie einen Prozess durchgemacht haben, bei dem sie festgestellt haben: Boah, bin ich stark, ich bin dem Tod von der Schippe gesprungen mit allen Anstrengungen und das ist Empowerment."

Auszeichnung für Union Berlin

Auch der 1. FC Union wurde bei der Yes!Con ausgezeichnet, weil die Mannschaft offen und solidarisch mit der Krebserkrankung ihres Innenverteidigers Timo Baumgartl umgegangen ist. 2022 bekam der Fußballer die Diagnose Hodenkrebs.

In den ersten Tagen nach der Diagnose sei es schwer gewesen darüber zu reden, erzählt Timo Baumgartl im Interview. In dem Moment, als er operiert war, wollte er seine Erkrankung aber öffentlich machen. "Ich möchte Menschen Mut zusprechen, ich möchte auch zeigen, dass ich mein altes Leben zurück bekommen kann." Baumgartl sagt, er finde es schön, dass er damit junge Männer motiviere zur Hodenkrebsvorsorge zu gehen. Die Offenheit und Anteilnahme seiner Teamkollegen habe ihm in der Zeit besonders geholfen sagt Baumgartl.

Rani Khedira, erinnert sich an die Situation, als sie erfahren haben, dass Timo Hodenkrebs hat. "Es war Totenstille in der Kabine. Als es ausgesprochen wurde, hat man nur auf den Boden gestarrt und musste mit seinen Emotionen umgehen." Deshalb seien sie jetzt alle glücklich darüber, dass Timo wieder der neue Alte ist, sagt der Unioner Rani Khedira.

Jörg A. Hoppe von der YES!CON. (Quelle: F. Lehmann)
Bild: F. Lehmann

Krebs in jungem Alter

Ein beeindruckendes Gespräch führten auf dem Podium zwei jungen Frauen, die an Krebs erkrankt waren, bevor sie 20 wurden. Die Leistungssportlerin Franziska und die Influencerin Liz haben über den Umgang mit der Diagnose, ihre Ängste und ihre neue Sicht aufs Leben gesprochen.

Liz war 19 als sie die Diagnose Lymphknotenkrebs bekam. Erstmal sei ihre Welt zusammengebrochen: "Man verbindet das auch mit dem Tod. Da kommt erstmal der Gedanke, oh kann ich vielleicht daran sterben?" Eventuell liege es auch daran, dass man nicht genug aufgeklärt sei über die Krankheit, sagt Liz.

Am Anfang habe sie sich irgendwie geschämt und nicht gewollt, dass alle wissen, dass sie krank ist. Dann habe sie eine Glatze bekommen, nach und nach habe sie durch die Chemotherapie ihre Haare verloren und gedacht: "Jetzt gibt es kein zurück mehr und ich habe das Video, in dem ich mir die Haare abrasiere, hochgeladen", erzählt Liz.

Eine neue Sichtweise aufs Leben

Dann teilte Joko Winterscheidt das Video auf seinem Instagramkanal und das Thema bekam sehr viel Aufmerksamkeit, sagt die heute 20-Jährige. Jetzt versucht sie anderen Leuten, die auch von Krebs betroffen sind, Mut zu machen. "Mittlerweile sehe ich das ganze auch als Geschenk, dass ich diese Krankheit hatte, weil ich eine neue Sichtweise aufs Leben bekommen habe."

Sie sei dankbar im Alltag für die Kleinigkeiten, die man früher als Selbstverständlichkeit gesehen habe, freut sich Liz: "Mir wachsen jetzt die Haare wieder, auch wenn ich hier noch mit Perücke sitze."

"Jeder Mensch hat zwei Leben. Und das zweite beginnt dann, wenn man realisiert, dass man nur eins hat. Ich wurde wachgerüttelt", sagt Liz. Es sei ok, wenn man auch mal schlechte Tage habe und sich frage, warum ich? Liz sagt aber, "das Wichtigste ist, dass man wieder hochkommt."

Mut machen

Anders als bei einem Ärztekongress treffen bei der Yes!Con Krebserkrankte und Angehörige auf Fachleute aus Kliniken und auch prominente Menschen. Auch Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern unterstützt die Yes!Con.

Als sie ihre Brustkrebs-Diagnose bekam, machte sie es sehr früh öffentlich. Sie war überwältigt von dem Zuspruch vor allem von Frauen, die sagten: "Sie schaffen das, ich habe das auch schon hinter mir." Auf einmal mitzukriegen: 'Du bist nicht allein, viele andere haben das auch schon geschafft', "das gibt viel Kraft und das hat mich auch sehr berührt", sagt Manuela Schwesig.

"Mir ist ganz wichtig, dass Krebserkrankte nicht aufs Abstellgleis gestellt werden und für tot erklärt werden." Vielleicht bringen Menschen, die solche Phasen durchgemacht haben, sogar einen Erfahrungswert mit, der sehr wichtig für die Arbeitswelt ist", sagt Manuela Schwesig.

Auf der Yes!Con wurde Betroffenen auf vielen Ebenen Mut gemacht. Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte gleich zur Eröffnung in seiner Rede: "Ich wünsche Ihnen gute Laune - denn was bringen lebensverlängernde Therapien, wenn man das Leben dann nicht feiert."

Sendung: rbb24 Inforadio, 16.10.2023, 18 Uhr

Beitrag von Julia Vismann

9 Kommentare

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  1. 9.

    gibt es einen nachvollziehbaren grund warum eine veranstaltung von und für vulnerable komplett ohne masken abgehalten wird und auch die abgebildeten ärzte_innen ohne maske an den patienten_innen arbeiten ?

  2. 8.

    Unbekannter Weise kann ich Ihnen nur das Beste wünschen und vorallem eine Zeit ohne Schmerzen.

  3. 7.

    Muss als Betroffener mal meinen Senf dazugeben.
    Diagnose: Prostata Krebs 2017
    Wenn wir das Datum heute sehen 2023 liegen da schon ein paar Jährchen hinter mir. Laut damaliger Prognose hatte ich eine Überlebensdauer von3-5 Jahren. Ich bin noch da,aber es gibt noch genau 2 Medikamente die meine Krebslast in den Knochen bekämpfen könnten, aber danach kann ich Quasi zum Abdecker gehen.
    Forschung…. ist doch nur für die Reichen die sich die sauteuren Medikamente leisten können.Gerade erlebt.

  4. 6.

    "Also forscht nach dem woher !"

    Dieser "Forderung" kann ich mich nur anschließen!
    So als Laie würde ich behaupten, dass vieles an unserer Ernährung liegt.
    Wie kann z.B. ein Brot zwei Wochen haltbar sein - ohne Chemie?

    "früher gab es weniger Krebskranke."
    Heute werden die Menschen älter und es wird auch mehr untersucht.
    Evtl. weiß man daher nicht wirklich, wie viele früher auch Krebs hatten und daran unerkannt verstorben sind.

  5. 5.

    Sie sprechen mir aus dem Herzen, vielen Dank. Denn nur Schönreden hilft auch nicht. Nicht jede Therapie verläuft gleich, viele Patienten sind dauerhaft eingeschränkt auf Grund von Neuropathie oder sonstige Nebenwirkungen. Natürlich geht das Leben weiter (wenn es denn weitergeht) aber es ist nicht mehr das gleiche Leben.

  6. 4.

    "Fast jeder zweite Mensch erkrankt im Laufe des Lebens an Krebs."
    Wie wahr, das hier geht an Wolfram: Du schaffst das und viel Kraft.

    Danke, dass es diese Veranstaltung gibt und allen, die es betrifft: ich wünsche Ihnen viel Kraft und Energie. Sie sind nicht allein.

  7. 3.

    ja, es ist richtig, allen Mut zu machen, die Krebs haben, denn nicht alle sterben daran.
    Es ist allerdings auch wichtig, diese Krankheit nicht zu beschönigen, denn viele sterben daran. an bestimmten Krebsarten sogar fast alle, zum Beispiel an Gliablastom).
    Viele Überlebende sind nach der Chemotherapie von den Nebenwirkungen dauerhaft in ihrer Lebensqualität eingeschränkt (ich sag nur Neuropathie usw). Viele bekommen nicht die beste Behandlung, weil die Krebstherapie sehr standardisiert abläuft, wenn man sich nicht selbst informiert und sehr viel Druck macht.
    Das sind alles Dinge, die neben der ermutigenden Botschaft auch gesagt werden müssen, sonst nimmt man die völlig berechtigte Angst und Verzweiflung nicht erst.

  8. 2.

    Ich bin auch der Meinung das die Forschung wichtig ist, aber auch warum wir vielen an Krebs erkranken. Ist es unsere Umwelt oder unsere Ernährung. Bin 62 Jahre und früher gab es weniger Krebskranke. Also forscht nach dem woher !

  9. 1.

    Es ist sehr gut, dass ein Forschungsschwerpunkt auf Krebserkennung und Krebsbekämpfung in der Medizin gelegt wird.

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