Suche nach Immobilien - Der Berliner Kältehilfe gehen die Unterkünfte aus

Mo 08.04.24 | 08:46 Uhr | Von Marcus Latton
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Archivbild: Menschen nutzen am 04.01.2017 in Berlin die neue Einrichtung der Kältehilfe in der Seestraße. (Quelle: dpa/Maurizio Gambarini)
Video: rbb24 Abendschau | 08.04.2024 | Marie Steffens | Bild: dpa/Maurizio Gambarini

Von Oktober bis April richtet die Berliner Kältehilfe Notunterkünfte für Obdachlose ein. Jetzt schlagen der Verein und die Wohlfahrtsverbände jedoch Alarm: In der Hauptstadt finden sich immer weniger geeignete Flächen und Immobilien. Von Marcus Latton

In der Wustrower Straße 18 in Hohenschönhausen hätte es fast geklappt. Umgeben von Plattenbausiedlung befindet sich hier in zweistöckiger Flachbau aus DDR-Zeiten. Im Erdgeschoss verkauft ein vietnamesischer Kiosk Blumen, Schokolade und Geschenkartikel. Nebenan verteilt die Berliner Tiertafel für bedürftige Hunde- und Katzenhalter Futterkonserven. Doch das Stockwerk darüber – ein ehemaliger Jugendclub – steht leer. Die beheizten Räume könnten ohne viel Fantasie mit Betten ausgestattet werden und im Winter Platz für Obdachlose bieten. Platz, den die Berliner Kältehilfe immer verzweifelter sucht.

"Wir haben, was die Räumlichkeiten betrifft, sehr geringe Ansprüche", sagt Jens Aldag, Leiter der Koordinierungsstelle der Berliner Kältehilfe. Bei der Besichtigung des Objekts in der Wustrower Straße im vergangenen Herbst habe man einen guten Eindruck gehabt, so Aldag. Doch die Berliner Immobilienmanagement GmbH (Bim), die der Kältehilfe die Räume vermittelt hatte, teilte gleichzeitig mit: Die Leitungen und Verbindungen in dem Haus müssten grunderneuert werden, bevor man Menschen dort beherbergen könnte. Nötige Investitionskosten: eine Million Euro.

Die anderen Gebäude, die die Bim der Kältehilfe angeboten hat, wären laut Aldag als Notunterkünfte nicht geeignet gewesen. Marode, unzureichende Sanitäranlagen, ungeeignet für Rollstuhlfahrer.

"Für den nächsten Winter sehen wir schwarz"

Die Berliner Kältehilfe sorgt seit 1989 dafür, dass Obdachlose im Winter nicht auf der Straße übernachten müssen. Ein Verbund von Kirchen, dem Land Berlin, dem Sozialdienst Gebewo und einer Reihe von Wohlfahrtsverbänden (unter anderem Arbeiterwohlfahrt, Caritas und Diakonie) sind an dem Projekt beteiligt.

Aldag sagt, es sei schwieriger geworden, Fachpersonal und freiwillige Helfer zu finden. Die Finanzierung sei ohnehin prekär. Dass sich nun immer weniger Orte für Notunterkünfte finden, stimmt Aldag pessimistisch. Zumal die Zahl der Obdachlosen in Berlin steige. "Für den nächsten Winter sehen wir schwarz, weil es immer weniger Plätze gibt und die Akquise ein Problem ist."

Die Liga Berlin - eine Arbeitsgemeinschaft bestehend aus den Berliner Ablegern von sechs freien Wohlfahrtsverbänden [ligaberlin.de] - sieht enorme Probleme aufziehen: Nicht nur fehlen geeignete Gebäude. Auch die Verdrängung der Obdachlosenunterkünfte an den Stadtrand stelle ein zunehmendes Problem dar. In einem Bürogebäude in Wilmersdorf konnten im vergangenen Dezember 150 Menschen notuntergebracht werden. Ohne diesen glücklichen Umstand hätte es für diese Menschen im Winter 2023/24 kein Obdach gegeben, so Liga Berlin.

Bessere Immobilien im Kampf gegen die Wohnungslosigkeit

Andrea Asch sitzt im Vorstand des Diakonischen Werks und hält die Liga-Federführung für 2023 und 2024 inne. Sie sagt, bei der Suche nach Notunterkünften gehe es nicht nur um die Kältehilfe. Schließlich habe der schwarz-rote Senat in Berlin das Ziel ausgerufen, die Obdachlosigkeit in Berlin bis 2030 zu beenden. Doch die Immobilien, die die Bim für Unterkünfte anbietet, seien in einem zu schlechten Zustand. "Als freie Träger können wir die nötigen Investitionen in diese Objekte nicht leisten", so Asch. Das Land sei hier in der Pflicht die Gebäude wieder instand zu setzen.

Sie kritisiert, dass die sogenannte "Gesamtstädtische Planung zur Unterbringung wohnungsloser Menschen" (GSTU)nicht funktioniere. 2017 wurde dieser Zusammenschluss vom Land Berlin, den Bezirken und der Bim ins Leben gerufen, um die Suche nach passenden Gebäuden besser zu koordinieren. Passiert sei bisher wenig.

Die zuständige Senatsverwaltung für Arbeit und Soziales räumt auf Anfrage ein, dass die Suche nach geeigneten Immobilien schwierig sei. Dass sich manche Räumlichkeiten als unbrauchbar erweisen, stelle sich oft erst bei einer Vorortbesichtigung heraus. Die GSTU diene allerdings nicht der Steuerung der niedrigschwelligen Angebote der Kältehilfe, hieß es. Zudem hätten sich die Befürchtungen der Wohlfahrtsverbände, wonach im vergangenen Winter 400 Plätze in der Kältehilfe hätten fehlen können, nicht bewahrheitet. Trotz der angespannten Immobiliensituation sei es gelungen, auch in dieser Saison ausreichend Plätze zur Verfügung zu stellen.

Jens Aldag von der Kältehilfe hat indes noch einen anderen Wunsch: "Wir würden uns freuen, wenn sich Privatanbieter an uns wenden, die sanierungsbedingt eine freistehende Immobilie haben." Schließlich dauere es manchmal zwei bis drei Jahre, bis Sanierungen abgeschlossen sind – mit einer Zwischennutzung als Obdachlosenunterkunft könnten Synergieeffekte geschaffen werden, findet er.

Sendung: rbb24 Abendschau, 08.04.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Marcus Latton

9 Kommentare

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  1. 9.

    Viel wichtiger ist die Unterbringung der ganzen Fachkräfte, die legal oder illegal, in unser Land drängen. Wir haben Fachkräftemangel, für die wird Wohnraum geschaffen. Was jahrelang ein Weg durch die Instanzen bedeutete, um Wohnungen zu bauen, wird, als Fachkräfte-Flüchtlingsunterkunft, in wenigen Wochen gestattet.

  2. 8.

    Ich weiß nicht, ob Sie sich tatsächlich mal mit dieser Thematik auseinandergesetzt haben.
    Es is immer leicht zu sagen und zu fordern, sie müssen sich „an die Regeln“ halten…..
    Es gibt nicht nur diese „Sorte“ Mensch, von denen Sie reden. Es ist richtig, dass viele garnicht wollen. Die Gründe sind ganz einfach. Sie haben das Vertrauen verloren. Aktuell gerade erst wieder am Beispiel eines nicht trinkenden und nicht drogenabhängigen Obdachlosen erfahren dürfen.

  3. 7.
    Antwort auf [Berliner] vom 08.04.2024 um 10:02

    Es sollte sich immer ein Weg finden, Menschen in Not zu helfen. Die Betroffenen müssen sich dann auch an Regeln halten. Und oftmals möchten sie das nicht. Und dann kommt der nächste Winter. Und dann steht wieder so Artikel. Die Probleme die gleichen.

  4. 6.
    Antwort auf [Zufällig_gelesen!] vom 08.04.2024 um 12:55

    Für das Scheitern des Projekts am Ostbahnhof war doch wohl m.E. eher der Bezirk verantwortlich.
    War vor längerer Zeit in einer Sendung (oder sogar bei Abendschau?) beim rbb zu sehen.

  5. 5.

    Die Temperaturen steigen, also wird die Probleme der Obdachlosen genau dann thematisiert, wenn auch die Uhren vor- oder zurückgestellt werden. Ein Obdachloser ist aber kein Winterreifen, der von Ostern bis Oktober zwischengelagert wird, sondern ein Mensch. Nicht jeder dieser Menschen ist erpicht auf einen festen Wohnsitz. Für jene, die ganzjährig eine Unterkunft möchten, wird es auch innerhalb von Berlin möglich sein, Wohnraum zu beschaffen, geht ja sonst auch. Ein Bett in einer Gemeinschaftsunterkunft ist besser als Beton an der Bahnhofstreppe, schützt davor von irgendwelchen Idioten angezündet zu werden und Privatsphäre gibt's weder da noch dort.

  6. 4.

    Ich glaube kaum, dass sich Privatanbieter melden werden, die sanierungsbedingt eine freistehende Immobilie haben.

    Da fürchtet man, dass es einem so ergeht wie dem einen Hausbesitzer, der sein zur Sanierung anstehendes Haus als Notunterkunft für Obdachlose angeboten hatte.
    Dort sind dann einige Obdachlose eingezogen, aber mit Möbeln und mehr ...
    Als er die nach wenigen Monaten aus seinem Haus haben wollte, hieß es, er haben sich indirekt Mietverhältnisse gebildet und die Bewohner hätten nun ein Bleiberecht in den Wohnungen.
    Der "arme" Hausbesitzer klagt nun seit Monaten, um endlich mit der Sanierung beginnen zu dürfen...

  7. 3.

    Sind schlecht renovierte Unterkünfte nicht immer noch besser als gar keine?

    Ist ja wie bei den neu zu bauenden Wohnungen ... Die werden durch hohe Ansprüche an Klimaneutralität, Ausstattung und Bauausführung so teuer, dass auch keine (oder deutlich zuwenig) gebaut werden ...

  8. 2.

    Letzte Rettung!

    Bei den Amtsgerichten nachfragen. Nachlassverwaltung weiß wo es leere möblierte Wohnungen gibt.
    Natürlich nicht in der benötigten Menge. Aber immerhin etwas.

    Für größere Menge ist der Senat zuständig!
    Hier sehe ich Flächen in Brandenburg und die Errichtung und Finanzierung von Wohnungen.
    Aber nein es muss ja erst die EM finanziert werden!!!

  9. 1.

    Ist denn den Verantwortlichen im Senat entgangen, dass die Anzahl der Obdachlosen ständig zunimmt? Die sollten mal mit S-und U-Bahn fahren und sich auf den Bahnhöfen mal das Elend und den Gestank antun. Das Problem wird aber auf die Verkehrsunternehmen allein abgewälzt.

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