20 Jahre EU-Osterweiterung - "Polens Beitritt in die EU war ein Riesenschritt für uns"

Mo 29.04.24 | 14:01 Uhr | Von Magdalena Dercz
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Symbolbild:Polnische Maurer misst den Abstand von zwei Steinen.(Quelle:picture alliance/Photothek/U.Grabowsky)
Bild: picture alliance/Photothek/U.Grabowsky

Mit der Ost-Erweiterung der Europäischen Union vor 20 Jahren ging für viele polnische Bürger ein Traum in Erfüllung: Sie wollten wieder Teil des Westens sein. Vor allem polnische Handwerksunternehmen profitierten vom EU-Beitritt Polens.

2.000 Quadratmeter Produktionshallen, fast 50 Mitarbeiter und immer mehr deutsche Kunden. So sieht die polnische Möbelfirma von Marek Walcazak und Maciej Frackiewicz heute aus. Die beiden Tischler gründeten vor 25 Jahren im polnischen Gubin die Firma "Top Schrank" - fünf Jahre vor Polens Beitritt in die EU.

1999 bestand die Firma nur aus den zwei Geschäftsführern, zwei Arbeitern und ein paar Helfern, erinnert sich Marek Walczak: "Die Zeiten damals waren sehr schwierig, es gab kein Geld, wir wollten uns entwickeln, hatten aber Probleme Finanzmittel und Kredite zu erhalten. Letztendlich hat es aber geklappt."

EU-Beitritt eröffnet polnischen Unternehmern neue Möglichkeiten

Mit dem Beitritt Polens zur EU gab es auch für die Handwerker aus Gubin ganz neue Perspektiven. Schon im Jahr 2004 wurden Büros in Cottbus und Frankfurt (Oder) eröffnet. EU-Hilfen hat die Firma zwar nie bekommen, dafür aber uneingeschränkte Möglichkeiten, in Richtung Westen zu expandieren, so Geschäftsführer Maciej Frackiewicz: "Es war Schluss mit Zollgebühren. Jegliche Hindernisse, die mit dem Überqueren der Grenze verbunden waren und tausende Formalitäten sind entfallen. Der Grenzverkehr wurde flüssiger und auch mit den Steuern ist es einfacher geworden. Die Steuern führen wir jetzt in Deutschland ab."

Die Gubiner Firma war ein polnischer Pionier in der Brandenburger Möbelbranche. Anfangs mussten die Tischler viel Überzeugungsarbeit leisten, um deutsche Kunden zu gewinnen, wie sie sagen. Doch bald kamen auch viele andere polnische Unternehmer in den deutschen Industriemarkt.

Gerade in Brandenburg gab es eine sprunghafte Ansiedlung von polnischen Firmen, sagte Knuth Thiel von der IHK Ostbrandenburg dem rbb. "2015 hatten wir 280 Unternehmen mit polnischen Inhabern, heute sind es bereits 1.300. Ich denke, dass polnische Firmen sehr zuverlässig, anpassungsfähig sind und sehr pünktlich auch ihre Arbeit verrichten, wenn es im Dienstleistungsbereich ist, aber auch liefern."

Polnische Handwerker treffen auf Fachkräftemangel in Deutschland

Für Marek Walczak wäre heute vieles anders, wenn Polen am 1. Mai 2004 nicht der EU beigetreten wäre: "Ohne die EU wäre Polen nicht das gleiche Land wie es jetzt ist. Wir, Exporteure und viele andere Unternehmer haben sehr davon profitiert, Polens Beitritt in die EU war ein Riesenschritt für uns, darüber sind wir sehr glücklich."

Vor 20 Jahren war auf deutscher Seite die Angst vor polnischen Handwerkern noch groß, vor der Konkurrenz durch günstigere Arbeitskräfte. Heute - 20 Jahre später - sind sie kaum günstiger als deutsche Handwerker und beim aktuellen Fachkräftemangel in Deutschland sehr gefragt.

Sendung: Brandenburg Aktuell, 26.04.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Magdalena Dercz

3 Kommentare

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  1. 3.

    "Vor 20 Jahren war auf deutscher Seite die Angst vor polnischen Handwerkern noch groß, vor der Konkurrenz durch günstigere Arbeitskräfte."
    Ich habe zu der Zeit selten pfiffigere Handwerker erlebt. In dieser Angst schwebten wohl eine Menge unbegründeter Vorurteile mit. Das etwa genau so alte Audio "Polen am Bau" brachte es wohl gut auf den Punkt.
    Ja, es ist auch richtig, das die Preisunterschiede mittlerweile deutlich geringer geworden sind - allerdings haben die bisher immer das richtige Material dabei gehabt - auch in der Menge und Art.

  2. 2.

    Das Haus meiner Tochter in Hessen wurde aber nur von polnischen Fachkräften erbaut. Vor mehr als 20 Jahren und ohne Probleme durch deutsche Firmen. Wer die beiden Medizent-gebäude in Strausberg kennt der bestaunt auch die Qualität der Ausführung. ich habe selbst mit den Bauleuten damals gesprochen und den Daumen hoch gezeigt.

  3. 1.

    Im Grunde bestand - analog zur Situation in Deutschland - die Chance zu einer europäischen Vereinigung seiner vorherig verfeindeten Hälften und seiner vier Jz. lang auseinandergetriebenen Lebensentwürfe. Diese Chance wurde weder im einen Fall genutzt noch im anderen. In beiden Fällen ist das ohne schon Bestehende nur noch einen Tick größer geworden, haben sich - umgekehrt - diejenigen aus dem vermeintliich wirtschaftlich schwächeren Teil dem Stärkeren an die Brust geworfen.

    Die Ergebnisse dieses recht einseitigen Prozesses haben dann für Groll gesorgt - von den einen, nicht recht ernstgenommen zu werden, von den anderen, dass ihnen nicht genügend Dankbarkeit gezeigt worden wäre.

    Der Knusus Knacktus lag zwischen 1989 und 1990: zwischen der Souveränität des Aufbegehrens und der Unsouveränität des bloßen Übernehmen(-Lassen)s.

    Immerhin ist uralte deutsche und europäische Baukultur bewahrt worden, als dass sie überwiegend dem weiteren Verfall preisgegeben worden wäre.

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