Invasives lobuläres Mammakarzinom - Charité forscht zu seltenem Brustkrebs und verbessert Angebote für Patientinnen

So 14.04.24 | 08:11 Uhr | Von Ursula Stamm
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Symbolbild:Eine Ärztin schaut sich eine Mammografie an und gibt Daten in einen Computer ein.(Quelle:imago images/La Nacion)
Bild: imago images/La Nacion

Jedes Jahr erkranken Tausende Frauen am invasiven lobulären Mammakarzinom – einer Form von Brustkrebs, die oft spät entdeckt wird. Auch die Therapieansätze sind verbesserungswürdig. Die Charité forscht intensiv zum sogenannten ILC. Von Ursula Stamm

  • Charité forscht intensiv zu bösartigem Brustkrebs ILC
  • bisher oft schwer diagnostizierbar, Behandlung wenig spezialisiert, keine idealen Nachsorgepläne
  • Studien sollen Diagnose und Therapie verbessern
  • neue Sprechstunde ab Juni 2024

Jedes Jahr erkranken etwa 85.000 Frauen in Deutschland an Brustkrebs. Bei jeder sechsten von ihnen lautet die Diagnose invasives lobuläres Mammakarzinom. Diese Krebsart wird oft spät entdeckt. Ihre Symptome stellen sich langsam ein und sind schwer zu deuten. Das verschlechtert die Behandlungsoptionen und damit auch die Aussicht auf Heilung. Männer können ebenfalls betroffen sein, wenn auch deutlich seltener als Frauen.

Das Brustzentrum an der Berliner Charité untersucht diese Tumorerkrankung derzeit in einer umfassenden Studie und hofft mit den Erkenntnissen die Früherkennung zu verbessern. "Es gibt noch viele Wissenslücken über das lobuläre Mammakarzinom. Sowohl in der medizinischen Fachwelt als auch in der breiten Bevölkerung", sagt Maria Margarete Karsten. Sie forscht am Brustzentrum zu dieser Art des Brustkrebses.

Zudem ist sie Leitende Oberärztin der Senologie an der Charité. Die Klinik hat sich auf die Behandlung des invasiven lobulären Karzinoms (kurz ILC) spezialisiert. Pro Jahr werden hier etwa 150 Patientinnen und Patienten deswegen behandelt, sagt Karsten.

Dumpfes, schweres Gefühl in der Brust

Eine Besonderheit des ILC ist, dass die Krebszellen nicht aneinander haften. Ihnen fehlt der molekulare Kleber dafür. Deshalb entstehen keine kompakten Tumorherde, die als Knoten in der Brust wahrgenommen werden können. So, wie sie etwa für das invasive duktale Karzinom (IDC) typisch sind, der mit Abstand häufigsten Form von Brustkrebs.

Zudem wachsen die bösartigen Zellen nur langsam, weshalb sich Veränderungen eher schleichend bemerkbar machen. Dadurch sind Wucherungen nur schwer zu ertasten. Auch mit den üblichen technischen Untersuchungsmethoden wie Mammografie und Ultraschall ist ILC schwerer zu entdecken als andere Krebsarten.

Knoten in der Brust sind kein typisches Symptom, dennoch können Veränderungen spürbar sein. "Frauen haben eher ein dumpfes Gefühl in der Brust, ein Schweregefühl und die Haut kann verdickt sein", sagt Ärztin und Wissenschaftlerin Karsten. Weitere Hinweise auf die Krankheit können sein, dass sich in kurzer Zeit ein Größenunterschied zwischen den Brüsten entwickelt sowie einseitige Schwellungen oder nach innen eingezogenen Brustwarzen, so Karsten. Wenn diese Beschwerden länger als ein halbes Jahr andauern, sollte dies abgecheckt werden, sagt sie.

Zuverlässige Methoden, um diesen Krebs zu erkennen, sind die Magnetresonanztomographie (MRT) sowie die kontrastmittelverstärkte Mammographie (CEM). Diese Untersuchungen werden von den gesetzlichen Krankenkassen allerdings nur bei einem bestehenden Krebsverdacht bezahlt, wenn die Mammographie und Brustultraschall kein eindeutiges Ergebnis zeigen.

Brustkrebsexpertin Karsten sagt, Frauen, die Beschwerden haben, sollten sich nicht wegschicken lassen, wenn bei einer Ultraschall- oder Mammographie-Untersuchung keine Auffälligkeiten festgestellt werden. Vielmehr sollten sie um eine Überweisung in ein zertifiziertes Brustzentrum bitten, wo der Befund genauer abgeklärt werden kann. Wichtig sei es zudem, mögliche Krebserkrankungen in der Familie zu recherchieren und anzugeben, ergänzt Karsten.

Charité betreut mehrere Studien

Komplexer als bei anderen Krebsarten ist auch die Behandlung bei invasivem lobulärem Mammakarzinom. Standardmäßig werden Betroffene mit einer Chemotherapie behandelt. Obwohl die langsam wachsenden Tumore schlechter darauf ansprechen. Ob eine Chemotherapie einen Vorteil für eine Patientin darstellt, kann durch sogenannte Genexpressionstests abgeklärt werden. Laut Expertin Karsten sei allerdings nicht jeder dieser Tests in der Lage, um bei einer ILC-Erkrankung eine ausreichende Aussage zu treffen.

Karsten leitet eine Registerstudie Charité. Dabei werden erstmals die Therapieverläufe von ILC-Patientinnen über einen längeren Zeitraum beobachtet. So sollen Besonderheiten oder Probleme identifiziert werden, die speziell für diese Krankheit sind, was die Bahndlung langfristig verbessern soll [frauenklinik.charite.de].

In Kürze soll zudem eine weitere Studie unter Leitung der Charité starten. Darin soll die Wirksamkeit sogenannter "zielgerichteter Medikamente" erforscht werden. Dabei handelt es sich um Wirkstoffe, die sich gegen spezifische Merkmale von Krebszellen richten. Sie sollen dadurch besser wirken und weniger Nebenwirkungen haben.

Verbesserte Angebote für Patientinnen

Ab Juni 2024 wird es am Brustzentrum der Charité zudem eine monatliche Sprechstunde geben, in der sich Frauen mit einem lobulären Mammakarzinom vorstellen können. Das gilt für Frauen mit einem neu diagnostizierten ILC, für Frauen mit Metastasen durch ein ILC, aber auch für Frauen, die sich in der Nachsorge einer ILC-Erkrankung befinden. [Weitere Informationen unter frauenklinik.charite.de/brustzentrum]

Zudem hat das Brustzentrum der Charité zusammen mit der Lobular Breast Cancer Alliance - einem internationalen Netzwerk, das Wissenschaft, Kliniken und Patient:innen zusammenbringt - einen Fragebogen entwickelt, mit dem sich Betroffene besser auf Arztgespräche vorbereiten können [lobularbreastcancer.org]. Darin wird sehr detailliert aufgelistet, welche Fragen den unterschiedlichen Behandlern aus den Bereichen Onkologe, Chirurgie oder Pathologie gestellt werden sollten.

Ärztin und Wissenschaftlerin Maria Margarete Karsten sieht beim Thema ILC noch einige weiße Flecken, etwa beim Thema Nachsorge. Üblicherweise werden Frauen, die an Krebs erkrankt sind, fünf Jahre nach der Erstdiagnose aus der Nachsorge entlassen. Wenn das invasive lobuläre Mammakarzinom zurückkehrt, geschieht dies jedoch oftmals deutlich später und dann häufig an andere Stelle, etwa in Magen, Darm oder Eierstöcken.

"Was wir brauchen, sind spezifische Untersuchungen wie eine Magnetresonanztomographie oder ILC spezifische PET-Untersuchungen", sagt Karsten. Dies sei bislang noch kein Standard. Erste Studiendaten würden aber zeigen, dass so Rückfälle früher entdeckt werden könnten, sagt sie.

Beitrag von Ursula Stamm

4 Kommentare

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  1. 4.

    Ich bin selber Betroffene, habe gestern den Artikel gelesen und heute versucht für die geplante Sprechstunde einen Termin zu bekommen. Antwort: keine Kapazität. Vielleicht könnte man den Artikel so ändern, dass er nicht suggeriert, man hätte eine Chance dort als Patientin angenommen zu werden.
    Das ist schon sehr frustrierend.

  2. 3.

    Forschung ist notwendig. Entscheidend für die Patienten wird aber sein welche Kosten für (neue) Therapien von den Krankenkassen übernommen werden. Es klingt ja schon im Beitrag an : " MRT nur wenn...".
    Es gibt jetzt schon Therapien für die die Patienten z.B. in die USA reisen müssen, weil in Dt. kein Weg rein führt. Und Min.Lauterbach hat jüngst verkündet, dass sich die ärztliche Versorgung dramatisch verschlechtern wird.

  3. 2.

    Zitat:"Männer können ebenfalls betroffen sein, wenn auch deutlich seltener als Frauen." Immerhin wurde darauf hingewiesen. Da offenbar nicht hormonell behandelt wird, Frage ich mich jetzt natürlich, ob die derzeitige (dürftige) Behandlung bei Männern anders aussieht? Ich Google mal..

    Ihnen wünsche ich von ganzem Herzen Genesung!!!

  4. 1.

    Und wieder mal werden (biologische) Männer mit Brustkrebs hier völlig ausgelassen. Ist zwar selten, kommt aber vor und ich bin betroffen.

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