Bild: SFB

- Was davor geschah...SFB und ORB

"Achtung, Achtung, hier ist Berlin!" Mit dieser Durchsage des ersten Intendanten Alfred Braun geht der Sender Freies Berlin am 1. Juni 1954 um 4:55 Uhr auf Sendung. Im Hintergrund hörbar: die Freiheitsglocke. Sie läutet den Beginn des SFB als liberales Sprachrohr für die Berliner ein, welches die besondere Situation der Stadt fünf Jahrzehnte lang begleiten und kommentieren sollte.

Mit dem Sendestart strahlt der SFB zwei Hörfunkprogramme aus, SFB 1 und SFB 2. Im September 1954 tritt die neue Anstalt dem gemeinsamen Fernsehprogramm der ARD bei, zu dem der SFB ab dem 1. August 1958 ein eigenständiges Regionalprogramm für Berlin beisteuert: die Berliner "Abendschau", bis heute Flaggschiff und Quotenriese des ehemaligen SFB und des heutigen Rundfunk Berlin-Brandenburg.

Regional und international
Dass die Berichterstattung des SFB weit über die Berliner Kieze hinausgeht, zeigt sich eindrucksvoll am 26. Januar 1961: Mit nur 24 Stunden Zeitverzögerung sendet der SFB die erste Pressekonferenz des neuen amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy. Da eine direkte Schaltverbindung zwischen den USA und Europa noch nicht in guter Qualität möglich ist, wird eine Filmaufzeichnung der NBC via Flugzeug nach Berlin transportiert.

Im selben Jahr dann der erste internationale Erfolg des SFB: Der Dokumentarbericht "Die Mauer", der über den Aufbau der ersten Stacheldrahthindernisse und die darauf folgenden Tage berichtet, wird von NBC und CBS übernommen und in den USA von geschätzten 20 Millionen Zuschauern gesehen.

Doch auch umgekehrt ist das Interesse groß: Als der amerikanische Präsident John F. Kennedy bei seinem Besuch am 26. Juni 1963 von tausenden Berlinern bejubelt wird, überträgt der SFB sechs Stunden lang live vom Geschehen. Dabei sind 36 elektronische Kameras im Einsatz.

Liberales Sprachrohr statt pure Propaganda
Obwohl das geteilte Berlin wie keine andere Stadt für den Kalten Krieg stand, wurde der SFB nie zu einem propagandistischen Frontstadtsender, betont der ehemalige Intendant Horst Schättle.

Einen Beitrag dazu liefert das Magazin "Kontraste", das am 16. Januar 1968 im Ersten Deutschen Fernsehen auf Sendung geht. Darin berichtet der SFB-Chefredakteur Dr. Peter Pechel über politische, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklungen und Ereignisse in sozialistischen Ländern. Ein früher Erfolg der Redaktion: 1969 vermittelt "Kontraste" erfolgreich bei der deutsch-polnischen Annäherung zwischen den Außenministern Jedrychowski und Scheel.

Bunte Unterhaltung
Neben Information und Kultur sieht sich der SFB als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt auch der Unterhaltung verpflichtet. Am 26. August 1967 wird’s bunt in den Berliner Wohnzimmern: Als erster Farbfernseh-Beitrag des SFB ist der "Gala-Abend der Schallplatte" zu sehen, drei Jahre später sendet auch die Abendschau in Farbe.

Am 19. Dezember 1971 ertönt erstmals die berühmte Tatort-Melodie bei den Zuschauern des SFB. Paul Esser spielt den Tatort-Komissar Kasulka in der Folge "Der Boss".

Die Veränderungen in der deutschen Gesellschaft der 70er Jahre spiegeln sich auch in den Programmen des SFB wieder. Am 6. Mai 1974 heißt es erstmals: SFB goes Multikulti. Werktags von 18:00 bis 18:30 Uhr sendet der SFB ein regionales Hörfunkprogramm für türkische und jugoslawische Arbeitnehmer.

Intelligent und unbequem: der Scheibenwischer
Vorhang auf für Satire auf bestem Niveau heißt es am 12. Juni 1980: Der erste Scheibenwischer wird gesendet. Mit Dieter Hildebrandt treten Werner Schneyder, Konstantin Wecker und Gerhard Polt auf.

In den kommenden Jahren ziehen die Kabarettisten begeisterte Kritiken, aber auch das Missfallen der bayerischen Landesregierung auf sich. Am 22. Mai 1986 erreicht der Streit seinen Höhepunkt: Während einer laufenden Satire-Sendung über die Katastrophe im Atomreaktor Tschernobyl schaltet sich der Bayerische Rundfunk aus dem Programm aus. Während die anderen Bundesländer in der ARD eine "Scheibenwischer"-Persiflage auf einen strahlenverseuchten Großvater sehen, ist in Bayern der Bildschirm plötzlich schwarz.

Trabis auf dem Kurfürstendamm
Im Herbst 1989 überschlagen sich die Ereignisse in Berlin. Am 9. November 1989 bringt der SFB als erster Sender in der Abendschau um 19:23 Uhr die Nachricht von der Maueröffnung. Die darauf folgenden Bilder des SFB gehen um die Welt: Freudentränen und Sekt auf der Mauer, hupende Trabis auf dem Kurfürstendamm.

Am Tag nach der Maueröffnung beschäftigen sich 150 Hörfunkbeiträge des SFB mit den Geschehnissen in Ost- und Westberlin. Allein vom 4. bis zum 13. November 1989 strahlt der SFB 21 aktuelle Sondersendungen zur Entwicklung in der DDR aus, bis zum Jahresende gibt es 20 Brennpunkte.

Die Gründung des ORB
Eineinhalb Jahre später ist die deutsche Einheit da – für einen gemeinsamen Sender in Berlin und Brandenburg ist die Zeit jedoch noch nicht gekommen. Im Februar 1991 bekräftigt der Brandenburger Landtag seine Ansicht, das Land brauche eine eigene Rundfunkanstalt. Gegründet wird der Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg (ORB) schließlich am 12. Oktober 1991 mit Sitz in Potsdam-Babelsberg.

Am 1. Januar 1992 um 0:01 läuten die Brandenburger das neue Jahr mit der ersten ORB-Fernsehsendung "Auf ein Neues, Brandenburg" ein. Im Hörfunk startet der ORB neben dem Sender Antenne Brandenburg mit dem Kultur- und Informationsprogramm Radio Brandenburg sowie dem Jugendprogramm RockRadio B ins erste Sendejahr.

Mit dem ORB in der ersten Reihe
Bereits am 21. Januar 1992 läuft im Ersten die erste ORB-Produktion, das Unterhaltungs- und Medienmagazin "TELEwischen". Eineinhalb Jahre später ist der ORB endgültig in der ARD angekommen: Mit der neuen ARD-Fernsehkorrespondentin in Warschau, Hardy Kühnrich, wird erstmals ein ARD-Korrespondentenplatz mit einer ORB-Journalistin besetzt.

Im Oktober 1994 startet schließlich die 73teilige Reihe "Chronik der Wende" im Ersten, das aufwändigste Projekt des Senders, das später mit Grimme-Gold ausgezeichnet wird.

Kooperation beim Hörfunk: Vorboten der Fusion
Fusion nein, Kooperation ja: Am 22. Februar 1992 startet mit Radio B Zwei das erste gemeinsame Hörfunkprogramm von ORB und SFB. Die zweite Kooperation zwischen den beiden Anstalten wird am 1. März 1993 mit dem Jugendwelle Fritz auf den Weg gebracht.

Pünktlich zur IFA geht am 28. August 1995 ein weiteres gemeinsames Projekt von ORB und SFB, der Nachrichten- und Informationskanal Inforadio, auf Sendung.

Am 29. August 1997 starten SFB und ORB Radioeins, ein Tagesbegleitprogramm für junge Leute ab 25 Jahre. Einen Monat später geht Radio Kultur auf Sendung, das neben einer breiten politischen Berichterstattung Klassische Musik, Neue Musik, Jazz und Weltmusik bietet.

Großeinsätze beim ORB
Ob Berliner oder Bayer: Die Fernsehbilder der Jahrhundertflut an der Oder schocken im Juli 1997 die Deutschen und rufen zahlreiche Solidaritätsaktionen mit den Brandenburgern hervor. Für den ORB bildet die erste "Spezial"-Sendung am 17. Juli den Auftakt zu vier Wochen Großkampfzeit mit zahllosen Radio- und TV-Sondersendungen. Hier sind zeitweise über 100 Reporter und Techniker im Einsatz. Zudem organisiert der ORB mit einem Benefizkonzert in Potsdam direkte Hilfe für die Brandenburger Flutopfer.

Dass der ORB auch ausgetretene Pfade verlässt und bei den neuen Medien ganz vorne mit dabei ist, beweist einmal mehr Radio Fritz im Oktober 2000: Im interaktiven trimedialen Projekt der "Fritz-Waldländer" müssen fünf Kandidaten mit Zuschauerhilfe 72 Stunden lang im Wald "überleben". Radio Fritz berichtet live im Radio und im Internet von dem Nervenkitzel, das ORB-Fernsehen zeigt Nachtberichte. An diesem ersten trimedialen Projekt beteiligen sich bis zu 40 Radiomacher, Internetredakteure und Fernsehkollegen.

Senderfusion vor Länderfusion
Die Länderfusion wird von den Brandenburgern im Volksentscheid 1996 zwar abgelehnt – für SFB und ORB ist das Thema einer Senderfusion jedoch aktueller denn je. Ein vom SFB 1999 angeregtes Gutachten sieht in einer Fusion erhebliche wirtschaftliche Vorteile.

2001 gibt es erste informelle Sondierungsgespräche zwischen dem Brandenburger Ministerpräsident Manfred Stolpe und dem Berliner Regierenden Bürgermeister sowie den Intendanten von SFB und ORB. Sie sind sich einig: Die Bildung einer gemeinsamen Anstalt soll schon vor einer möglichen Länderfusion stattfinden.

Fusion auf Augenhöhe
Dass die Fusionsgespräche zwischen dem ORB und dem SFB auf Augenhöhe verlaufen werden, steht für den ORB-Intendanten Hansjürgen Rosenbauer außer Frage: Schließlich habe sich der ORB in seiner zehnjährigen Geschichte zum Gütezeichen entwickelt. So sehen das auch die Brandenburger: Rund 65.000 Besucher feiern am 1. Mai 2002 mit dem ORB beim Tag der offenen Tür in Potsdam-Babelsberg.

Auch an der Namensfindung für den neuen Sender beteiligen sich die Berliner und Brandenburger. Bei Ideenwettbewerb gehen rund 1.000 Namensvorschläge für den neuen Sender ein; schließlich fällt die Entscheidung für den Namen rbb.

Am 25. Juni 2002 unterzeichnen Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe und der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit den Staatsvertrag für den geplanten neuen ARD-Sender Rundfunk Berlin-Brandenburg. Kurz darauf geben auch der Brandenburger Landtag und das Berliner Abgeordnetenhaus grünes Licht für die Zusammenführung von ORB und SFB.

Am 1. Mai 2003 ist es schließlich soweit: Der Rundfunk Berlin-Brandenburg wird gegründet. An seiner Spitze steht zum ersten Mal in der deutschen Rundfunkgeschichte eine Frau, die neue Intendantin Dagmar Reim.