Fahndung im Weihnachtsreiseverkehr - Innenausschuss berät über die Sicherheitslage in Berlin

Fr 23.12.16 | 10:20 Uhr
Betonsperren am Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz (Quelle: imago/Xinhua)
Bild: imago/Xinhua

Kurzfristig wurde eine Sitzung des Berliner Innenausschusses anberaumt. Dabei dürfte auch die im September beendete Observation von Anis Amri Thema sein. Unterdessen fahnden tausende Bundespolizisten nach dem Tatverdächtigen des Anschlags von Berlin.

Update, 23.12.2016, 11.11 Uhr: Dem italienischen Innenminister zufolge ist der
Anis Amri in Mailand erschossen worden.
Informationen hierzu finden Sie in unserer aktuellen Meldung.

Die Sicherheitslage in der Hauptstadt ist am Freitag Thema im Berliner Abgeordnetenhaus. In einer kurzfristig anberaumten Sitzung berät der Innenausschuss ab 11 Uhr über Konsequenzen aus dem Terroranschlag vom Montag.

Innensenator Andreas Geisel (SPD) und Polizeipräsident Klaus Kandt wollen die Abgeordneten über die Sicherheitslage in der Hauptstadt informieren. Geisel will auch Vorschläge vorlegen, wie diese verbessert werden kann. Nach dem Anschlag diskutiert die Berliner Politik kontrovers über eine Ausweitung der Videoüberwachung öffentlicher Plätze. Die rot-rot-grüne Koalition lehnt das bislang ab.

Offenbar Kontakt zu Moschee-Verein

Ein Moschee-Verein in Moabit wird im jüngsten Bericht des Berliner Verfassungsschutzes als Treffpunkt von Islamisten geführt. Beim Islamunterricht sollen dort Muslime für den bewaffneten Kampf der Terrormiliz "Islamischer Staat" in Syrien radikalisiert worden sein. Der Lkw-Stellplatz, von dem der Lastwagen vor dem Anschlag am Montagabend losfuhr, ist nur wenige Hundert Meter von dem Moschee-Verein entfernt.

Nach Informationen des "Tagesspiegel" gehen die Ermittler davon aus, dass Amri in Berlin Unterschlupf gesucht hat. Ein Zeuge hatte demnach Amri nach dem Anschlag fliehen sehen, im Gesicht verletzt. Bei einer Flucht durch Deutschland würden diese Wunden auffallen, so das Blatt.

In eigener Sache

Am Donnerstag haben wir Observationsbilder gezeigt, die dem rbb aus Sicherheitskreisen zugespielt wurden. Die Bilder entstanden vor dem Moabiter Moscheeverein, in dem der mutmaßliche Attentäter vom Breitscheidplatz Anis Amri verkehrt haben soll. Der auf diesen Bildern kurz vor und nach der Tat zu sehende Mann ist laut Polizei und Staatsanwaltschaft nicht der getötete Terrorist, sondern ein Unbeteiligter, der sich nun bei den Behörden gemeldet habe. Die Moschee gilt als Anlaufstelle für IS-Aktivisten. In der Nähe der Moschee war der LKW für den Terroranschlag gekapert und das Bekennervideo des Terroristen gedreht worden. Die Innenverwaltung prüft ein zeitnahes Verbot des Moscheevereins.

Dazu erklärt rbb-Sprecher Justus Demmer: "Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Bilder gab es weder für den rbb noch für die aus unserer Sicht hoch vertrauenswürdige Quelle, die dem rbb das Material übermittelte, begründete Zweifel daran, dass auf den Bildern Amri zu sehen ist. Der rbb geht nach seinen Recherchen weiter davon aus, dass die Sicherheitsbehörden zu diesem Zeitpunkt der gleichen Überzeugung waren. Dass sich diese Einschätzung nun als falsch herausstellt und korrigiert werden muss, bedauern wir. Wir sehen dies als Fortschritt in den Ermittlungen der Polizei und passen unsere Berichterstattung entsprechend an. Bei gleicher Quellenlage würde der rbb wieder genau so verfahren."

Bundespolizei verstärkt im Einsatz

Nach dem Terroranschlag in Berlin wird der Weihnachtsreiseverkehr in Deutschland schwer bewacht. An Flughäfen, Bahnhöfen und bei der Fahndung in einem 30 Kilometer breiten Streifen an den Grenzen Deutschlands ist die Bundespolizei präsent, teilte das Bundespolizeipräsidium in Potsdam mit. Sie sucht weiter nach dem tatverdächtigen 24-jährigen Anis Amri.

Mit Maschinenpistolen und schusssicheren Westen ausgerüstete Beamte gehen auf Streife. Zudem laufen auch verdeckte Maßnahmen, sagt Sprecher Gero von Vegesack. Die Bundespolizei hat bundesweit 41.000 Mitarbeiter.

Sicherheitskonzept für Silvesterparty wird überarbeitet

Auch an den Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld sind Beamte in voller Montur und mit Maschinenpistolen im Einsatz - dort wurde die Präsenz bereits nach den Anschlägen von Paris und Brüssel erhöht, berichtete Jens Schobranski, der Sprecher der Hauptstadtdirektion der Bundespolizei, die für Berlin und Brandenburg zuständig ist.

Beim Gedenkkonzert für die Opfer des Anschlags, das am Freitagnachmittag am Brandenburger Tor stattfinden soll, sind rund 320 Einsatzkräfte eingeplant. Zudem sollen gepanzerte Fahrzeuge auffahren. Über vier Zugänge kommen die Besucher auf das Gelände, Rucksäcke und Taschen dürfen nicht mitgenommen werden. Das Konzert ist für 14 bis 20 Uhr geplant.

Bei der Bundespolizei wurden die Dienstpläne überarbeitet, um die zusätzliche Arbeit bewältigen zu können. Noch ist unklar, wie lange die erhöhte Wachsamkeit aufrechterhalten werden muss. Dabei nehmen die Beamten auf jeden Fall bereits auch Silvester in den Blick - so wird etwa das Sicherheitskonzept für die Berliner Silvesterparty nochmals überarbeitet. "Derzeit sind wir guter Dinge", sagte Schobranski mit Blick auf die Frage, ob das noch zu bewältigen sei.

Fingerabdrücke und Papiere im Lkw

Der Attentäter hatte den Lastwagen in den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gelenkt. Zwölf Menschen wurden getötet, knapp 50 weitere verletzt. Dringend tatverdächtig ist der Tunesier Anis Amri. Nach ihm wird europaweit gefahndet.

Auf die Spur Amris waren die Ermittler gekommen, als sie im Lastwagen seine Duldungspapiere fanden. Das geschah aber erst am Dienstag, weil die Fahrerkabine zunächst versiegelt worden war. Auch Fingerabdrücke des 24-Jährigen wurden im Fahrerhaus des Lkw sichergestellt. Nach Angaben von Innenminister Thomas de Maizière wurden auch weitere Hinweise gefunden, "dass dieser Tatverdächtige mit hoher Wahrscheinlichkeit wirklich der Täter ist".

Bruder fordert Amri zum Aufgeben auf

Der Bruder des mutmaßlichen Attentäters hat Anis Amri aufgefordert, sich der Polizei zu stellen. "Wenn er mich gerade hört, dann sage ich ihm: Stelle Dich, dann ist es für Deine Familie einfacher", sagte Abdelkader Amri am Donnerstag vor Journalisten in seiner tunesischen Heimatstadt Oueslatia. "Wenn mein Bruder hinter dem Angriff steckt, dann sage ich ihm: Du entehrst uns."

Anis Amri stammt aus Oueslatia und hat acht Geschwister. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen in Tunesien war Amri dort mehrfach wegen Drogendelikten festgenommen worden.

Duisburger Festnahmen nicht im Zusammenhang mit Amri

Nach dem Anschlag von Berlin prüft die Hamburger Polizei, ob Amri für den Mord an einem 16-Jährigen Mitte Oktober an der Alster verantwortlich sein könnte. Die Mordkommission habe Ähnlichkeiten zwischen dem Terrorverdächtigen Amri und dem Phantombild in dem Hamburger Mordfall festgestellt, berichteten die Zeitungen der Funke-Gruppe. Ein Polizeisprecher bestätigte am Freitag den Bericht: "Das ist eine weitere Spur, der wir nachgehen. Nach derzeitigem Stand gibt es da aber keine Hinweise." Ein Unbekannter hatte am 16. Oktober in Hamburg einen 16-Jährigen mit mehreren Messerstichen getötet.

Unterdessen hat die Polizei zwei Männer in Duisburg festgenommen, die möglicherweise einen Anschlag auf das Einkaufszentrum Centro in Oberhausen geplant haben. Die Festnahmen in Duisburg stehen nach Polizeiangaben aber nicht in Verbindung zur Fahnung nach Amri. "Es gibt keinen Zusammenhang mit dem Fall Amri außer dem terroristischen Hintergrund", sagt ein Sprecher der zuständigen Polizei am Freitag in Essen.

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