Fussilet-Moschee im Fokus - Zwei Terrorverdächtige hatten Kontakt zu Anis Amri

Mi 01.02.17 | 20:52 Uhr
Blumen und Kerzen, die zum Gedenken an die Opfer vom Breitscheidplatz aufgestellt wurden, sind am 29.01.2017 auf den Stufen zur Gedächtniskirche in Berlin zu sehen. (Quelle: Jörg Carstensen / dpa)
Audio: Abendschau | 01.02.2017 | Jo Goll | Bild: dpa

Zwei der drei festgenommenen Terrorverdächtigen in Berlin hatten offenbar Kontakt mit dem Attentäter Anis Amri und der Terrormiliz IS. Einer von ihnen sei faktisch für die Abläufe in der Fussilet-Moschee veranwortlich gewesen, so die Berliner Staatsanwaltschaft.  

Im Fall der drei am Dienstagabend in Berlin verhafteten islamistischen Terrorverdächtigen gibt es offenbar eine Verbindung zum Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri. Zwei der Männer sollen Kontakt zu Amri gehabt haben. "Das ergibt sich daraus, dass einer der Beschuldigten der Verantwortliche der Fussilet-Moschee gewesen ist, und dort ist Amri ein- und ausgegangen", sagte Staatsanwaltschafts-Sprecher Martin Steltner der rbb-Abendschau. Gegen die drei Männer lägen Haftbefehle vor.

Der Moschee-Verein in Moabit war am Dienstag im Rahmen der Anti-Terror-Razzia - wie schon kurz nach dem Anschlag Amris im Dezember - durchsucht worden. Gegen die Verdächtigen im Alter von 21, 31 und 45 Jahren wird wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat im Ausland ermittelt. Zwei der Männer seien Türken, einer Deutscher arabischer Herkunft.

Verdacht: Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Tat

Den drei Männern wird konkret vorgeworfen, geplant zu haben, in das syrisch-irakische Kriegsgebiet auszureisen und dort zu kämpfen. Ziel sei es gewesen, dort einschlägige Gewalttaten, insbesondere Tötungsdelikte, zu begehen und damit bestehende staatliche Strukturen zu destabilisieren. Sie sollen zudem Kontakt zur Terrororganisation "Islamischer Staat (IS)" gehabt haben, sagte ein Polizeisprecher dem rbb.

Konkrete Anschlagspläne in Deutschland habe es aber nicht gegeben. "Allerdings sind die Personen nach unserer Einschätzung unberechenbar", sagte der Staatsanwaltschafts-Sprecher Steltner dem rbb. "Und bei der Fussilet-Moschee gilt Alarmstufe Rot". Einer der Verhafteten tauche zwar nicht im Vereinsregister als Verantwortlicher des Moschee-Vereins auf, sei jedoch"faktisch verantwortlich" und habe "die Geschehensabläufe" dort bestimmt.

Die Festnahmen erfolgten nach Angaben des Polizeisprechers an drei verschiedenen Orten in Berlin. Neben der Fussilet-Moschee durchsuchte die Polizei mehrere Privatwohnungen, eine davon im Wedding.

Verbotsantrag für Moschee sollte bereits fertig sein

Die Innenverwaltung arbeitet derzeit an einer Verbotsverfügung gegen den Moscheeverein Fussilet 33. Vor einer Woche hatte Innen-Staatssekretär Torsten Akmann (SPD) im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses gesagt, der Verbotsantrag solle nun schnell fertig werden. Bis Ende Januar hatte er ihn erwartet. Mit einem Verbot kann das Vereinsvermögen beschlagnahmt und Unterstützer können strafrechtlich belangt werden.

Um den Erfolg des Verbotsverfahrens nicht zu gefähren, könne aber eine weitere öffentliche Stellungnahme vorerst nicht erfolgen, teilte Akmann mit.

CDU: Verbot muss rechtssicher sein

Aus der Opposition kommt dafür Verständnis: Der Berliner CDU-Innenexperte Burkhard Dregger sagte dem rbb, wichtiger als der Termin sei die Rechtssicherheit eines Verbots. Ein Vereinsverbot müsse hohe rechtliche Hürden überwinden und deshalb sorgfältig vorbereitet werden. "Es wäre der größtmögliche Schaden für den Rechtsstaat, wenn er in einem Rechtsstreit über das Vereinsverbot unterliegen würde", so Dregger. Eine unterschriftsreife Verbotsverfügung sei bis Ende Januar zugesagt worden. "Danach werde ich fragen", kündigte Dregger im rbb an.

Der CDU-Senator Thomas Heilmann hatte die Justizverwaltung bis Dezember 2016 geleitet. Seither ist der Grüne Dirk Behrendt Justizsenator.

Die Ermittler frustriert nach Informationen des rbb, dass der Verbotsantrag nicht schon längst gestellt wurde. Beim Islamunterricht sollen in der Fussilet-Moschee Muslime - meist Türken und Bürger aus kaukasischen Staaten wie Tschetschenien - für den bewaffneten Kampf in Syrien oder im Irak radikalisiert worden sein. Dafür gibt es konkrete Belege.

"Gegen Ismet D., den sogenannten 'Kalifen vom Wedding', läuft seit Monaten ein Verfahren", sagt der rbb-Journalist und Islamismus-Experte Jo Goll, der monatelang in der Islamisten-Szene Berlins recherchierte. "Ebenso gegen einen ehemaligen Imam der Fussilet-Moschee - eben wegen Rekrutierung und Radikalisierung junger Leute, die in früheren Fällen dann bis in die Türkei begleitet wurden, bis an die syrische Grenze. Sie wurden richtigggehend geschleust in den Irak und nach Syrien, um dort auf Seiten des IS zu kämpfen."

Verbotsantrag auch wegen Personalmangels nur schleppend bearbeitet

In der Moschee sollen zudem Märtyrer-Videos gedreht worden sein, wie sie im Zusammenhang mit Selbstmord-Attentaten vorkommen. Zudem soll Geld für militärisches Equipment wie Zielfernrohre oder Nachtsichtgeräte gesammelt worden sein. Diese Gerätschaften wurden demnach dann nach Syrien geliefert. Besucher der Moschee aus Tschetschenien stünden zudem mit der Organisierten Kriminalität in Verbindung.

Dass diese Erkenntnisse nicht schon längst Konsequenzen nach sich zogen, liegt nach Informationen des rbb auch daran, dass der Verbotsantrag wegen Personalmangels in der Justizbehörde nur schleppend bearbeitet wurde. Laut dem AfD-Fraktionsvorsitzenden Georg Pazderski hänge der Verbotsantrag seit Januar 2016 in der Verwaltung fest. "Verantwortungsloser geht es kaum. Dieser Vorgang ist typisch für den Umgang der politischen Führung mit den Berliner Sicherheitsbehörden", sagte Pazderski.

Warum wurde Amris Observation beendet?

Viele Fragen wirft auch die Observierung der Fussilet-Moschee durch eine verdeckte Kamera vom Polizeigebäude gegenüber auf. Nach einer schriftlichen Auskunft der Polizei an den rbb wurde Amri bis zum 15. Juni 2016 regelmäßig von der Kamera erfasst. Danach wurden die Bilder nicht mehr mit Blick auf den Gefährder ausgewertet. Warum das nicht geschah, ist unklar. Am 15. Juni, dem letzten Tag der Video-Auswertung, hatte die Polizei anderen Sicherheitsbehörden mitgeteilt, dass sie "Operativmaßnahmen im bisherigen Umfang nicht mehr gewährleisten" könne. Beendet wurde die Observation, weil es keine relevanten Hinweise auf gravierende Straftaten gegeben habe, wie die  Polizei am Mittwoch gegenüber der Abendschau erklärte.

Mit Informationen von Jo Goll, Oliver Soos, David Donschen und Holger Hansen

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