#Wiegehtesuns? | Die Blumenhändlerin - "Jetzt ist es gar nicht so leicht, gute Blumen zu bekommen"

Sa 09.05.20 | 13:57 Uhr
Blumenhändlerin Anett Manteuffel mit ihrer Tochter vor dem Blumenladen am Bahnhof Berlin-Lichterfelde Ost (Quelle: rbb/Jagow-Duda)
Bild: rbb/Jagow-Duda

Für Muttertag arbeiten im Familienbetrieb von Annett Manteuffel alle mit Hochdruck. Endlich wieder, sagt sie. Nachts um drei Uhr auf den Blumengroßmarkt, strenge Regeln im Verkauf - alles ist besser als die dreiwöchige Schließzeit. Protokoll einer Kleinunternehmerin

Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Annett Manteuffel hat vor sieben Jahren den Blumenladen am Bahnhof Berlin-Lichterfelde Ost von ihrer Mutter übernommen. Sie hat zwei Angestellte, eine davon ist ihre Tochter. Nach drei Wochen hat sie erstmals wieder auf. So geht es Anett:

Wir sind auf Hochdruck. Wegen Muttertag. Da gibt es viel zu tun. Aber die Kunden sind noch gar nicht zu 100 Prozent wieder da, die sind noch relativ verhalten. Es ist schon ruhiger als sonst. Niemand besucht sich, das Geld sitzt bei vielen knapper. Aber ich freue mich, dass der Laden wieder offen ist.

Den ersten Schock haben wir überwunden, und ich hoffe, dass er nicht noch mal so kommt. Die Schließung von heute auf morgen hat uns sehr überrascht. Es gab wenig und widersprüchliche Informationen, wir haben uns selbst in den Medien informiert. In den drei Wochen zu Hause habe ich mir viele Sorgen gemacht: diese Ungewissheit und die Verantwortung für so einen Familienbetrieb und die Angestellten, für die wir Kurzarbeit angemeldet haben. So eine Situation hatte ich noch nie. Ich war vollkommen überfordert

Wir haben hier am Bahnhof in Lichterfelde Ost hohe Fixkosten. Die Unkosten laufen weiter, wie in jedem Geschäft. Wir haben aber auch Lebendware, Blumen eben, die sind verderblich. Wir standen im Laden voller Ware, die wir nicht mehr verkaufen durften. So haben wir Nachbarn und Bekannte beschenkt, trotzdem sind sehr viele Schnittblumen verdorben. Wir haben dann den Laden geräumt, denn die fangen ja an fürchterlich zu stinken.

Dass wir wieder öffnen können, haben wir von treuen Kunden erfahren, die uns angerufen haben. Wir mussten uns wieder über alles selbst informieren. Jetzt ist es gar nicht so leicht, gute Blumen zu bekommen. Der Weltmarkt ist wegen Corona größtenteils eingebrochen. An der Blumenbörse in Holland werden 60 Prozent weniger gehandelt. Aus Ecuador und Afrika kommen kaum Blumen und auch nur sehr wenige aus Italien. Vor allem die schönen großen Freilandrosen fehlen oder sind so teuer im Einkauf, dass man sie nicht verkaufen kann.

Ich fahre jetzt um drei Uhr nachts auf den Blumengroßmarkt, eine Stunde früher als sonst. So habe ich noch eine gewisse Auswahl. Ich will gute Ware anbieten, die ich auch selbst kaufen würde. Wir haben auch unser System umgestellt. Früher hatten wir mehr Schnittblumen. Jetzt produzieren wir mehr Sträuße vor, damit der Kunde sich nicht ganz so lange im Laden aufhält. Am Muttertag gibt es einen separaten Ein- und Ausgang.

Seit Corona habe ich meine Arbeit ganz anders schätzen gelernt. So demütig dankbar. Ich gehe einfach gerne in diesen Laden arbeiten. Ich belächele jetzt andere Dinge, weil ich so dankbar bin, dass ich wieder aufmachen kann, die Familie absichern, meine Angestellte absichern, dass es wieder ans Laufen kommt. Keine 100 Prozent, aber ich kann den Laden halten.

Zumindest bin ich nicht Konkurs, ich hab immer alles bezahlt, habe keine Schulden, und da habe ich auch viel Glück gehabt. Es geht nicht allen so. Auch die Soforthilfe für Kleinunternehmer hat mir geholfen, damit konnte ich vor allem die Blumen für den Neustart erwerben. Ob es gereicht hat, werden wir erst nach dem Sommer sehen.

Gesprächsprotokoll: Cosima Jagow-Duda

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