Hertha BSC im Trainingslager - "Im Hinterkopf, ganz tief, will jeder Bundesliga spielen"

Fr 12.01.24 | 13:23 Uhr
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Hertha im Trainingslager
Audio: rbb24 Inforadio | 12.01.2024 | Philipp Höppner | Bild: rbb/ Philipp Höppner

Unter der Sonne Spaniens ist Pal Dardai während des ersten Testspiels auf Betriebstemperatur - und schreit seine Spieler an. Über seine Freude am Verlieren, übermotivierte Spieler und das Thema Aufstieg sprach er im Anschluss. Von Philipp Höppner

Der Trainingsplatz in "La Manga" ist in perfektem Zustand. Umringt von Hügeln, Palmen und Fincas. Der Himmel wolkenlos, die Sonne strahlt, das Thermometer zeigt 15 Grad - und damit rund 20 Grad mehr als in Berlin. Klingt nach Erholungsurlaub, doch das ist es nicht.

Fitnesstrainer Henrik Kuchno scheucht die Spieler immer wieder über den optimal gepflegten Rasen. Danach gibt Pal Dardai Taktikstunden: Der Fokus liegt auf dem Spiel mit und ohne Ball, offensivem Verteidigen und dem Alternativsystem der 5er-Kette.

Denn insbesondere diese Aufstellung ist es, bei der für die Profis noch Arbeit anzustehen scheint – zumindest ging das erste von zwei Testspielen unter der spanischen Sonne in der Formation in die Hose. Am Mittwoch setzte es gegen den belgischen Erstligisten KV Mechelen eine deutliche 0:3-Pleite.

"Wir müssen mutiger und zielstrebiger sein"

"Blick nach vorne! Pascal! Wir spielen nach vorne! Junge, Junge!", rief Pal Dardai an der Seitenlinie und richtete damit energische Worte an Pascal Klemens, nachdem dieser den Ball zurück in die Abwehrkette spielte, anstatt den rechten Flügel hinunter. Die Spieler in 5er-Abwehrkette, sie wirkten hinten überfordert und vorne zu unscheinbar.

"Mutig nach vorne verteidigen - davon habe ich die erste Halbzeit gar nichts gesehen", resümierte der Trainer nach dem Spiel. Herthas Torchancen konnte man an einer Hand abzählen. So standen sich Florian Niederlechner und Derry Scherhant noch kurz vor Schluss im gegnerischen Strafraum gegenseitig im Weg – und ein Verteidiger schnappte sich den Ball. Die Berliner Angreifer meckerten sich daraufhin gegenseitig an.

Auch schon in den Ligaspielen gegen Aue, Osnabrück und Kaiserslautern war Dardai unzufrieden mit den wenigen Torchancen, die seine Mannschaft kreierte. "Wir müssen mutiger und zielstrebiger sein. Dafür trainieren wir." Haris Tabakovic, Herthas bester Torschütze, wartet unterdessen weiterhin auf ein Erfolgserlebnis. "Am ersten Spieltag macht er das erste Tor, ihr werdet sehen”, sagte Dardai schmunzelnd.

"Gibt nichts Besseres als Klatsche im Trainingslager"

Dardai zeigte sich trotz der deutlichen Niederlage gegen Mechelen gut gelaunt und bewies dabei durchaus kühlen Kopf: "Ich bin froh! Es gibt nichts Besseres als im Trainingslager eine Klatsche zu kriegen", sagte er nach dem Spiel. "Das ist schön. Die werden morgen alle konzentriert sein und zuhören."

Die Vormittagseinheit am Tag darauf wirkt auf den Betrachter dann recht theoretisch. Dardai redet immer wieder eifrig im Mannschaftskreis auf einzelne Spieler ein. Einer muss gegen ihn im Zweikampf herhalten – auch mit der Körpersprache war Dardai beim Spiel gegen die Belgier nicht zufrieden und demonstriert, wie das richtig geht. Danach gibt es für eine gute halbe Stunde taktische Anweisungen zum Verlagern mit Ball und ohne. Mit der Leistung und Einstellung insgesamt sei Dardai zufrieden. "Die Jungs machen sehr gut mit disziplinarisch. Das Niveau im Training ist sehr gut", lobt er.

Ausfälle: "Da bin ich unzufrieden mit unserem Schicksal"

Ein Grund, weshalb es auch gerade offensiv stockt: Der wohl beste Herthaner der Hinrunde, Fabian Reese, konnte auf Grund eines Infekts und den Nachwirkungen nicht mit ins Trainingslager reisen. Auch Youngster Ibrahim Maza, der sich im Sommer im Trainingslager verletzt hatte, konnte noch nicht wieder vollumfänglich mit der Mannschaft trainieren. "Das sind zwei kreative Spieler", sagt Dardai. "Mit ihnen hätten wir weiter an der 4er-Kette gearbeitet."

Und zwei weitere Ausfälle kommen in Spanien dazu: Kapitän Toni Leistner brach die Dienstagnachmittags-Einheit mit Oberschenkelproblemen ab. Beim Testspiel am Mittwoch saß er nur auf der Tribüne. Und sah von dort, wie sich Rechtsverteidiger Jonjoe Kenny zur Halbzeit auswechseln ließ, ebenfalls mit muskulären Problemen im Oberschenkel. Bei Leistner hatte ein MRT nichts Schlimmeres ergeben. Kenny übte nach dem Training noch Torschüsse, trotz Dardais Bitte, sich zu schonen. "Jetzt habe ich zwei kleine Verletzungen, weil die übermotiviert sind. Schön, dass sie mitmachen, aber, deutsches Sprichtwort: Manchmal ist weniger mehr," so Dardai.

Träumen ist erlaubt

Dass die beiden beim zweiten Testspiel am Samstag gegen die Glasgow Rangers wieder auf dem Platz stehen, ist eher unwahrscheinlich. Dardai plant jedoch auch in diesem Spiel, über 70 Minuten lang seine A-Mannschaft spielen zu lassen. Vermutlich erneut mit der 5er-Kette, dem eigentlichen B-System. "Wir wollen das weiter üben, das ist sehr wichtig für die Saison", glaubt Dardai. "Wir können auch noch eine Woche später etwas üben - wir haben genug Zeit."

Am 21. Januar empfängt Hertha BSC zum Rückrundenauftakt Fortuna Düsseldorf. Am 31. Januar folgt das DBF-Pokal-Viertelfinale gegen Kaiserslautern, vor ausverkauften Rängen im Olympiastadion. Und am anschließenden Wochenende ist der HSV zu Gast. "Bis zum Düsseldorf-Spiel dürfen wir träumen, danach müssen wir Leistung bringen. Ich glaube, ziemlich viel entscheidet sich in den ersten Wochen", sagt Dardai.

Aktuell steht Hertha auf dem siebten Tabellenplatz. Mit der Fortuna und dem HSV spielt man in der Liga gegen direkte Aufstiegskonkurrenten. "Du darfst gegen die nicht verlieren", sagt Dardai. "Ich habe gesagt, Platz drei ist machbar. Er ist auch noch machbar. Aber dafür brauchst du auch Leistung."

"Jeder will natürlich Bundesliga spielen"

Nach einem schweren Start in die Liga im Sommer mit drei Niederlagen und null Toren soll der Auftakt in die Rückrunde besser klappen. Der direkte Wiederaufstieg wäre wünschenswert, aber kein Muss. "Im Hinterkopf, ganz tief, will jeder Bundesliga spielen. Trotzdem, wenn es zwei Jahre dauert, ist das auch nicht die Welt. Aber jetzt haben wir noch Möglichkeiten. Die müssen wir nutzen und alles versuchen", sagt Dardai.

Die warme Sonne an der Ostküste Spaniens hat Herthas Trainer Pal Dardai offenbar schon auf Betriebstemperatur für die Rückrunde gebracht. Am Sonntag reist die Mannschaft aus "La Manga" zurück nach Berlin. Zurück in die Kälte, aber dafür zu heißen Duellen.

Sendung: rbb24, 12.01.2024, 18 Uhr

5 Kommentare

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  1. 4.

    Ach, was waren es noch für Zeiten, wo der BCC777 noch in der 1."Bundesliga" spielten, am untersten Rand der Tabelle fristete und sich wie Bolle freuten, gegen einen Regionalligisten 17:0 zu gewinnen. Das waren noch die Zeiten, wo der vom BCC-Fan zitierte Clown von der Champions-League träumte. Heute ist es anders. Heute wird uns "Testspiele sind zum Testen da und nicht zum Gewinnen, ..." vermittelt.
    Wenn heute die Glasgow Rangers nicht nur mit den Balljungen auflaufen, gibt es die nächste Klatsche.
    Aber, was schrieb der "Unioner" Ralf?
    "Testspiele sind zum Testen da und nicht zum Gewinnen, ..."

    HA HA HA

  2. 3.

    Träumen darf man ja.
    Müssen ja nicht in Erfüllung gehen.

  3. 2.

    Testspiele sind zum Testen da und nicht zum Gewinnen, obwohl sich jeder Sieg schön anfühlt.
    Aber mal ganz ehrlich,
    Hertha sollte die Chance in dieser Saison nutzen, um wieder aufzusteigen. Es gibt nicht so viele Chancen.
    Das Finale im DFB-Pokal wünsche ich Pal Dardai in jedem Fall.
    Dazu stehe ich auch als Unioner!

  4. 1.

    "Im Hinterkopf, ganz tief, will jeder Bundesliga spielen" - spielen die nicht in der 2. Bundesliga?
    Und dann noch fabuliert der Magier, verhinderte Tierarzt, Animateur und Visionär Sätze wie: "Ich bin froh! Es gibt nichts Besseres als im Trainingslager eine Klatsche zu kriegen".

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