Presseinformation 2004-189 vom 21.10.2004 - 50 Jahre HFF

Andreas Dresen und Helke Misselwitz, Volker Koepp und Thomas Heise, Andreas Kleinert und Thomas Plenert, Bernd Böhlich und Bernd Michael Lade - sie haben etwas gemeinsam. Alle haben an Deutschlands ältester Filmhochschule studiert: Im Herbst feiert die Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg ihr 50-jähriges Bestehen. Zur international gefragten Ausbildung gehören Filmübungen in den verschiedenen Studienjahren und ein Diplomfilm zum Abschluss. In den vergangenen fünf Jahrzehnten sind so rund 3.000 Spiel- und Dokumentarfilme entstanden. Für das Niveau der Ausbildung spricht, dass zahlreiche Abschlussfilme aus dem Stand bei Wettbewerben und Festivals erfolgreich waren. Jüngstes Beispiel ist Martin Gypkens Debütfilm „Wir“, erfolgreich bei der Berlinale 2003 und im Kino, beim Ophüls-Festival preisgekrönt, gefeiert von der Presse, im Oktober auch im rbb Fernsehen zu sehen.

„Wir“ ist nur einer der Filme, an deren Entstehen der ORB seit 1992 beteiligt war – nicht nur finanziell, Redakteure der Filmredaktion standen den Studenten auch mit fachlichem Rat zur Seite. Seit der Fusion von ORB und SFB zum RBB führt der Sender für Berlin und Brandenburg die Zusammenarbeit mit der HFF fort. Dem größer gewordenen Sendegebiet entsprechend kooperiert der RBB ebenso mit der Berliner Filmakademie dffb. Die Ergebnisse der Zusammenarbeit sind regelmäßig im Spätherbst im rbb Fernsehen zu sehen. Zum HFF-Jubiläum gibt es am 25. Oktober eine neu produzierte RBB-Dokumentation und in wöchentlicher Abfolge eine Reihe mit koproduzierten Studentenfilmen.




Sendungen zum Jubiläum „50 Jahre HFF“

Montag, 25. Oktober, 22.15 Uhr (Erstausstrahlung)
Ein bisschen Luft unter die Flügel …
Die Filmhochschule Babelsberg wird 50
Film von Günter Meyer und Thomas Kuschel (60’)

Als im November 1954 die ersten Film-Studenten ins Babelsberger Schloss einzogen, lag das Land noch in Trümmern. Trotzdem hatte die DDR-Regierung beschlossen, eine Ausbildungsstätte für den Filmnachwuchs zu gründen: die „Deutsche Hochschule für Filmkunst“, Deutschlands erste Filmhochschule. Es gab für die Studenten keine Kameras, keine Schneidetische, aber es gab Enthusiasmus. An der Filmhochschule, so sagt es einer der Absolventen heute, konnte man seine „Flügel ausbreiten und bekam ein bisschen Luft darunter.“

Der Mauerbau 1961 war ein Schock. Plötzlich konnte die Hochschule nur noch mit „Passierschein“ betreten werden, denn sie lag unmittelbar an der Grenze zu Berlin (West). Trotzdem: Fast alle wichtigen Filme des Westens, von Fellini bis Truffaut, die in den Kinos der DDR nicht gezeigt wurden, gehörten zum Ausbildungsprogramm der Studenten. Fast schien die „Deutsche Hochschule für Filmkunst“ eine Insel im parteigesteuerten Kunstbetrieb der DDR zu sein. Das war natürlich nicht gewollt. Der 1968 neu eingeführte Name „Hochschule für Film und Fernsehen“ war zugleich Programm: Studentenfilme wurden im Fernsehen der DDR gezeigt, allerdings verlangte man dafür, dass sie „sendefähig“ waren, d. h. auch ideologisch linientreu.

Die Dokumentation von Günter Meyer und Thomas Kuschel zeichnet wesentliche Situationen der 50-jährigen Babelsberger Filmhochschule nach. Prof. Kurt Maetzig, der erste Rektor, kommt zu Wort, ebenso Absolventen – Schauspieler, Kameraleute und Regisseure. In Ausschnitten von Studentenfilmen aus fünf Jahrzehnten wird auf besondere Weise Zeitgeschichte sichtbar.


Montag, 25. Oktober, 23.15 Uhr
50 Jahre HFF
Wir
Spielfilm Deutschland 2003
Buch und Regie: Martin Gypkens
Musik: Christian Conrad
Kamera: Eeva Fleig
Mit: Oliver Bokern (Florian), Rike Schmid (Petronella), Jannek Petri (Pit), Knut Berger (Carsten), Karina Plachetka (Judith), Lilia Lehner (Anke), Brigitte Hobmeier (Käthe), Sebastian Songin (Micky), Sebastian Reiß (Till), Patrick Güldenberg (Andreas), Lars Löllmann (Roland) u. a.

Sommer in Berlin. Florian, Anfang 20, kommt mit dem Nachtzug in die Stadt, in der er leben will. Hier wohnt seit einiger Zeit Pit. Die Freunde seines ehemaligen Mitschülers lernt Florian kurz darauf auf Roberts Abschiedsfete kennen. Der will nach Indien auswandern, wodurch für Florian ein Zimmer bei Käthe und Anke frei wird. Auf der Party verliebt sich Florian in Petronella, die mit Till zusammen ist. Eine Affäre beginnt, von der die Freundesclique nichts ahnt. Alles ist in dieser Zeit in Bewegung und nichts bleibt so wie es war: Pit verliebt sich in Carsten, Till bekommt Filmförderung für sein erstes Drehbuch, Andreas steigt bei dem Filmprojekt aus, Judith hat Liebeskummer, Micky ist einsam und dann steht Robert wieder vor der Tür, der es in Indien nicht länger ausgehalten hat. In einer Disco treffen sich die Freunde wieder, doch in der Clique ist nichts mehr so wie früher. Der Zusammenhalt bröckelt, die Interessen und Träume vom Leben beginnen sich zu unterscheiden.

Zehn junge Menschen auf der Suche nach der richtigen Liebe, dem richtigen Beruf, dem richtigen Leben. Regisseur und Autor Martin Gypkens, Absolvent der Filmhochschule Potsdam-Babelsberg, gelingt in seinem Abschlussfilm eine authentisch-einfühlsame Schilderung der Wünsche und Sehnsüchte junger Erwachsener in der wichtigsten Phase ihres Lebens. Direkt und ehrlich erzählt „Wir”, eine Koproduktion mit dem rbb, von Schwierigkeiten und Rückschlägen, von Visionen und dem persönlichen Glück, von Freude und Schmerz – und von der Lust am Leben. „Wir” wurde 2003 auf dem Festival des deutschsprachigen Nachwuchsfilms in Saarbrücken mit dem „Förderpreis Langfilm” ausgezeichnet. Der Spielfilm eröffnet eine kleine Reihe mit Filmen zum 50-jährigen Jubiläum der Filmhochschule „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg.


Dienstag, 26. Oktober, 23.00 Uhr
50 Jahre HFF
Havanna mi amor
Dokumentarfilm Deutschland 2000
Regie: Uli Gaulke

Jeden Abend, wenn die Sonne über Kubas Hauptstadt untergegangen ist, beginnt im Fernsehen die Telenovela. Dann sitzen die Kubaner vor ihren zum Teil behelfsmäßig reparierten Fernsehern und schauen andächtig auf die kleinen und großen Tragödien dieser so beliebten Endlos-Serien. Hier finden sie Entspannung von den Strapazen des Alltags und sehr viel von dem, was in ihrem Leben eine wichtige Rolle spielt: Liebe, Eifersucht, kleine und große Intrigen, Kampf um Gerechtigkeit, Suche nach dem großen Glück. José ist der Mann mit den goldenen Händen, der die alten Fernseher auf abenteuerlichste Weise immer wieder in Stand setzt. Er wurde nach 14 Jahren Ehe von seiner Frau verlassen und sucht verzweifelt nach einer neuen Partnerin. Auch Silai, die Chefin des Friseursalons, sucht einen Partner, der Probleme lösen kann, keinen, der einfach nur die Füße unter den Tisch schiebt. Für Gladys, die Tabakarbeiterin, könnte alles recht einfach sein. Sie ist jung, schön und kann sich gegenüber den Männern behaupten. Sie hat den Vater ihres Kindes vor geraumer Zeit aus der Wohnung geworfen und hat seit drei Jahren keine Arbeit. Bei Joanna verhält es sich anders: Sie hat lange um Felix gekämpft und hält ihn fest, da er alle für eine selbstbewusste Frau wichtigen Eigenschaften vereint. Felix will ihr einen modernen Fernseher bescheren, aber für diesen Herzenswunsch reicht das Budget bei weitem nicht...
„Havanna mi amor“ erzählt vom Kampf um die letzten Fernseh-Bilder und vom Alltag – zwischen den Folgen der Endlos-Serien. Eine Hommage an die Liebe, alte Fernseher und eine der schönsten Sachen der Welt. Der mehrfach preisgekrönte Regie-Diplomfilm (u. a. Dokumentarfilmpreis bei den Internationalen Studentenfilmtagen „Sehsüchte“ 2000, „Deutscher Filmpreis“ für den besten Dokumentarfilm 2001) lief erfolgreich im Kino und auf zahlreichen Festivals weltweit.


Dienstag, 2. November, 23.15 Uhr
50 Jahre HFF
Gedächtnis der Orte
Dokumentarfilm von Susann S. Reck/Deutschland 2002

Nach zehn Jahren Debatte wurde der Bau des jüdischen Mahnmals in Berlin beschlossen. „Gedächtnis der Orte”, der Regie-Diplomfilm von Susann S. Reck an der HFF „Konrad Wolf”, beginnt mit der Grundsteinlegung zum Bau dieses Mahnmals im Herbst 2001. Auseinandersetzung mit Gegenwart und Vergangenheit – wo findet sie wirklich statt? Die Regisseurin erkundet, wie es an Orten aussieht, an denen Geschichte passiert ist und geht der Frage nach, ob die Erinnerung lebendig gehalten wird. Dazu begibt sie sich in Brandenburg auf Spurensuche von Synagogen und Gebetshäusern jüdischer Gemeinden. 40 davon gab es bis 1938. Die meisten wurden während der Reichspogromnacht am 9. und 10. November 1938 zerstört. Heute erinnert zumeist nicht mehr als eine Gedenktafel daran. Die intensive und persönliche Recherche führt nach Rathenow, Prenzlau, Brandenburg und Templin. Dort entdeckt Susann S. Reck Steine, Dokumente und vor allem Menschen, die früher etwas mit den Orten zu tun hatten oder heute wieder haben. Besonders die jüdischen Stimmen, sofern sie noch oder wieder existieren, lässt die Autorin zu Wort kommen.

„Gedächtnis der Orte” beschreibt eine Reise zu Denkmälern, die heute zum Teil profan genutzt werden und oft in brisanter Weise Vergangenheit vergegenwärtigen. Die Biografien der Protagonisten sind lebendig und voller Widersprüche mit jüdischen Denkmälern verbunden. Die Spuren, die dieser Film findet, geben Auskunft, werfen aber auch Fragen auf. Erinnerung ist immer etwas Lebendiges und Gegenwärtiges. Auch das zeigt dieser Film.


Dienstag, 9. November, 23.00 Uhr
50 Jahre HFF
HFF goes Hollywood
Acht Studenten suchen einen Mythos
Studentenfilme Deutschland 2002
Leitung Rosa von Praunheim

Im September 2001 flog der Filmemacher und HFF-Dozent Rosa von Praunheim mit Studenten nach Hollywood. In Zusammenarbeit mit ORB und ARTE entstanden dort in kurzer Zeit und intensiver Arbeitsatmosphäre ungewöhnliche Spiel- und Dokumentarfilme. Die Studenten suchten sich ihre Protagonisten vor Ort und arbeiteten mit amerikanischen Schauspielern. Alle schufen sich einen persönlichen, eigenen filmischen Zugang zu „ihrem” Hollywood.
Rosa von Praunheim stimmt die Zuschauer ein, spricht über die Reise und die Dreharbeiten. Die jungen Regisseure kündigen ihre Filme persönlich an:
„Hollywood Dogs” von Dirk Hilbert präsentiert Hundebesitzer in Los Angeles; „Swimming Underground” von Thorsten Trimpop zeigt den ehemaligen Andy-Warhol-Star Mary Woronow; „Viva Los Angeles!” von André Hörmann beobachtet den Alltag mexikanischer Einwanderer; „S” von Thanassis Karanikolas, auf den Internationalen Kurzfilmtagen in Oberhausen mit dem 3sat-Förderpreis ausgezeichnet, ist ein verstörendes Spiel um Nacktheit und Einsamkeit in der großen Stadt. In „Mr. Hollywoodstar” zelebriert Bartosz Werner die perfekte Schwarz-Weiß-Ästhetik des klassischen Hollywood-Films und geht der Frage nach, warum einem bildschönen, reichen, berühmten Schauspieler alle Verlobten davon laufen. „Three percent” von Robert Thalheim kann aus scheinbaren Alltagsszenen eine sensible Geschichte um Einsamkeit und das Scheitern eines amerikanischen Traums herausschälen; „Larry ‚Wild Man’ Fischer” von Till Passow verfolgt liebevoll die biographischen Spuren einer Rock-’n’-Roll-Legende zwischen Genialität und Wahnsinn. Auch „The beautiful Miss Davis” von Jasmin Hermann porträtiert eine Hollywood-Legende der besonderen Art: Die Drag Queen Dr. Vaginal Davis ist ein wahres Multitalent. Sie singt, malt und tanzt und sinniert in Undergroundfilmen über die Erotik der Nazis.


Montag, 6. Dezember, 23.00 Uhr
50 Jahre HFF
Last Minute
Fernsehfilm Deutschland 2003
Buch und Regie: Marina Caba Rall

Mit Petra Kleinert (Heike), Ercan Durmaz (Kawa), Katharina Schmalenberg (Nina), Roberto Guerra (Sänger), Thomas Schmuckert (Ehemann), Adelheid Kleineidamm (Nachbarin) u. a.

An einem Tag wie jeder andere treffen auf einem Flughafen drei grundverschiedene Menschen zusammen und sind plötzlich aufeinander angewiesen: Heike, Mitte 40, ist die deutsche Vorarbeiterin der Putzkolonne am Flughafen. Ihr wenig erquickliches bürgerliches Dasein hat sie zu einer mürrischen Frau gemacht, verbittert und vom Leben enttäuscht. Am Morgen erfährt sie durch einen Zufall, dass ihr Mann sie betrügt. Die 25-jährige Nina ist vorbestraft und die Neue in der Putzkolonne. Das Arbeitsamt hat sie zu diesem Job verpflichtet. Darüber hinaus hat sie an diesem Morgen auch noch feststellen müssen, dass sie schwanger ist, was ihr ohnehin chaotisches Leben vollends durcheinander bringt. Der Kurde Kawa, Mitte 30, soll an diesem Tag in die Türkei abgeschoben werden, wo Gefängnis und Schlimmeres auf ihn wartet.

Als alle drei in einer Besenkammer des Flughafens zusammentreffen, in die sich Kawa geflüchtet hat, nimmt die Geschichte dieses Tages ihren merkwürdigen Lauf. Sie haben nichts gemeinsam außer gegenseitigem Misstrauen - und der Tatsache, dass dieser Tag für jeden eine Katastrophe ist. In den Stunden des Bangens und Wartens wird gestritten und sich versöhnt, werden Vorwürfe laut und Vorurteile überwunden - und, wo nötig, auch Gesetze übertreten. Und plötzlich ist ein Plan geboren, wie sie aus der Falle dieses Tages herauskommen können. Und damit etwas tun, was ihr Leben verändern wird. Für immer. Heike, Nina und Kawa trennen sich am Ende dieses Tages als Freunde und in Freiheit. Und nichts ist, wie es war.

Mit dem Kammerspiel „Last Minute“ beschließt das rbb Fernsehen seine Filmreihe zum 50. Geburtstag der Filmhochschule „Konrad Wolf“. Marina Caba Ralls Abschlussfilm an der HFF Potsdam-Babelsberg wurde am 11.10.2004 mit dem Debütpreis des Kölner Frauenfilmfestivals „Feminale“ ausgezeichnet.



Honorarfreie Fotos im Internet unter www.ard-foto.de




Demnächst: rbb-movies

Unter dem Titel „rbb-movies“ stellt das rbb Fernsehen ab 7. Dezember 2004 die Zusammenarbeit des RBB mit den zwei Filmhochschulen seines Sendegebiets vor: Thematisch gebündelt, kommen an drei Abenden je zwei Studentenfilme ins Programm – von der dffb und von der HFF. Sechsmal studentische Handschriften zu den großen Gefühlen und Mythen des internationalen Kinofilms, das sind die „rbb movies“. Die erste Staffel ist vom 7. bis 21. Dezember zu sehen – dreimal am Dienstagabend.