Mutmaßlicher Berlin-Attentäter - Amri "sehr wahrscheinlich" in Nimwegen aufgezeichnet

Mi 28.12.16 | 17:19 Uhr
Die Spurensicherung hat nach dem Schusswechsel am 23.12.2016 in Mailand, bei dem der mutmaßliche Berlin-Attentäter Anis Amri geötet wurde, Beweisstücke markiert. (Quelle: imago/Independent Photo Agency)
Bild: imago/Independent Photo Agency

Noch immer ist nicht ganz klar, wie der mutmaßliche Attentäter Anis Amri nach dem Anschlag in Berlin trotz europaweiter Fahndung nach Mailand gelangte. Eine der Spuren führt in die Niederlande. Auch über seine Zeit vor dem Anschlag wird immer mehr bekannt.

Zum Fluchtweg des mutmaßlichen Attentäters Anis Amri nach dem Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt sind weitere Details bekannt geworden.

- Vermutlich ist Amri zunächst in die Niederlande gereist. Der Tunesier sei in der Nacht zum 22. Dezember von der niederländischen Stadt Nimwegen mit einem Fernbus ins östfranzösische Lyon gefahren, verlautete am Mittwoch aus französischen Ermittlerkreisen. Nimwegen liegt nahe der Grenze zu Nordrhein-Westfalen. Zwei Tage nach dem Anschlag habe ihn "sehr wahrscheinlich" eine Überwachungskamera auf dem Bahnhof in Nimwegen nahe der Deutschen Grenze aufgenommen, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft der Deutschen Presse-Agentur.

- Der Bus fuhr den französischen Ermittlern zufolge zum Bahnhof Lyon-Part-Dieu, wo Amri später von einer Überwachungskamera gefilmt wurde.

- Von Lyon aus fuhr der 24-Jährige mit dem Zug in die französische Alpenstadt Chambéry und dann nach Italien.

- Ein weiteres Bild aus einer Überwachungskamera hat nun auch den Aufenthalt des mutmaßlichen Berliner Attentäters in Turin bestätigt. Die italienische Polizei veröffentlichte am Mittwoch auf Twitter ein Foto, auf dem Anis Amri in dem Bahnhof Porta Nuova am vergangenen Donnerstag um 22.14 Uhr von hinten zu sehen ist. Er ist alleine in der Bahnhofshalle unterwegs.

- Medienberichten zufolge fanden die Ermittler zudem eine niederländische Sim-Karte in Amris Rucksack, die zwischen dem 20. und dem 22. Dezember verkauft wurde. Sie stamme aus Zwolle, Breda oder Nimwegen. Wie Amri an die Sim-Karte gekommen ist, ist noch unklar. Die niederländische Polizei erklärte am Mittwoch, dass Amri auf seinem Fluchtweg die Niederlande passiert haben könnte. Die Ermittlungen würden andauern. Die Bundesanwaltschaft wollte sich dazu nicht äußern.

Amri mehrmals Thema im Terrorismus-Abwehrzentrum

NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung" berichteten unterdessen (tagesschau.de), dass sich das Gemeinsame Terrorismus-Abwehrzentrum (GTAZ) in Berlin zwischen Februar und November dieses Jahres mindestens siebenmal mit dem mutmaßlichen Attentäter Anis Amri beschäftigte. Interne Behördenunterlagen, die nur fünf Tage vor dem Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt entstanden, beschreiben demnach Amris Werdegang in Deutschland.

Demnach habe der Tunesier im Internet Anleitungen zum Bau von Rohrbomben und zur Herstellung von Sprengstoffen wie TNT gesucht. Zudem habe er offenbar schon im Februar Kontakt zur Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" gesucht und sich als Selbstmordattentäter angeboten. Mindestens zweimal sei im GTAZ die Frage diskutiert worden, ob Amri einen konkreten Anschlag in Deutschland plane. Beide Male sei dies als unwahrscheinlich eingestuft worden.

NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung berichten zudem, dass ein automatisches Bremssystem den Lkw auf dem Weihnachtsmarkt nach 70 bis 80 Metern gestoppt habe.

Amri sehr gut im Ruhrgebiet vernetzt

Der WDR meldete zudem am Mittwoch, Amri sei im Ruhrgebiet deutlich besser vernetzt gewesen als bislang angenommen. Nach Recherchen des Senders besuchte der mutmaßliche Attentäter während seiner Zeit in NRW ein Dutzend Moscheen im Ruhrgebiet. Er soll zudem sehr gute Kontakte nach Dortmund gehabt und einen Schlüssel zu einer Moschee besessen haben, in der er übernachtete. Seit Ende 2015 sei er regelmäßig zwischen Berlin und dem Ruhrgebiet gependelt, seit Februar 2016 habe er sich hauptsächlich in der Hauptstadt aufgehalten.

Insgesamt seien den Behörden acht Alias-Namen des Tunesiers bekannt, so der WDR. Unter einem dieser Namen habe Amri Ende April einen Asylantrag in Oberhausen gestellt. Eigentlich hätte er Nordrhein-Westfalen dann nicht mehr verlassen dürfen. Das Berliner Landeskriminalamt, das den Tunesier monatelang beobachtet hatte, habe ihn deshalb ausgestuft, sich also für nicht mehr zuständig erklärt. Am 10. Mai habe das Landeskriminalamt in Düsseldorf Amri als Gefärder eingestuft.

dpa: Amris Leiche weiterhin in Gerichtsmedizin

Amri war Freitagnacht von italienischen Polizisten in Sesto San Giovanni nördlich von Mailand erschossen worden. Statt bei der Personenkontrolle seinen Ausweis zu zeigen, zog er eine scharfe Pistole aus seinem Rucksack und eröffnete das Feuer auf die Beamten. Diese schossen zurück. Nach dpa-Informationen befindet sich die Leiche weiterhin in der Gerichtsmedizin in Mailand, da die Obduktion noch nicht abgeschlossen ist.

Amri soll am 19. Dezember einen Lkw am Breitscheidplatz in eine Menschenmenge gelenkt und zwölf Menschen getötet haben. Die Ermittler gehen zudem inzwischen von 55 Verletzten aus. Einige der Verletzten hatten am Tattag auf eigene Faust den Breitscheidplatz verlassen, um zu einem Arzt zu gehen, und hatten sich erst mit Verzögerung gemeldet.

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