Zweifel an Beteiligung des Festgenommenen - Generalbundesanwalt geht von terroristischem Anschlag aus
Der Generalbundesanwalt ist ziemlich sicher: Der Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz hatte einen terroristischen Hintergrund. Zwölf Menschen wurden dabei getötet. Ein Verdächtiger ist gefasst, doch es gibt Zweifel. Bis Mitternacht müssen die Ermittler über einen Haftbefehl entscheiden.
Diese Meldung wird nicht mehr aktualisiert. Für aktuelle Entwicklungen zu den Ermittlungen nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz, klicken Sie bitte hier.
Die Ermittler gehen davon aus, dass der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz einen terroristischen Hintergrund hatte. Das sagte Generalbundesanwalt Peter Frank am Dienstag. Am Montagabend steuerte ein bisher Unbekannter einen Sattelschlepper mit polnischem Kennzeichen in den Weihnachtsmarkt, dabei kamen zwölf Menschen ums Leben.
Sechs deutsche Tote wurden bisher identifiziert. Ein weiterer Toter befand sich auf dem Beifahrersitz des LKW. Er ist polnischer Staatsbürger und wurde nach den Erkenntnissen der Ermittler erschossen. Den Erkenntnissen zufolge ist er der ursprüngliche Fahrer des LKW, der möglicherweise gestohlen wurde. Seine Leiche wird derzeit obduziert.
Bei dem Anschlag wurden nach Angaben des Generalbundesanwalts zudem 45 Menschen verletzt, 30 davon schwer. Die Berliner Gesundheitsverwaltung berichtet dagegen von 49 Verletzten, von denen 14 Schwerstverletzt sind. 25 Menschen konnten den Angaben zufolge die Krankenhäuser bis zum Dienstagnachmittag wieder verlassen.
Fahndung an der polnischen Grenze intensiviert
Die Zahl der Einsatzkräfte an Bahnhöfen sowie an den beiden Flughäfen Tegel und Schönefeld sei verstärkt worden, sagte ein Sprecher der Bundespolizei. Zudem wurde die Fahndung in einem 30 Kilometer breiten Streifen an der Grenze zu Polen intensiviert. Die Beamten seien teils mit Maschinenpistolen und Schutzwesten ausgerüstet und zeigten diese auch offen.
Der Berliner Innensenator Andreas Geisel kündigte an, im Laufe des Dienstags an den Berliner Weihnachtsmärkten Steinbarrieren zum Schutz gegen ähnliche Anschläge errichten zu lassen.
Wahrer Täter möglicherweise noch auf freiem Fuß
Noch am Montagabend wurde ein 23-jähriger Verdächtiger mit pakistanischem Pass an der Siegessäule festgenommen. Er streitet die Todesfahrt ab. Polizeipräsident Klaus Kandt sagte am Dienstagnachmittag: "Möglicherweise haben wir noch einen gefährlichen Straftäter im Raum. Es könnte sein, dass die Ermittlungen noch sehr offen sind." Die Waffe, mit der der polnische Fahrer erschossen wurde, blieb nach Angaben der Behörden verschwunden. Im Führerhaus des Lastwagens wurde blutverschmierte Kleidung gefunden. Bei dem später Festgenommenen sei allerdings keine mit Blut befleckte Kleidung gefunden worden.
Generalbundesanwalt Peter Frank erklärte: "Wir müssen uns eventuell mit dem Gedanken vertraut machen, dass [der Verdächtige, Anm.] eventuell nicht der Täter ist oder nicht zur Tätergruppe gehörte." Er kündigte an, die Auswertung von Spuren werde noch im Laufe des Tages zeigen, ob der Festgenommene der Täter sei. Bisher sei unklar, ob es einen oder mehrere Täter oder Unterstützer gebe. Bis Dienstag Mitternacht muss definitiv über einen Haftbefehl entscheiden werden. Denn die Strafprozessordnung schreibt vor, dass ein Festgenommener innerhalb eines Tages einem Richter vorgeführt werden muss. Der Richter muss dann entscheiden, ob er die Festnahme für gerechtfertigt hält. Wenn nicht, ordnet er die Freilassung an.
Die "Welt" hatte auf ihrer Webseite [externer Link] unter Berufung auf hohe Sicherheitskreise berichtet, dass der Mann, der in der Nacht festgenommen wurde, nicht der Fahrer des LKW sein soll. Die Angaben des Verdächtigen seien überprüft und für richtig befunden worden, so die Zeitung.
Verdächtiger soll über Passau nach Berlin gekommen sein
Laut dem rbb-Terrorismusexperten Michael Götschenberg kam der festgenommene Pakistani am 31.12.2015 über Passau nach Deutschland. Götschenberg twitterte, dass der Verdächtige am 1.1.1993 in Pakistan geboren worden sein soll. Nach wie vor ist nicht geklärt, ob es sich bei dem Mann um den Fahrer des LKW handelt.
Wie die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtet, kam er in einer Gruppe von etwa 15 Flüchtlingen nach Deutschland. Die Personalien des Mannes seien von der Bundespolizei im bayerischen Passau aufgenommen. Am 19. Februar habe er in Berlin einen Asylantrag gestellt. Im Asylverfahren sei der Verdächtige als renitent aufgefallen, er sei zu Anhörungen nicht erschienen und habe erklärt, er verstehe die deutsche Sprache nicht.
Merkel legt weiße Rosen nieder
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte den Anschlag als "grausame und letztlich unbegreifliche Tat". "Ich weiß, dass es für uns alle besonders schwer zu ertragen wäre, wenn sich bestätigen würde, dass ein Mensch diese Tat begangen hat, der in Deutschland um Schutz und Asyl gebeten hat", sagte sie am Dienstag in Berlin. Am Nachmittag legte sie weiße Rosen am Tatort nieder und trug sich in das Kondolenzbuch in der Gedächtniskirche ein.
Merkel kündigte ein hartes Vorgehen des Rechtsstaats an. Die Tat werde aufgeklärt werden, "in jedem Detail, und sie wird bestraft werden, so hart es unsere Gesetze verlangen".
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte am Dienstagmorgen in Berlin bereits gesagt, dass er bei dem LKW-Vorfall eindeutig von einem Anschlag ausgehe.
Große Weihnachtsmärkte in Berlin bleiben zu
Die Weihnachtsmärkte in Berlin sollten am Dienstag geschlossen bleiben. Darum hatten der Regierende Bürgermeister Michael Müller und Innensenator Andreas Geisel (beide SPD) gebeten. Rechtlich könne das nicht vorgeschrieben werden, aber er wünsche sich diese Konsequenz aus Gründen der Pietät, ergänzte Geisel. Die Berliner Weihnachtsmärkte am Alexanderplatz und am Potsdamer Platz blieben am Dienstag definitiv geschlossen, sagte Veranstalter Arnold Bergmann rbb|24.
Um 18 Uhr wird ein Gedenkgottesdienst für die Opfer in der Gedächtnis-Kirche abgehalten, das rbb Fernsehen überträgt live. Zur selben Zeit soll das Brandenburger Tor in den deutschen Nationalfarben angestrahlt werden.
Unglückstelle weiträumig abgesperrt
Der Lkw ist am Dienstagmorgen zur Spurensicherung abgeholt werden. Die Unglücksstelle in der Nähe der Gedächtniskirche war weiträumig abgesperrt. Die Polizei bat auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, aus Pietätsgründen keine Fotos davon zu verbreiten.
Der dunkle Lastwagen mit polnischem Kennzeichen fuhr laut Polizei gegen 20 Uhr auf einer Strecke von 50 bis 80 Metern über den Markt und zerstörte dabei mehrere Buden.
Liveblog
Ein Zeuge folgte dem Verdächtigen durch den Tiergarten
Die Polizei konnte den Verdächtigen nach einem Bericht der Tagesszeitung "Die Welt" durch einen couragierten Zeugen dingfest machen. Zwar hatten demnach mehrere Personen die Beamten telefonisch über die Flucht des mutmaßlichen Lkw-Fahrers informiert, ein Zeuge hat ihn jedoch offenbar mit Sicherheitsabstand verfolgt. Polizeisprecher Winfried Wenzel berichtete dem Blatt, der Zeuge sei ihm durch den dunklen Tiergarten gefolgt und habe permanent die Notrufzentrale am Telefon gehabt. Somit konnte er den Beamten fortlaufend die Position des Flüchtenden durchgeben, wie es weiter heißt.
Nach etwa zwei Kilometern habe ein Streifenwagen den Lkw-Fahrer an der Siegessäule stoppen können. "Mit Hilfe dieses Zeugen war es uns möglich, den Verdächtigen zu fassen", wird Polizeisprecher Wenzel zitiert. Die Berliner Polizei wisse zwar, wer der mutige Zeuge ist, gehe aber davon aus, dass er anonym bleiben wolle.
Lkw möglicherweise in Polen gestohlen
Der Lkw selbst soll nach bisherigem Stand einer polnischen Transportfirma aus Stettin gehören. Der Eigentümer des Lastwagens sagte dem polnischen Sender TVN 24, der Fahrer sei sein Cousin. Seit 16 Uhr habe es keinen Kontakt mehr gegeben. Die Polizei äußerte den Verdacht, dass der LKW bereits in Polen auf einer Baustelle gestohlen wurde.
Nach Angaben des Spediteurs hatte der Lkw jedoch Stahlkonstruktionen aus Italien nach Berlin transportiert. Wegen einer Verzögerung habe der Fahrer bis zum Dienstag warten müssen und den Lastwagen in Berlin geparkt.
SEK-Einsatz in Verbindung zu Breitscheidplatz
Am frühen Dienstagmorgen haben Spezialeinsatzkräfte (SEK) Hangars auf dem früheren Flughafen in Berlin Tempelhof durchsucht. Dort befindet sich Berlins größte Flüchtlingsunterkunft und dort soll der Verdächtige gewohnt haben. Sascha Langenbach, Sprecher des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten, sagte, vier junge Männer Ende 20 aus dem Hangar 6 seien befragt worden. Nach Angaben der Ermittler wurde ein Handy beschlagnahmt, dessen Informationen nun ausgewertet würden.