Mareike Maage und Ralf Homann (Bild: rbb/Sylvia Grabe)
Bild: rbb/Sylvia Grabe

Neuer Podcast mit Webdoku bei rbbKultur - Kunst und Politik – von documenta bis Restitution

4 Folgen von Ralf Homann und Mareike Maage – online ab 18. Juni, im Radio ab 10. Juli 2021

Der Staat nutzte die Kunst, um Politik zu machen - oder auch Geld. Immer wieder. Im Podcast von Ralf Homann und Mareike Maage folgt rbbKultur den Spuren von Kunst und Politik in der jüngeren deutsch-deutschen Geschichte. So wurden Künstler*innen, die dem Image der jungen Bundesrepublik zu schaden schienen, nicht gezeigt. Andere, die das staatliche Selbstverständnis stützten, schmückten das Kanzleramt. Zeitgenössische Künstler*innen in der DDR sollten sich in ihrer Formensprache klar gegen den Westen abgrenzen. Zugleich enteignete der Staat ganze Sammlerbestände an Kunst und Antiquitäten und verkaufte sie gegen Devisen in den Westen. Das wieder vereinigte Deutschland muss sich heute positionieren und Lösungen für das Unrecht der Vergangenheit finden – von der NS-Raubkunst bis zu den kolonialen Sammlungen im Humboldt Forum Berlin.

Mit Natalie Bayer (Leiterin des Friedrichshain-Kreuzberg Museums), Ulf Bischof (Anwalt für Kunstrecht), Miriam Cahn (Schweizer Künstlerin), Lutz Dammbeck (Maler und Filmemacher), Tahir Della (Fachreferent für Dekolonialisierung), André Meier (Kunsthistoriker, Autor, Regisseur), Maurice Philip Remy (Regisseur, Drehbuchautor), Klaus Staeck (Künstler, ehemaliger Präsident der Akademie der Künste Berlin), Wolfgang Ullrich (Kunsthistoriker, Autor) und Julia Voss (Kunsthistorikerin, Mitkuratorin der Ausstellung "documenta. Politik und Kunst" im DHM)

Der Podcast ist inspiriert von zwei Ausstellungen im Deutschen Historischen Museum Berlin:

  • "documenta. Politik und Kunst" vom 18. Juni 2021 bis 9. Januar 2022
  • "Die Liste der 'Gottbegnadeten'. Künstler des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik" vom 27. August 2021 bis 5. Dezember 2021

Ergänzt wird der Podcast durch die Webdoku "documenta – Politik und Skandale". Die documenta als eine der weltweit bedeutendsten Ausstellungen für zeitgenössische Kunst spiegelt seit ihrem Beginn 1955 im Nachkriegs-Deutschland die Verflechtungen von Politik und Kunst. Alle vier bis fünf Jahre geht es bei der Kunstschau in Kassel nicht nur um Kunstwerke, sondern auch um politische Themen und gesellschaftlichen Wandel.

Die Webdokumentation von rbbKultur beleuchtet die Anfänge der größten deutschen Kunstschau im Lichte aktueller Erkenntnisse über documenta-Berater Werner Haftmann, der nach 1945 Karriere machte und von 1967 bis 1974 Leiter der Berliner Neuen Nationalgalerie war. Neueste Forschungen zeigen, dass er sich während des Zweiten Weltkrieges in Italien nicht nur um Kunst- und Denkmalschutz kümmerte, wie bislang angenommen, sondern auch in leitender Funktion an Folterungen und Erschießungen beteiligt war.

Online ab 18. Juni 2021 auf www.rbbkultur.de/documenta

Podcast "Kunst und Politik" – Die Folgen

Folge 1, online ab 18. Juni, im Radio am 10. Juli: "documenta I: Imagewechsel”

Kassel an der innerdeutschen Grenze macht die Ausstellung für die junge Bundesrepublik interessant, um sich gegen die DDR abzugrenzen. Bundespräsident Theodor Heuss glaubt an moderne Kunst als Ausdruck der Freiheit und wird Schirmherr. Arnold Bode, Gründer der documenta, holt Werner Haftmann als Kunsthistoriker an Bord. Haftmann streicht aus seiner Biografie seine frühere SA-Mitgliedschaft und stilisiert Emil Nolde zum Opfer des Nationalsozialismus. Um den Blick nicht zu genau auf die NS-Verbrechen zu lenken, zeigt die documenta I keine Werke deutscher jüdischer Künstler*innen, die in Konzentrationslagern ermordet wurden.

Folge 2, online ab 18. Juni, im Radio am 17. Juli: "Der real existierende Kapitalismus"

Als "Befragung der Realität" präsentiert Harald Szeemann 1972 die documenta 5.

Zu sehen ist eine sehr männliche Wirklichkeit. Jahrzehnte dauert es, bis Künstlerinnen wie Hanne Darboven, Valie Export oder Miriam Cahn tatsächlich die Hälfte des Kunstmarktes ausmachen. Hoppla: Tun sie das wirklich? "Kunst ist die Schwester der Politik", meint Klaus Staeck. Aber ist es geschwisterlich, wenn CDU-Politiker Jenninger im Jahr 1976 Staecks Plakatkunst zerreißt? Der "Bonner Bildersturm" macht Kunstgeschichte und hilft mit, Kunstschaffende wie KP Brehmer oder Joseph Beuys als gesellschaftskritische Intellektuelle zu positionieren.

Folge 3, online ab 18. Juni, im Radio am 24. Juli: "Propaganda braucht Profis"

In der DDR ist die Kunst Repräsentantin des Staates und seiner Ideen. Walter Ulbricht ruft auf, die Höhen der Kultur zu stürmen. In der Kunstausbildung setzt man auf handwerkliches Können. Der ostdeutsche Staat wirbt damit, sich besser um seine Künstler*innen zu kümmern als der Westen. Zugleich werden Sammlerbestände enteignet und im Westen zu Geld gemacht. Die Kunstausstellung der DDR hat immense Besucherzahlen. Künstler*innen entwickeln eine eigene Formensprache, so wird es möglich anhand von Kunst unerkannt über Politik zu reden.

Folge 4, online ab 18. Juni, im Radio am 31. Juli: "Erlös oder Erlösung?"

Als größter deutscher Kunstskandal gilt der "Schwabinger Kunstfund" von 2012. Ein Nazischatz im Wert von einer Milliarde Euro. Angeblich. Die Summe schmolz, die große Restitution blieb aus. Handelt es sich bei Gurlitts Schätzen ohne Zweifel um Kunst, so stellt sich im Berliner Humboldt Forum eine andere Herausforderung: Bereits die Einordnung der Sammlungen des Ethnologischen Museums als Kunstobjekte setzt die kolonialen Verbrechen des Deutschen Reiches fort. Der Staat muss Lösungen für das Unrecht der Vergangenheit finden. Oder soll die Kunst Lösungen finden, die sich die Politik nicht zutraut?

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