Produzent Clemens Schaeffer (Bild: rbb/privat)
Bild: rbb/privat

"Unterwerfung" - Produktionsnotizen

"Erfreulicherweise hat Michel Houellebecq unser Konzept überzeugt"

Von Produzent Clemens Schaeffer (NFP*)

Michel Houellebecqs Roman "Unterwerfung" beschreibt ganz genau Pariser Stadtviertel und Plätze sowie Handlungsorte in der französischen Provinz. Sollten diese Orte möglichst authentisch gezeigt werden?

Uns war sehr wichtig, die authentischen Details aus Michel Houellebecqs Roman beizubehalten, da sie einen wichtigen Gegenpol zu den teilweise verstörenden gesellschaftlichen Verhältnissen bilden, die in "Unterwerfung" thematisiert werden. Michel Houellebecq spielt schon immer damit, die Grenzen zwischen Realität und Fiktion bewusst zu verwischen, eine Technik, die in unserem Medium, im Film, einen besonders wirkungsstarken Effekt hat, da sich Orte und Figuren nicht erst vor unserem inneren Auge bilden müssen, wie beim Lesen eines Romans, sondern wir sie eins zu eins im Film sehen. Wir können die Ereignisse  aus der Romanvorlage auf diese Weise stärker mit unserer aktuellen Realität verbinden.

An welchen Orten wurde gedreht?

Die Theaterszenen und die Szenen rund um das Theater haben wir original in und am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg gedreht, wo wir aus terminlichen Gründen nur am Wochenende des G20-Gipfels drehen konnten, was zu enormen logistischen Problemen geführt hat, da weite Teile der Hamburger Innenstadt abgesperrt waren und wir unsere Filmtechnik nur unter großen Schwierigkeiten zum Schauspielhaus befördern konnten.

An diesem Wochenende entstanden auch die dokumentarischen Aufnahmen der Ausschreitungen während des G20-Gipfels, die wir im ursprünglichen Konzept so nicht geplant hatten und die der Geschichte, die ja eigentlich in Frankreich spielt, einen besonderen, und, wie wir finden, einen besonders spannenden Bezug zur deutschen Gegenwart schaffen.

In Paris haben wir die Außenszenen bis auf das Romantikmuseum an jenen im Roman erwähnten Originalschauplätzen (Rue du Cardinal Mercier, Rue des Arènes, Place d'Italie, Metro Censier etc.) gedreht.
Die Innen- und Außenaufnahmen für das Motiv Wohnung Francois entstanden in einer Pariser Wohnung im 23. Stock eines Hochhauses im 13. Arrondissement, dem sogenannten "Chinatown". Das Stadtpalais des Universitätsprofessors Robert Rediger entspricht von außen ebenfalls dem im Roman erwähnten Wohnhaus von Dominique Aury, der Autorin von "Geschichte der O".

In Berlin haben wir einige Innenmotive gedreht, die in Paris spielen, z.B. das baskische Restaurant, Wohnung Aurélie, Sorbonne (u. a. im Lichthof der TU Berlin), und das oben erwähnte Stadtpalais von Robert Rediger.

Zudem haben wir in Brandenburg die eigentlich französische Autobahnraststätte und das provenzalische Landhaus der Tanneurs in der Uckermark (Pinnow/Gerswalde) gedreht.

Das Motiv Kloster Saint Martin de Ligué fanden wir im Kloster Möllenbeck in Rinteln, Niedersachsen.

Sind die Szenen, in denen die Hauptfigur Edgar Selge am Bahnhof patrouillierenden SEK-Kommandos begegnet, nachgestellt oder konnten echte Polizisten gefilmt werden?

Den G20-Gipfel im Film mit zu erzählen war, wie gesagt, ursprünglich nicht geplant. Während der Dreharbeiten kam uns die Idee, die Ausschreitungen in Hamburg als Verweis auf den im Film beschriebenen Ausnahmezustand in Paris zu erzählen. Zeigen die Szenen doch, dass Gewalt als Mittel zur politischen Auseinandersetzung auch im Jahr 2017 zum Einsatz kommt, wenn auch von anderer Seite und in einem anderen Kontext als von Michel Houellebecq für 2022 beschrieben.

Als wir die Bahnhofszene drehten, war der G20-Gipfel bereits vorbei und wir haben kurzfristig Spezial-Komparsen engagiert, übrigens echte Polizisten, um die Verbindung zum G20-Gipfel herzustellen. Dies sorgte für einige Irritation am Bahnhof. Wir spürten, wie sensibel die Hamburger Bevölkerung nach G20 auf Polizeipräsenz reagierte.


Sie produzieren seit Jahren Filme. Ist jedes neue "Baby" das liebste oder steckt in diesem Projekt für Sie besonders viel Herzblut? Wenn ja, was waren die speziellen Herausforderungen?

"Unterwerfung" ist für mich als Produzent aus verschiedenen Gründen ein außerordentliches Projekt. Zum einen war es sehr schwierig, die Verfilmungsrechte von allen beteiligten Urhebern zu sichern. Der Erwerb der Romanrechte erwies sich dabei als besonders kompliziert, da Michel Houellebecq ein internationaler Bestseller-Autor ist und er aus aller Welt Anfragen für die Verfilmungsrechte hatte. Erfreulicherweise hat ihn unser Konzept überzeugt und – nach vielen Monaten vertraglicher Verhandlungen - haben wir den Zuschlag erhalten.

Zum anderen ist "Unterwerfung" ein Stoff, der wie nur wenige Romane die großen Fragen unserer Zeit aufnimmt. Ein Stoff, der uns alle in Europa angeht, der das moderne Geschlechterverhältnis ebenso hinterfragt wie unser Verhältnis zu den fundamentalen und allzu selbstverständlich wirkenden Rechten und Werten unserer freiheitlichen europäischen Gesellschaften. Der Film bringt hoffentlich seine Zuschauerinnen und Zuschauer dazu, sich mit der eigenen Haltung zu den politischen, sozialen und gesellschaftlichen Umbrüchen unserer Zeit auseinanderzusetzen.

Außerdem haben wir es bei unserem Film mit einem besonderen erzählerischen Konzept zu tun, da der Drehbuchautor und Regisseur Titus Selge keine klassische Romanadaption vorgenommen hat, sondern durch die Einbeziehung der Theaterinszenierung von Karin Beier am Hamburger Schauspielhaus einen deutschen Zugang zu den französischen Verhältnissen des Romans gefunden hat. Diese unterschiedlichen Ebenen zu einer emotionalen und unterhaltsamen Filmerzählung zu verdichten, ohne dem Stoff die komplexen Zusammenhänge der Vorlage zu nehmen, war eine besondere Herausforderung.

Der Zusammenarbeit des Regisseurs mit unserem Editor Knut Hake kam in diesem Prozess ebenfalls eine besondere Bedeutung zu, da der Rhythmus zwischen der Erzählung auf der Bühne und den Szenen, die wir in Paris, Berlin und an weiteren Orten "on location" gedreht haben, erst gefunden werden musste. Das war alles andere als einfach und hat im Schnitt deutlich länger gedauert als bei konventionellen Filmen. Wir sind sehr froh, dass wir uns die Zeit dafür nehmen konnten.

 "Unterwerfung" ist also unter vielen verschiedenen Gesichtspunkten ein außergewöhnlicher Film. Solch ein Projekt lässt sich nur gemeinschaftlich realisieren, mit Partnern, die gemeinsam für einen Stoff brennen, die einen langen Atem haben und die sich vertrauen. Mit Edgar Selge, Titus Selge und Martina Zöllner habe ich genau diese, die, wie ich finde, denkbar besten Partner an meiner Seite gehabt.

Pressedossier