Zwei Kinder in der Privatschule; Quelle: rbb

- Mythos Privatschule - nur das Beste für das Kind?

Ist das, was nach der Schmiede künftiger Eliten klingt, wirklich automatisch immer besser? Privatschule: Da denkt man sofort an Top-Ausstattung mit den besten Lehrern. Und so legen sich auch immer mehr Eltern, die nicht zur klassischen Oberschicht gehören, krumm, um ihren Kindern den bestmöglichen Start ins Berufsleben zu ermöglichen. KLARTEXT nimmt den "Mythos Privatschule" genauer unter die Lupe.

Privatschulen - denken Sie da auch gleich an Top-Ausstattung, beste Lehrer, hohes Lernniveau? Das ist das Bild, das Viele im Kopf haben. Und das erklärt, warum es in Berlin und auch in Potsdam zurzeit auch einen regelrechten Run auf Privatschulen gibt. In Berlin besucht mittlerweile jedes zehnte Schulkind eine Privatschule. Wir haben einige Eltern mal auf der Straße gefragt: „Was erhoffen Sie sich, wenn sie ihre Kinder privat unterrichten lassen?"

Passantin
„Klar würde ich mir erhoffen, wenn ich dann auch mehr zahle, dass ein besseres, eine bessere Ausstattung und eine bessere Bildung meiner Kinder habe.“
Passantin
„Dass einfach mehr Geld da ist. Also, das merken wir schon hier an der regulären Schule, dass das Geld an allen Ecken fehlt.“
Passant
„Wenn mehr Personal da ist, erhoffe ich mir, und vielleicht auch gut ausgebildetes Personal, erhoffe ich mir dann auch eben eine Vertiefung der Themen.“

Also: „Nur das Beste fürs Kind". Und viele Eltern legen sich richtig krumm, um eine Privatschule auch bezahlen zu können. Doch sind private Schulen wirklich so gut wie ihr Ruf? Melanie Stanszus zeigt: Es ist nicht alles Gold, was glänzt!


Die private Berlin Kids International School in Berlin Friedrichshain. 165 Euro zahlen die Eltern monatlich, damit ihre Kinder von Beginn an auf Deutsch und Englisch lernen. Die Lehrer verdienen hier weniger als Beamte im Staatsdienst.

Karsten Bammel besucht seine alte Schule. Er war früher hier Schulleiter. Doch heute unterrichtet er wieder an einer staatlichen Schule, die ihm - als Beamten - mehr Sicherheit bietet.

Karsten Bammel, Lehrer
„Wir an der privaten Grundschule, wir waren die Cowboys. Wir haben eine leer stehende Grundschule, die entrümpelt wurde, haben wir ausgeräumt mit einem Möbelwagen, weil wir dachten, die staatliche Schule schmeißt das weg, wir können das alles gut gebrauchen. Haben das einfach abgeholt, bevor es in den Schrott ging. Mit den Eltern hier hab ich Abenteuer dieser Art erlebt.“
KLARTEXT
„Warum sind Sie dann zurückgegangen an eine staatliche Schule?“
Karsten Bammel, Lehrer
„Wir sind alle käuflich. Der Beamtenstatus ist eine große Verlockung, wenn man eine Familie hat.“

Die Berlin Kids International School und andere Privatschulen haben es schwer, erfahrene Lehrer auf Dauer zu halten. Roland Kern vertritt die Interessen der Freien Alternativschulen. Deren niedrige Gehälter sind ein Problem für die Schulen, denn sie locken nicht unbedingt die besten Lehrer an.

KLARTEXT
„Haben freie Schulen Probleme, gute Lehrer zu kriegen?“
Roland Kern, Dachverband Kinder- und Schülerläden
„Das ist so. Weil, wir sind natürlich, durch das andere Gehaltsniveau sind wir auf die Überzeugungstäter angewiesen. Wenn wir die bekommen, dann ist es natürlich besonders klasse, aber wir sind da in einer Konkurrenzsituation sowohl mit anderen freien Schulen, Schulen in freier Trägerschaft, aber auch mit den staatlichen Schulen. Wir haben einen Lehrermangel insgesamt gesehen. Also auch die Stadt tut sich ja schwer, neue Lehrerstellen zu besetzen. Und wenn sie dann sagen müssen: ,Ja, an dieser Schule verdienst du, lieber Mathematiklehrer, ein Viertel weniger', das ist durchaus gängig an der freien Alternativschule, als in der staatlichen Schule, dann springen viele ab.“

Ein angestellter Lehrer an einer staatlichen Berliner Grundschule verdient rund 2600 Euro brutto, an einer privaten Grundschule nur 1950. Freie Schule, das bedeutet: keine Klassenarbeiten, keine Noten, kein Stillsitzen, keine Stundenpläne.

Sozialpädagoge Mathias Hofmann unterrichtet an der Mauerpark-Schule Mathe - ohne je Mathe studiert zu haben. Er hat sich den Unterricht bei Kollegen an anderen freien Schulen abgeguckt.

Matthias Hofmann, Lehrer
„Bei Mathematik, da muss ich natürlich kompetent antworten können. Für die ersten Jahrgänge fühle ich mich sehr sicher, da denke ich das kann ich. Bei den höheren Jahrgängen muss ich auch abends noch mal nachschlagen.“

Die Schulaufsicht hat für den Sozialpädagogen Matthias Hofmann eine vorläufige Unterrichtsgenehmigung als Mathelehrer erteilt. Den klassisch ausgebildeten Lehrer findet man an alternativen Grundschulen selten.

Die Qualifikation der Lehrer wird in der Senatsverwaltung für Bildung überprüft. Fachwissen ist einer der zentralen Punkte für die Unterrichtsgenehmigung von Quereinsteigern. Im Zweifel wird die Genehmigung befristet und der Lehrer im Unterricht besucht.

Ines Rackow, Senatsverwaltung Bildung
„Der Lehrer benötigt natürlich schon, so steht es ja auch im Gesetz, eine wissenschaftliche Ausbildung. Die umfasst Didaktik, Pädagogik, und natürlich auch die Fachwissenschaft. Also, es ist zumindest fragwürdig, ob ein Lehrer ohne die adäquate Ausbildung an einer Grundschule unterrichten kann.“

Geputzt wird an der Freien Schule am Mauerpark jedes Wochenende von den Eltern. Sie stört es nicht, dass nur zwei der zehn Lehrer hier tatsächlich das zweite Staatsexamen haben. Leistung ist den Eltern nicht so wichtig.

Dorothea Neitzert-Rupprath
„Sie werden nicht gezwungen, jetzt irgendeinen Lehrstoff aufzunehmen, den der Lehrer, der nun vielleicht ganz toll ausgebildet ist, meint, dass die Kinder den aufnehmen müssen. Das passiert sowieso nicht. Klar, ist das natürlich wichtig, dass das kluge flexible Leute sind, aber man muss nicht unbedingt eine Ausbildung haben dafür, denke ich mal.“

Doch das Schulgesetz ist eindeutig: Am Ende der 6. Klasse müssen private und staatliche Schüler den gleichen Lernstand haben. Nur wegen der besonderen pädagogischen Konzepte genehmigt die Schulaufsicht private Grundschulen. Manche Kinder haben deshalb beim Wechsel von der freien Pädagogik in die weiterführende Schule Probleme.

Birgit Sunder-Plaßmann
„Kommt drauf an, es kommt auf‘s Kind an, das kann ganz derbe nach hinten losgehen vielleicht bis zu den Herbstferien, vielleicht auch länger, also ich hab's unterschiedlich erlebt, aber irgendwie konnten die das gut aufholen.“

Grundsätzlich bleibt die Vergleichbarkeit mit staatlichen Schulen ein Problem. Private Grundschulen haben mit knappen Mitteln und niedrigen Lehrergehältern zu kämpfen. Auf der anderen Seite geben sie neue Impulse, die das staatliche Schulsystem gut gebrauchen kann.



Autorin: Melanie Stanzsus