Recht | Beitrag | Lesedauer etwa 4 Minuten - Cold Calls: Überrumpelungstaktik am Telefon

Vorsicht am Telefon: Mit sogenannten Cold Calls versuchen Anbieter, uns Verträge unterzujubeln. So schützen wir uns.

Sogenannte Cold Calls, also unerbetene Telefonanrufe, sind verboten. Nur wenn der Verbraucher oder die Verbraucherin vorher ausdrücklich das Einverständnis dazu erklärt hat, dürfen solche Werbeanrufe erfolgen.
 
Die Überraschungsanrufe werden allerdings trotzdem eingesetzt: Teilweise mit klar betrügerischer Absicht, wenn etwa ein Drohszenario aufgebaut wird, um Geld zu erpressen.
 
Teilweise aber auch von Firmen, die sich das Einverständnis zum Telefonat vorab im Kleingedruckten irgendwelcher AGBs gesichert haben oder es während des Telefonats mit einem Halbsatz von Ihnen einholen - und nun mit legalen Mitteln und viel Überzeugungskraft das herausholen, was sie wollen.
 
Selbst wenn die Zustimmung zum Anruf fehlt, wird das in vielen Fällen in Kauf genommen - und etwaige Strafen anscheinend auch. Zu gut läuft das Geschäft mit der "Telefonakquise".

Die Masche mit den Energieverträgen

Aktuelles Beispiel: Immer wieder versuchen Stromanbieter, Verbraucherinnen und Verbrauchern Verträge anzudrehen, die diese gar nicht wollen. Sie werden zum Beispiel unter Vorwänden ausgefragt, um ihre Zählernummer auszukundschaften. Oft arbeiten die Stromanbieter auch mit legalen Mitteln, erläutert Leonora Holling vom Bundesverband der Energieverbraucher. Da ginge es dann zum Beispiel vorgeblich darum, Energieverbräuche optimieren zu wollen, und der Vertrag würde hinterhergeschoben.
 
Aber mit der Zählernummer, dem Kundennamen und der jeweiligen Adresse lässt sich schon ein neuer Energievertrag abschließen. Hintergrund: Ein neuer Versorger kann mit diesen Daten den bestehenden Vertrag eines Verbrauchers kündigen. Der alte Anbieter überprüft die Kündigung nicht mehr.
 
Die getäuschten Verbraucherinnen und Verbraucher merken oft erst, dass sie einen neuen Vertrag abgeschlossen haben, wenn sie plötzlich mehr für Geld ihren Strom abgebucht bekommen.
 
Holling fordert, dass der Wechselprozess nicht allein nur mit einer Zählernummer möglich sein darf, sondern nur mit einer schriftlichen Vollmacht des Kunden. "Das würde dem schon mal einen erheblichen Dämpfer geben." Denn das Problem ist groß. Bei der Bundesnetzagentur haben sich 2022 Verbraucher:innen rund 14.500 Mal über unerlaubte Telefonwerbung für Energieverträge beschwert.

So schützen Sie sich

Ein Cold Call kann jeden erreichen, davor ist leider niemand gefeit. Es gibt allerdings einige Tricks, um den unerwünschten Anrufen aus dem Weg zu gehen und unangenehme Anrufer loszuwerden.
 
Vorher schützen
Gehen Sie jetzt einfach mal Ihre Verträge durch, die für Ihren Energieversorger - aber auch andere wie etwa Ihren Handyvertrag - und überprüfen Sie, ob Sie bei Vertragsschluss im Kleingedruckten Werbeanrufen zugestimmt haben. Diese Zustimmung können Sie einfach korrigieren, etwa mit einem Musterbrief der Verbraucherzentrale (dort ganz unten).
 
Und geben Sie Ihre Telefonnummer nur an Unternehmen weiter, wenn dies wirklich erforderlich ist. Das meiste lässt sich heutzutage auch per E-Mail klären.
 
Während des Telefonats
Sollten Sie einen Anruf erhalten, den Sie zum Beispiel nicht einordnen können, oder in dem es in irgendeiner Form um ein Produkt geht, wäre die allersicherste Variante diese: Sie beenden das Gespräch - möglichst ohne Details aus Ihrem Leben preisgegeben zu haben, etwa Namen von Verwandten, Adressen oder Termine - oder eben Zählernummern. Und sowieso niemals Ihre Bankdaten! Trauen Sie sich gerne, unhöflich zu sein, und einfach aufzulegen.
 
Sie können jeden Anrufer, den Sie nicht einwandfrei einordnen können, auch bitten, dass er Ihnen eine Rückrufnummer gibt, und vorgeben, zurückrufen zu wollen. Viele Betrüger haben sogar solche Rückrufnummern, dennoch wollen die meisten das Gespräch natürlich am Laufen halten - und schon das sollte Sie stutzig machen. Beenden Sie das Gespräch am besten. Und vor einem etwaigen Rückruf: Nummer checken!
 
Haben Sie anfangs vielleicht unbewusst dem Telefonat zugestimmt? Wie schnell antwortet man mit einem "ja" auf die Frage, ob man Sie kurz mal eben stören dürfe? Dann können Sie diese Einwilligung jederzeit während des Gesprächs widerrufen, auch grundlos. Der Anrufer muss dies akzeptieren und das Verkaufsgespräch beenden. Denn wenn keine Einwilligung des Kunden vorliegt, ist es ein echter Cold Call, den die Bundesnetzagentur mit einer Geldbuße von bis zu 300.000 Euro ahnden kann.
 
Notieren Sie während des Telefonats oder schnellstmöglich danach, wer Sie - anscheinend - angerufen hat, worum es bei dem Anruf ging, und wann der Anruf stattfand. Bestenfalls wurde eine Rufnummer in Ihrem Display angezeigt - dann bitte diese auch notieren.
 
Nach dem Cold Call
Wenn Sie einem Vertrag - unwissentlich - zugestimmt haben - können Sie sich im Nachgang Hilfe suchen.
 
Hiba El-Biek von der Berliner Verbraucherzentrale rät gegenüber SUPER.MARKT, sofort zu handeln, wenn Sie etwa eine unerwartete Vertragsbestätigung erhalten: "Wir empfehlen unseren Verbrauchern und Verbraucherinnen stets, Ruhe zu bewahren, Widerspruch einzulegen. Am besten ist es auch, das Schreiben dann per Einschreiben rauszuschicken. Wenn man wirklich nichts von dem Vertragsschluss wusste, den Vertragsschluss beanstanden und das auch in diesem Schreiben so formulieren", so die Energierechtsberaterin. Dabei sollte der schriftliche Widerruf unbedingt dokumentiert oder von Zeugen bestätigt werden können. Denn im Zweifel sind hier die Verbrauchenden in der Beweispflicht.
 
Die Verbraucherzentralen Berlin und Brandenburg beraten Sie vor Ort und teilweise auch telefonisch. Auf diesen Seiten stellt die Verbraucherzentrale ausführlich zusammen, wie Sie Hilfe bekommen können.
 
Die unabhängige Schlichtungsstelle Energie vermittelt im Konfliktfall zwischen Verbrauchern und Anbietern, in diesem Fall etwa wegen der untergeschobenen Energieverträge. Solche Schlichtungsstellen gbt es auch für andere Bereiche, etwa Telekommunikation. Alternativ können sich Betroffene natürlich auch einen Anwalt nehmen.

Gegen illegale Werbeanrufe vorgehen

Ganz wichtig ist es auch, solche Fälle der Bundesnetzagentur zu melden, damit gegen diese illegalen Methoden vorgegangen werden kann.
 
Die Behörde kann große Erfolge vorweisen im Kampf gegen lästige Telefonwerbung: Als die Zahl der Beschwerden über unerlaubte Werbung für neue Telefonverträge überhand nahm, knöpfte man sich die Telekommunikationsbranche vor. Insgesamt 17 Firmen wurden zu Strafzahlungen von 1,35 Millionen Euro verdonnert, seitdem scheinen die schwarzen Schafe - zumindest in dieser Branche - halbwegs geläutert.
 
Ihre Beschwerde über belästigende Telefonanrufe oder Cold Calls können Sie hier online einreichen. Alternativ können Sie dieses Formblatt benutzen und Ihre Beschwerde postalisch einsenden.

Ein Beitrag von DEM, 12.06.2023