Neurodermitis & Ernährung - Atopische Dermatitis: Essen als Gamechanger
Was der Darm mag, tut der Haut gut. Daher kann es sich gerade für Menschen mit atopischer Dermatitis lohnen, an ein paar Stellschrauben ihrer Ernährung zu drehen. rbb Praxis erklärt, wie Darm, Immunsystem und Haut zusammenspielen und wie eine anti-entzündliche "Haut-Cuisine" gelingt.
Die Haut ist trocken, gereizt und gerötet - sie brennt und juckt. Die atopische Dermatitis (auch atopisches Ekzem oder Neurodermitis genannt) ist eine entzündliche Hauterkrankung, die meist chronisch oder in Schüben verläuft. Ansteckend ist sie nicht, aber für Betroffene enorm belastend.
Typisch ist der Kreislauf: beginnend bei einer Barrierestörung der Haut, Verlust an Feuchtigkeit, chronischer Entzündung, starkem Juckreiz und Kratzen. Das Kratzen führt zu Verletzungen der Haut und macht sie noch anfälliger für Infektionen durch Bakterien, Pilze und Viren. Eine gute Hautpflege ist daher essenziell. Um zu verstehen, wie die Ernährung bei der Erkrankung helfen kann, ist es wichtig, zunächst auf die Auslöser zu schauen.
Gene und Triggerfaktoren
Mehrere aktuelle Studien konnten eine genetische Ursache für die geschwächte Hautbarriere von Patienten mit atopischer Dermatitis nachweisen. In Verbindung mit Auslösefaktoren, wie einer gestörten Darmflora und psychischem Stress, kann es dann zum ersten (und weiteren) Auftreten des atopischen Ekzems kommen.
Was heißt "atopisch"?
Das Wort "Atopie" stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie "fehl am Platz". Denn das überempfindliche Immunsystem Betroffener reagiert nicht nur auf schädliche Reize: Harmlose Stoffe, wie Pollen, Tierhaare, Hausstaubmilben oder bestimmte Nahrungsmittel können dann zu Heuschnupfen, Asthma, Lebensmittelallergien und eben Ekzemen führen. Genau an dieser Stelle und in diesem Zusammenhang kommt der Darm ins Spiel ...
Der Darm & das Immunsystem
Die meisten Immunzellen haben wir im Darm, nicht im Blut. Damit ist der Darm das größte immunologische Organ des Menschen. Je größer die Artenvielfalt der Darmbakterien desto besser: "Die Diversität der Bakterien ist letztendlich auch verantwortlich dafür, wie fein das Immunsystem trainiert und sich differenzieren kann", so Prof. Harald Matthes, leitender Arzt für Gastroenterologie im Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe (das ganze Interview finden Sie hier).
Die Muttermilch macht’s!
Schon bevor wir bewusst essen, kann das Trinken von Muttermilch dafür sorgen, eine Darmflora mit einem hohen Anteil an gesundheitsfördernden Bakterien zu entwickeln. Diese Bakterien verstärken u.a. die natürlichen Abwehrmechanismen des Darms.
Stillen in den ersten sechs Monaten ist daher gerade für Säuglinge aus einer Familie mit erhöhtem Allergierisiko wichtig. Falls das nicht möglich ist, sollte eine hypoallergene Formula verabreicht werden.
Die Rolle von Antibiotika
Antibiotika greifen in die Zusammensetzung der Darmbakterien ein und sorgen für eine ungünstige Verschiebungen der Darm-Mikrobiota. Wenn möglich sollten Kinder daher in den ersten drei Lebensjahren keine Antibiotika zu sich nehmen.
Trigger vermeiden
Für Kinder und Erwachsene mit atopischer Dermatitis gilt bei der Ernährung: Trigger vermeiden. Nahrungsmittelallergien sollten nachgewiesen bzw. ausgeschlossen werden, da so auch Ekzemschübe vorgebeugt werden können. Gleichzeitig fallen so unnötige Diäten weg. Denn meiden sollten Betroffene grundsätzlich nur Nahrungsmittel, gegen die eine Allergie oder Unverträglichkeit vorliegt. Bei einer zu einseitigen Ernährung und dauerhafter Schonkost bekommt der Körper auf Dauer nicht alle nötigen Nährstoffe geliefert.
Gesund ist eine abwechslungs- und ballaststoffreiche Kost mit viel Gemüse, Vollkorn, Hülsenfrüchten und Nüssen – und wenig tierischen Produkten:
"Liebes Ernährungstagebuch ..."
Es gibt keine allgemeingültige Diät, die für alle Menschen mit atopischer Dermatitis funktioniert. Aber: Ein Ernährungstagebuch hilft dabei herauszufinden, auf welche Lebensmittel der eigene Körper reagiert. Eventuell hilft eine "Suchdiät":
- Bei einer Eliminations-Diät verzichten Betroffene für etwa zwei bis drei Wochen auf ein bestimmtes Lebensmittel und beobachten den Hautzustand.
- Bei einer Aufbau-Diät werden zunächst für einige Tage nur wenige, verträgliche Lebensmittel gegessen, dann nach und nach weitere Nahrungsmittel hinzugefügt und der Hautzustand beobachtet. Da Hautreaktionen verzögert auftreten könne, sollten zwischen dem Testen weiterer neuer Lebensmittel jeweils mehrere Tage liegen.
- Eine Provokations-Diät sollte nur unter ärztlicher Betreuung stattfinden. Wenn potenziell triggernde Nahrungsmittel zur Abklärung einer möglichen Allergie bewusst gegessen werden, besteht die Gefahr einer gefährlichen allergischen Reaktion.
Essen für die Darmflora
Um die Darmflora aufzubauen, sollten ungesättigte Fette gemieden, dafür regelmäßig Laktobazillen und Bifidobakterien zu sich genommen werden. Sie kommen zum Beispiel in Joghurt, Kefir, Buttermilch oder Sauerkraut vor. Am besten zu Naturjoghurt greifen, denn viele fertige Fruchtjoghurts enthalten enorm viel zugesetzten Zucker - und zu viel Zucker wirkt wieder entzündungsfördernd.
Überhaupt: Zucker (auch in Limonaden und Säften), Alkohol, Fertiggerichte, Konserven, Frittiertes, Fastfood und Weißmehl – hoch verarbeiteten Lebensmittel sind in jeglicher Hinsicht ungesund und können auch das atopische Ekzem verschlechtern.
Fleisch, insbesondere Schweinefleisch, enthält ebenfalls viele entzündungsfördernde Substanzen. Auch Kaffee und scharfe Gewürze können für einige Atopiker problematisch sein, weil sie die Durchblutung der Haut steigern, was den Juckreiz unter Umständen verschlimmern kann.
Dringend gebraucht: Was ist mit Omega-6?
Die Omega-6-Fettsäure Gamma-Linolensäure kann bei Atopikern nicht in ausreichender Menge hergestellt werden, weil ein Enzym nicht richtig arbeitet. Ein möglicher Mangel an Vitamin B6, Biotin, Calcium, Magnesium und Zink erschwert die Herstellung zudem.
Leider hatte die Einnahme von Nachtkerzenöl- oder Borretschöl, das reich an Gamma-Linolensäure ist, in Studien keinen positiven Effekt auf den Hautzustand Betroffener. Andere Omega-6-Fettsäuren können das atopische Ekzem laut Studien sogar verschlechtern, weil sie Entzündungen fördern.
Beitrag von Ariane Böhm