Aktiv werden gegen Blutfette - Cholesterin: Ab wann wird's gefährlich?
Für die meisten Mediziner ist klar: Zu viel Cholesterin begünstigt Ablagerungen in den Gefäßen, die Arteriosklerose. Arterien verstopfen, Herzinfarkte und Schlaganfälle können Folge sein. Aber ab wann sollte man wie eingreifen? Wann braucht es Medikamente? Seit Jahren werden Grenzwerte diskutiert - und welche Rolle Risikofaktoren wie Vorerkrankungen bei der Entscheidung spielen.
Cholesterin ist ein lebenswichtiger Stoff im Körper. Er ist Bestandteil von Zellwänden und Grundsubstanz für Vitamin D, von Gallensäuren und Hormonen.
Fast jede Körperzelle kann den Fettstoff selbst produzieren; zusätzlich nehmen wir ihn über die Nahrung auf. Nicht nur Eier, auch zahlreiche andere Lebensmittel enthalten viel Cholesterin, wie folgende Beispiele zeigen:
• Leber (370 Milligramm Cholesterin/100 Gramm)
• Kaviar (300 Milligramm/100 Gramm)
• Butter (220 Milligramm/100 Gramm)
• Garnelen (140 Milligramm/100 Gramm)
• Eier (250-280 Milligramm/Stück)
Was sind LDL, HDL und Gesamtcholesterin?
Das im Blut gemessene Gesamtcholesterin setzt sich aus verschiedenen Anteilen zusammen, vor allem HDL- und LDL-Cholesterin. LDL und HDL sind Transportstoffe, an die das Cholesterin gekoppelt wird. Denn: Cholesterin ist ein Fettstoff, schwimmt nicht alleine im Blut und benötigt die Transportvesikel, um zum Zielort zu gelangen.
HDL ist die Abkürzung für "high density lipoprotein", LDL steht für "low density lipoprotein". Damit gemeint ist die hohe oder niedrige Dichte von speziellen Transportvehikeln.
Der Körper braucht beide Formen von Cholesterin.
Mittels LDL gelangt das Cholesterin über das Blut zu den Zellen und Organen, wo es ein lebenswichtiger Baustein ist - aber sich auch in den Gefäßwänden anreichert. Je höher LDL-Cholesterin im Blut ist, desto höher ist auch die Ereignis- und Komplikationsrate bei Herzkreislauf-Erkrankungen. LDL-Cholesterin gilt daher auch als "schlechtes" Cholesterin; die Werte sollten möglichst niedrig sein.
Mittels HDL gelangt das Cholesterin zurück zur Leber, die es zu Gallensäuren verstoffwechselt und via Galle ausscheidet bzw. recycelt. HDL-Cholesterin gilt daher auch als "gutes" Cholesterin. Ist das HDL niedriger als der empfohlene Wert, kann auch bei normalen Gesamtcholesterin-Spiegeln ein erhöhtes Risiko für eine Arteriosklerose vorliegen.
Wie entsteht eine Arteriosklerose?
Hohe Cholesterinwerte im Blut erhöhen das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall. Beteiligt ist hier vor allem das LDL-Cholesterin: Es verteilt Cholesterin im Körper in alle Organe, auch in die Gefäße. Dort lagert es sich in der inneren Wandschicht ab und führt zu entzündlichen Veränderungen, indem körpereigene Fresszellen angelockt werden, die das LDL abtransportieren wollen. Es bilden sich sogenannte Plaques.
Die Gefäße verlieren mit der Zeit ihre Elastizität, der Durchmesser verengt sich und der Blutfluss wird behindert. Reißen die Plaques auf, sammeln sich hier Blutplättchen und die Blutgerinnung wird aktiviert. Es bildet sich ein Thrombus, das Gefäß verstopft. Gewebeareale, beispielsweise am Herzen, werden nicht mehr ausreichend durchblutet, die Folgen sind Brustschmerzen bis hin zum Herzinfarkt.
Streit um "Cholesterinlüge"
Ein Buch, eine Arte-Reportage, zahlreiche Fachartikel und einige Experten bezweifeln, dass Cholesterin tatsächlich schädlich für die Gefäße ist, Folgekrankheiten auslöst und dass erhöhte Cholesterinwerte medikamentös behandelt werden sollten.
Vielmehr wird die Pharmaindustrie als Treiber dieser Ideen und vermeintlichen Zusammenhänge gesehen. Sie würde auch dafür sorgen, dass die Ziel-Cholesterinwerte in den vergangenen Jahren immer weiter herabgesetzt wurden. In der Tat gehören die Statine zu den Top 10 der am meisten verordneten Medikamente.
Welcher Cholesterinwert ist bedenklich?
Über die Richtwerte der Blutfette gibt es seit langem Diskussionen in der Fachwelt; immer wieder werden die Werte angepasst. Zuletzt wurden die Dyslipidämie-Leitlinien von European Society of Cardiology (ESC) und der European Atherosclerosis Society (EAS) im Spätsommer 2019 aktualisiert.
Die Experten senkten die therapeutischen Zielwerte für die unterschiedlichen kardiovaskulären Risikogruppen noch einmal ab. Dabei haben sie vor allem den LDL-Wert im Blick. Die Empfehlungen basieren auf statistischen Mittelwerten, die bei vermeintlich gesunden Bevölkerungsgruppen erhoben wurden.
Wie viel Cholesterin im Blut zirkulieren darf, hängt von Alter, Geschlecht und eben zahlreichen Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie von Vorerkrankungen ab. Dazu zählen:
• Übergewicht
• mangelnde Bewegung
• Rauchen
• familiäre Vorbelastung für Fettstoffwechselstörungen
• Schlaganfall oder Herzinfarkt in der Familie
• ungesunder Lebensstil mit fettreicher Ernährung
Zu den Vorerkrankungen, bei denen ein erhöhter LDL-Wert gesenkt werden sollte, zählen:
• Diabetes Typ II
• Bluthochdruck
• Gefäßerkrankungen
• erhöhte Triglyzeride
• Fettleber
• Akute Pankreatitis
• Herzinfarkt
• Schlaganfall
Je nach Experten-Gremium gelten unterschiedliche Richtwerte. Die Deutsche Herzstiftung und die DGFF (Lipid-Liga) e. V. folgen den europäischen Einschätzungen, orientieren sich dabei an den Vorgaben der European Society of Cardiology (ESC) und der European Atherosclerosis Society (EAS) und geben folgende Empfehlungen für die LDL-Werte:
• Für gesunde Menschen ohne Risikofaktoren gilt ein LDL-Cholesterinwert unter 116 mg/dl (<3,0 mmol/l) als Zielwert.
• Bei gesunden Menschen mit einzelnen Risikofaktoren, beispielsweise Übergewicht oder leicht erhöhtem Blutdruck, sollte der LDL-Cholesterinwert unter 100 mg/dl (<2,6 mmol/l) liegen.
• Für Patienten und Patientinnen mit Diabetes oder mehreren Risikofaktoren sollte ein LDL-Cholesterin von unter 70 mg/dl (<1,8 mmol/l) angestrebt werden.
• Bei Betroffenen mit bekannten Gefäßverkalkungen, z. B. mit einem Stent in den Herzkranzgefäßen oder Patienten nach Herzinfarkt oder Schlaganfall und anderen Personen mit sehr hohem Risiko liegt der LDL-C-Zielwert unter 55 mg/dl (1,4 mmol/l).
• Bei besonderen Risiko-Konstellationen kann es sogar sinnvoll sein das Cholesterin noch weiter zu senken (40 mg/dl).
Welche Rolle spielen Risikofaktoren bei der Therapieentscheidung?
Die amerikanischen Leitlinien empfehlen seit 2013, auf allgemeine Normwerte beim Cholesterin ganz zu verzichten, sondern nur abhängig vom jeweiligen Risiko das LDL-Cholesterin mithilfe von Statinen zu senken. Daran orientiert sich auch die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM).
Kommen mehrere Risikofaktoren wie Rauchen, mangelnde Bewegung und noch ein Schlaganfall in der Familie zusammen, ist nach dieser Prämisse die Indikation für eine cholesterinsenkende Therapie eher gegeben, als wenn ein Patient zwar einen zu hohen LDL-Wert hat, sonst aber keine weiteren Risiken.
Hilfreich bei der Entscheidung ob Behandlung oder nicht, kann die Untersuchung der Halsschlagader per Ultraschall sein. Sie hilft festzustellen, ob es Anzeichen für eine beginnende Arteriosklerose gibt.
Außerdem kann Hausarzt/Hausärztin anhand von Risikofaktoren, Cholesterinwerten, Alter und Blutdruck das Risiko für ein tödliches Herz-Kreislauf-Ereignis in den kommenden zehn Jahren errechnen. Liegt das Risiko bei 20 Prozent und mehr, ist die Indikation für eine cholesterinsenkende Therapie einleiten. Einige Fachgesellschaften geben hier andere Grenzwerte an.
Infotext: Constanze Löffler