Geht Kantine gesund & klimafreundlich? - Essen am Arbeitsplatz: Kann Kantinenessen gesund sein?
Essen am Arbeitsplatz heißt oft Kantinenessen. Das gilt als wenig gesund. Doch es geht auch regional, klimafreundlich, mit Vitaminen, Eiweiß & Nährstoffen.
So schön es auch ist, in der Mittagspause mit Kollegen in der Kantine essen zu gehen: Danach fällt mancher oft in ein Food-Koma, weil fettiges Essen viel zu schwer im Magen liegt. Das muss nicht sein, sagen die Mitarbeitenden von Kantine Zukunft aus Berlin. Sie wollen Kantinenessen gesünder und auch umweltfreundlicher machen.
Patrick Wodni hat schon in einem Sternerestaurant gearbeitet, war Leiter einer Krankenhausküche und Preisträger des "Food Mover Awards". Jetzt leitet er die Kantinenwerkstatt von "Kantine Zukunft" in Berlin. Er verrät, mit welchen "Tricks" er Kantinenessen gesünder und vor allem leckerer macht.
Nur was gegessen wird, kann auch gesund sein
Der "Veggie-Day" hat es gezeigt: Menschen wollen nicht bevormundet werden, wenn es um das Essen auf ihrem Teller geht. Deshalb steht bei Kantine Zukunft der Geschmack im Vordergrund.
Menschen, die sonst gern zu Currywurst und Schnitzel greifen, sollen über leckerere Gerichte, zu gesundem Essen "verführt" werden. Dass es dann am Ende ein vegetarisches Gericht war, fällt oft erst im Nachhinein auf.
"Die Leute gehen ja jetzt nicht in die Kantine, um heute mal besonders klimafreundlich oder besonders gesund zu essen, sondern die hätten einfach gerne ein leckeres Essen", sagt Koch Patrick Wodni.
Zusatzstoffe vermeiden: Rohprodukte statt verarbeitete Lebensmittel
Ein wichtiger Baustein der "Küchenphilosophie" von "Kantine Zukunft" ist ein hoher Anteil an rohen, unverarbeiteten Produkten. Bereits verarbeitete Lebensmittel, so genannte "Convenience-Produkte" enthalten in der Regel viele Zusatzstoffe, wie Salz, Fett, Zucker, Farbstoffe, Geschmacksverstärker oder Bindemittel.
Werden Speisen aus Rohprodukten hergestellt, entscheidet das Küchenteam selbst, welche Lebensmittel in den Topf kommen.
Lebensmittel in Bioqualität: weniger Gift auf dem Teller
Küchen, die das Konzept von "Kantine Zukunft" übernehmen, steigern mit der Zeit den Anteil von Bioprodukten, auf etwa 60 Prozent. Vor allem bei Obst und Gemüse verhindert man damit den ungewollten Konsum von Pestiziden und Herbiziden. Denn der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist in der ökologischen Landwirtschaft nicht oder nur begrenzt erlaubt.
Weniger Fleisch und mehr vegetarische Gerichte
Der Klassiker: Es gibt zwei Fleischgerichte und ein vegetarisches Gericht und im schlimmsten Fall besteht letzteres aus Milchreis oder Grießpudding. Bei "Kantine Zukunft" wird das Verhältnis von Fleischgerichten zu vegetarischen Gerichten umgedreht.
"Wir versuchen das eben umzukehren und um diese vegetarischen Essen zu mögen, muss man jetzt nicht unbedingt Vegetarier sein, sondern man entscheidet sich dann dafür, weil man da Lust darauf hat und weil es gut klingt", sagt Patrick Wodni von der Kantinenwerkstatt von "Kantine Zukunft".
Fleisch essen: Jede Sorte erlaubt - auf die Dosis kommt es an
Wenn es um gesundes Essen geht, wird häufig vor dem Konsum von rotem Fleisch gewarnt. Bei "Kantine Zukunft" wird zwar auf die Wünsche der Küchen eingegangen und manche wollen zum Beispiel ganz auf Schweinefleisch verzichten und nur vegetarisch arbeiten.
"Aber wir haben jetzt kein Problem damit, wenn eine Küche auch Schweinefleisch auf den Teller bringen will oder eine Bratwurst. Das sollte halt nicht jeden Tag passieren. Bei einer Bratwurst kann ich jetzt so viel drehen, wie ich möchte, die wird nie gesund. Aber, wenn sie vielleicht nur alle zwei Wochen angeboten wird, dann ist das aus unserer Sicht völlig in Ordnung", so Patrick Wodni.
Hitze & Lebensmittel: Flexible Zubereitung statt Warmhalten
Viele kennen das: Man kommt erst spät in die Kantine und dann sind Gemüse und Kartoffeln völlig zerkocht. Langes Warmhalten nimmt nicht nur den Geschmack, sondern zerstört auch die wertvollen Inhaltsstoffe der Lebensmittel.
Bei "Kantine Zukunft" werden die Küchen darin geschult, Gar- und Standzeiten anzupassen. "Das heißt, nicht um acht Uhr morgens schon alles fertig zu haben und es dann stundenlang warm zu halten", erklärt Koch Patrick Wodni.
Am Beispiel einer Hühnersuppe beschreibt er, wie es gehen kann: "Da wandern nicht alle Zutaten am Anfang des Prozesses in den Topf und werden dann vier Stunden gekocht. Sondern am Anfang kommen nur das Huhn, das Wasser und die Gewürze mit in den Topf und in der letzten halben Stunde eben noch das Gemüse, damit das seinen Biss und seine Inhaltsstoffe erhält."
Abwechslung durch natürlichen Geschmack
In manchen Kantinen schmecken alle Gerichte irgendwie gleich. Kein Wunder, denn neben allen Töpfen steht die gleiche Gewürzmischung. Auch der häufige Einsatz von Natriumglutamat, führt dazu, dass alles ähnlich schmeckt und der Gaumen auf die Geschmacksrichtung Umami trainiert wird.
Bei "Kantine Zukunft" gibt es solche fertigen Gewürzmischungen nicht, sondern es wird auf Kräuter und Gewürze und das mehrmalige Abschmecken der Speisen gesetzt. "Dafür gibt es eigene Sensorik-Schulungen, in denen es darum geht, den ursprünglichen Geschmack von Lebensmitteln wieder zu entdecken und ein Gefühl dafür zu bekommen, wie eine gute Balance aus Salz, Süße, Fett, Säure und Gewürzen entsteht", so Patrick Wodni.
Preis regiert mit: Gutes Fett, schlechtes Fett, teures Fett?
Immer nur "gute" Fette, wie kalt gepresstes Olivenöl einzusetzen, das sprengt den Kostenrahmen der meisten Betriebskantinen. Vor allem, wegen der Preissteigerungen bei Speisefetten und Speiseölen in der ersten Jahreshälfte 2022.
Deshalb versucht "Kantine Zukunft" die Küchen dahingehend zu schulen, insgesamt weniger Fett einzusetzen, also zum Beispiel weniger zu frittieren oder schwimmend in Öl auszubacken.
Food-Koma, Suppenkoma, Völlegefühl muss nicht sein
Es ist nicht die Kalorienzahl allein, die ein Essen mächtig macht. Vielmehr kommt es auf die schwere oder leichte Verdaulichkeit von Gerichten an. "Ein Schnitzel mit Pommes und einem Salat mit einem Mayonnaise Dressing liegt schwerer im Magen als ein Grünkernrisotto mit Feta und Rucola, das vielleicht genauso fettig ist, weil wir mit Sahne gearbeitet haben, was vom Körper aber leichter angenommen und verdaut wird", erläutert Patrick Wodni.
Gesunde Hülsenfrüchte: Schluss mit Schattendasein!
"Wenn Küchen ihren Bioanteil langsam auf 60 Prozent anheben wollen, können sie nicht einfach die alten Rezepte mit Biozutaten kochen, das sprengt den Kostenrahmen", sagt Patrick Wodni. Bislang versuchen die meisten Betriebskantinen die Gerichte in einer Preisspanne von 3,50 Euro bis 6,50 Euro anzubieten. Deshalb hat "Kantine Zukunft" neue Rezepturen entwickelt, bei denen zum Beispiel die Bulette nicht nur aus Bio-Hackfleisch besteht, sondern mit Grünkernschrot oder Hülsenfrüchten angereichert wird. "Oder wo Hummus auch mal das Hauptgericht ist und nicht nur irgendwo als Beilage dazu gegeben wird", ergänzt Patrick Wodni.
Dabei richtet er sich auch nach den Wünschen vor Ort, die in Betriebskantinen andere sind als zum Beispiel in einer Kita oder einem Pflegeheim. "Wir haben unser Ziel erst dann erreicht, wenn das, was wir uns da ausgedacht haben, auch gegessen wird. Denn all die Überlegung bringen nichts, wenn die Gäste das nicht annehmen", sagt Patrick Wodni von "Kantine Zukunft".
Hülsenfrüchte können in jedem Fall regionale und günstige Lieferanten für pflanzliche Proteine und Ballaststoffe sein.
Beitrag von Ulla Stamm