Ernährung & L-Thyroxin: Wichtiges Zusammenspiel - Abnehmen bei Schilddrüsenunterfunktion - was hilft?
Häufiges Symptom bei Schilddrüsenunterfunktion ist Gewichtszunahme. Diäten schlagen kaum bis gar nicht an. Das Zusammenspiel mit den richtigen Lebensmitteln kann helfen.
Millionen von Menschen in Deutschland haben eine Schilddrüsenunterfunktion, z.B. durch die Automimmunerkrankung Hashimoto. Und längst nicht jeder weiß um seine Erkrankung.
Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass rund 10 Prozent der Bevölkerung betroffen sind. Frauen haben etwa vier Mal so häufig eine Unterfunktion wie Männer. Zu den klassischen Symptomen gehören neben Müdigkeit und Abgeschlagenheit vor allem Gewichtszunahme, gegen die viele Diäten nicht anschlagen. Dabei kann das richtige Zusammenspiel mit Lebensmitteln helfen.
Wieso ist abnehmen mit einer Schilddrüsenunterfunktion besonders schwierig?
Von Schilddrüsenunterfunktion Betroffene haben Probleme abzunehmen und Gewicht zu halten, weil die Schilddrüsenhormone auch bei Prozessen der Blutzuckerregulierung und Fettverwertung fehlen - Schilddrüsenhormone sind nämlich auch an der Fettmobilisierung und dem Abbau von gespeichertem Fett betroffen, die es ja zum Abnehmen braucht.
Für den Blutzucker hat eine Unterfunktion der Schilddrüse erst einmal die Folge, das Zucker (z.B. auch aus Kohlehydraten) schlechter aus dem Darm aufgenommen und verwertet werden kann. Weil der Körper für seine Zuckerverwertung aber an anderer Stelle weiter Insulin zum Abbau des Blutzuckers produziert, kann das System Blutzucker aus der Bahn geraten - gerade für Menschen mit Diabetes kann das auch zu einer Unterzuckerungsneigung führen und gefährlich werden. Generell ist auch die Wahrscheinlichkeit für Insulinresistenzen bei Schilddrüsenunterfunktion erhöht.
Kurz gesagt: Die gesunde Verwertung von Lebensmitteln für den Energiestoffwechsel ist bei Menschen mit Schilddrüsenunterfunktion aus der Balance. Das erschwert für viele das Abnehmen oder bedingt - gerade zu Beginn einer Unterfunktion - dass Menschen sich nicht erklären können, warum sie auf einmal zunehmen, obwohl sich an ihrem Lebensstil und der Ernährung, mit der sie vorher das Gewicht gehalten haben, eigentlich nichts verändert hat.
Nehmen sie dann zu, reichen die durch die Erkrankung knapper gewordenen Schilddrüsenhormone noch weniger - eine Abwärtsspirale des Zunehmens kann beginnen.
Hinzu kommt: Gewichtszunahme, die Entzündungsprozesse in der Schilddrüse und der erhöhte TSH-Wert können auf Steuerungssysteme im Gehirn einwirken, sagt die selbst betroffene Ernährungsmedizinerin Dr. Simone Koch aus Berlin-Marienfelde: "Was wiederum dazu führt, dass durch Veränderungen im ventromedialen Hypothalamus, also im Gehirn, das Appetitzentrum und die Sättigungsmechanismen nicht mehr richtig funktionieren. Und dass man dadurch eben in seinem intuitiven Essen stark gestört ist."
Was sollte man bei Schilddrüsenunterfunktion nicht essen?
Stimmt die Hormonbalance beim Energiestoffwechsel nicht, reagieren Betroffene oft negativ auf bestimmte Lebensmittelgruppen. Das betrifft z.B. häufig Lektine, die in Gemüsen wie Tomate, Kartoffel oder Paprika stecken. Bei einer Schilddrüsenunterfunktion durch Hashimoto reagieren Betroffene besonders häufig auch negativ auf Gluten in bestimmten Getreideprodukten, wie Weizen, Roggen oder Dinkel.
Buchweizen, Amaranth und Quinoa können gute Alternativen sein, also sogenannte Scheingetreide. Getreidenudeln lassen sich - je nach Verträglichkeit - auch durch Nudeln aus Hülsenfrüchten ersetzen. Aber Vorsicht vor Verallgemeinerung, denn: Auch Hülsenfrüchte können Lektine enthalten. Allerdings sind die meisten - im Gegensatz zu denen in Weizen - in der Regel nicht hitzebeständig.
Das Grundproblem: Welche Lebensmittel das Abnehmen bei Schilddrüsenunterfunktion besonders schwer machen ist absolut individuell, sagt Dr. Simone Koch. Zum Thema hat die Endokrinologin 2022 auch das Buch "Schlank und voller Energie bei Hashimoto" veröffentlicht. "Also je nachdem, welche Studien man anguckt: 80 bis 90 Prozent haben irgendwie Schwierigkeiten mit Weizen. 20 Prozent haben Probleme mit Nachtschattengewächsen. 20 Prozent haben Probleme mit Hülsenfrüchten. Zehn Prozent haben Probleme mit Samen und Saaten. Die Idee ist aber - und das liegt mir auch ganz doll am Herzen - dass es nicht so ist, dass jeder mit einer solchen Erkrankung das alles für immer weglassen muss. Das macht überhaupt keinen Sinn. Sondern es geht darum, herauszufinden: Was sollte ich weglassen?"
Die Ärztin schlägt dazu eine "Eliminationsdiät" vor.
Was ist eine Eliminationsdiät und wie geht das?
Wie das Wort "eliminieren" schon verrät, geht es um ein Ausschließen im Testverfahren. Dazu gibt es verschiedene Diätprogramme - am besten lässt man sich von Hausärztin oder Facharzt beraten.
Grundprinzip: Wochenweise kommt eine bestimmte Lebensmittelgruppe ausschließlich oder verstärkt auf den Teller, z.B. Getreide oder Nüsse & Saaten, etc.. Dann wird dokumentiert: Kommt es zu Problemen oder fühlt man sich fitter, energetischer? Wie steht es ums Gewicht? Was machen Puls und Verdauung usw.? So kann man für sich herausfinden, welche Lebensmittelgruppen man besser meidet und mit welchen man im Alltag gut klar kommt.
Wichtig gerade zu Beginn: Um "nachwirkende" Einflussfaktoren zu Beginn der "Testphase" zu verhindern lohnt es sich, eine kleine Fastenperiode vor der Eliminationsdiät einzulegen.
Abnehmen & Diäten: Braucht man medizinische Begleitung?
Ein engagierter Fachmann oder eine Fachfrau kann natürlich eine große Hilfe beim Abnehmen mit Schilddrüsenunterfunktion sein, aber zwingend notwendig sei das nicht, sagt Dr. Koch. Sie gibt zu Bedenken: Übergewicht an sich birgt große gesundheitliche Risiken - von Herz-Kreislaufproblemen bis zur Diabetes.
Sie empfiehlt also es lieber gut informiert allein anzugehen, anstatt auf eine bestimmte medizinische Begleitung im Zweifel lange zu warten.
Aber: Liegt schon eine Behandlung z.B. mit Schilddrüsenhormonen aus der Tablette vor, sind regelmäßige Arztbesuche trotzdem nötig - gerade wenn's gut läuft beim Abnehmen.
Mit L-Thyroxin abnehmen: Vorsicht bei der Dosierung
Gerade wer Erfolg beim Abnehmen hat und eine Diagnose und Therapie gegen Schilddrüsenunterfunktion macht (L-Thyroxin Substitution) sollte regelmäßig den Stand der Hormone checken lassen, denn: Wer weniger wiegt, braucht auch weniger Hormone aus der Schilddrüse. Gelingt also die Gewichtsreduktion, kann eine Medikamentenanpassung nötig werden.
Expertinnen und Experten raten grob etwa alle zehn abgenommene Kilos oder alle 6-8 Wochen beim Arzt die aktuelle medikamentöse Therapie checken zu lassen - und bei Bedarf die zugeführten Hormone zu reduzieren.
Auch auf den Zeitpunkt sollte man achten: Wer gerade eine Diagnose bekommen hat und "eingestellt" wird, sollte parallel keine massive Diät anstrengen, sondern den Ablauf mit dem eigenen Arzt bzw. der Ärztin besprechen.
Künstliche Schilddrüsenhormone: Alles wieder wie zuvor?
Betroffene fragen sich oft: Wenn ich aber doch Schilddrüsenhormone einnehme - ist dann nicht alles wie bei einem gesunden Menschen? Muss man überhaupt noch genau auf die Ernährung schauen?
Richtig ist: Eine gute Therapie versetzt Betroffene überhaupt erst wirklich in die Lage zu einem normalen Gewicht zurückzukehren, wenn es um eine starke Schilddrüsenunterfunktion geht. "Egal" ist die Ernährung darum nicht - eben z.B. weil die Autoimmunerkrankung Hashimoto das Energiestoffwechselsystem so massiv belastet und auch Tendenzen, wie zur Insulinresistenz, begünstigt.
Also: Ja, es kann trotz medikamentöser Therapie von Vorteil sein, auch die Ernährung zu verfeinern und insbesondere belastende Lebensmittel, die hohen Verdauungsaufwand, Puls oder andere Symptome begünstigen zu meiden.
Welche Lebensmittel beeinflussen L-Thyroxin und andere Schilddrüsenhormone?
Wichtig zu wissen: kalziumreiche Getränke können die Wirkung der Schilddrüsenhormone aus der Tablette mindern! Das sollte man gerade bei Milchprodukten und Säften zum Frühstück beachten, sofern man die Tabletten dann einnimmt.
Zusammenhang Jod und Schilddrüsenunterfunktion
Der Körper muss Jod mit der Nahrung aufnehmen und auch ein Jodmangel kann zur Schilddrüsenunterfunktion führen - weil der Drüse sozusagen die Rohstoffe fehlen.
Der Tagesbedarf beträgt für Jugendliche und Erwachsene (bis 50 Jahre) rund 200 Mikrogramm.
Aber: Per se möglichst viel Jod zu sich zu nehmen ist keine Lösung - ob ein Jodmangel die Ursache für die Unterfunktion ist oder sein kann, sollte mit dem betreuenden Arzt abgeklärt werden.
Denn: Auch eine jodreiche Ernährung kann auf Dauer bei Schilddrüsenfunktion negative Folgen haben, wenn die Jodzufuhr nicht die Ursache des Problems mit der Schilddrüse ist!
Welche Symptome gibt’s bei Schilddrüsenunterfunktion?
Die schmetterlingsförmige Schilddrüse liegt am Hals des Menschen und gehört zu den großen Playern des Körpers in Sachen Hormone. Neben Stoffwechselprozessen für Knochenbildung oder Wachstum sind ihre Hormone auch für den Energiestoffwechsel zuständig.
Die Symptome bei Schilddrüsenunterfunktion sind oft diffus und werden nicht gleich mit der Erkrankung in Zusammenhang gebracht. Laut der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) sind typische Symptome:
· Gewichtszunahme
· Müdigkeit und Abgeschlagenheit, oft zusammen mit hohem Schlafbedürfnis, obwohl eigentlich genug geschlafen wird
· Frieren & Kälteempfindlichkeit
· Niedriger Puls & Blutdruck
· Wassereinlagerungen (Ödeme), die zu Schwellungen an Armen und Beinen führen können
· Muskelschwäche
· Konzentrationsstörungen
· Depressive Stimmung
Auch Verstopfung, kalte, trockene Haut und Haarausfall können hinzu kommen.
Was kann eine Schilddrüsenunterfunktion auslösen?
Experten sprechen bei einer Schilddrüsenunterfunktion auch von Hypothyreose. Zu den häufigsten Auslösern gehört eine Autoimmunerkrankung namens Hashimoto-Thyreoiditis. Dabei werden Schilddrüsenzellen zerstört, so dass es an Schilddrüsenhormonen mangelt. Meistens erkranken Menschen im Alter zwischen 30. und 50. Jahren und Frauen trifft es häufiger als Männer. Ihre Beschwerden werden allerdings häufig als Folgen der Wechseljahre misinterpretiert. Auch zu Verwechslungen mit Anzeichen einer Depression kann es kommen.
Seltener sind laut DGE eine angeborene Unterfunktion, eine Fehlfunktion der Hirnanhangdrüsen als übergeordnete Erkrankung oder auch eine sogenannte subakute Schilddrüsenentzündung (Thyreoiditis De Quervain) - dabei verändert sich durch eine Entzündung die Schilddrüse aber meist nicht auf Dauer. Ist die Entzündung als Ursache beseitigt, kann die Schilddrüse und damit auch ihre Hormonproduktion sich wieder erholen.
Wie wird die Diagnose gestellt?
Eine sichere Diagnose kann mittels Blutanalyse getroffen werden: Hier ist dann der Wert des Hormons TSH deutlich erhöht, die Schilddrüsenhormone T3 (Trijodthyronin) und/oder T4 (Levothyroxin) sind zu niedrig. In der Regel steigt bei Belastung oder Störung der Schilddrüse zuerst der TSH-Wert - das kann also ein erstes Warnzeichen sein. Hintergrund: Das TSH wird von der Hirnanhangdrüse ausgeschüttet, um die Schilddrüse zur Produktion anzuregen.
Bei einem gesunden Erwachsenen sollte der TSH-Wert im Blutserum in der Regel zwischen 0,40 und 4,0 mU/l, also milliUnits pro Liter, liegen.
Das Blut wird auch auf typische Antikörper untersucht (Nachweis der Autoimmunerkrankung). Das sind Antikörper gegen Thyreoperoxidase und gegen Thyreoglobulin.
Wie wird eine Schilddrüsenunterfunktion behandelt?
Das kommt auf den Hintergrund an: Bei Hashimoto werden die fehlenden Hormone medikamentös ersetzt - hier kommt es auf eine gute Einstellung an, das kann am Anfang mehrere Arztbesuche in Anspruch nehmen.
Die Autoimmunerkankung ist nicht heilbar - die Medikamente braucht es also grundsätzlich ein Leben lang, aber Bewegung, ein gesundes Gewicht und entzündungshemmende Lebensmittel, wie Omega-3-Fettsäuren aus fettem Fisch, können weniger Hormone notwendig machen.
Geht es um eine zeitlich begrenzte Einschränkung der Schilddrüse, kann diese sich nach überstandener Entzündung wieder vollständig erholen.
Grundsätzlich gilt: Bei Vergrößerungen ("Kropf") oder verhärteten Knoten in der Schilddrüse müssen diese unbedingt in weiteren Untersuchuungen (z.B. per Ultraschall und Gewebeanalyse) abgeklärt werden. Eventuell kann bei solchen Fällen auch eine OP oder eine Radiojodtherapie nötig sein.
Beitrag von Lucia Hennerici