- Brieselang
Gemütlichkeit im Gasthaus Finkenkrug und majestätische Natur - eine Mischung ganz nach Fontanes Geschmack. Gleich mehrere Kapitel widmete er dem Forst von Brieselang.
Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Band IV „Spreeland“:
Es war inzwischen heiß geworden, so heiß, daß unsere Phantasie mit einem gewissen Neid an dem Winterbilde hing, das unser Führer eben vor uns entrollt hatte, und schon dämmerte die Frage herauf, ob nicht ein flüchtiges »Ausspannen«, eine Lagerung an schattiger Stelle gestattet sei, als wir deutlich eine Art Janitscharenmusik vernahmen, belebende Klänge, die, immer lauter werdend, unsern Füßen ihre Elastizität wiedergaben. Wir waren am Ziel, wenigstens an einem vorläufigen. Der Finkenkrug blitzte durchs Gezweig, und in guter Haltung rückten wir auf einen kastanienumschatteten Platz, zu dem sich der Waldweg hier verbreitert. Eine Alternative, vor die wir uns plötzlich und gegen Erwarten gestellt sahen, gebot uns, mitten im Wege haltzumachen. Der Finkenkrug umfaßt nämlich eine Doppelwirtschaft: links ist Kaffee und Kegelbahn, rechts ist Bier und Büchsenstand. Dies hielt sich die Waage. Aber was zuletzt unserem Schwanken ein Ende machte, war, daß nach rechts hin, wo freilich das verlockende Seidel blühte, doch zugleich auch die minder verlockende Janitscharenmusik ihren Platz genommen hatte, die, in die Waldesferne hinein unbedingt segensreich wirkend, in nächster Nähe ihr entschieden Bedenkliches hatte.
Also links.
Da hatten wir's denn wirklich mal getroffen. Es war auch die Damenseite, die Seite der jungen Paare, und ich kann mich nicht entsinnen, von meinen Landsmänninnen, honni soit qui mal y pense, jemals einen so ungestört guten Eindruck empfangen zu haben. Schlank, hübsch, wohlgekleidet, munter ohne Lärm, neckisch ohne Frivolität, frei ohne »Freiheiten«, schritten sie paarweise auf und ab, spielten zwischen den Bäumen oder flogen in der Schaukel durch die Luft. Fremde, die sich auf vergleichende Völkerkunde verstehen, würden die günstigsten Urteile von dieser Stelle mit hinweggenommen haben, wenn man ihnen, die Paare vorstellend, hätte sagen können: dies ist die Schwester eines Steinmetzen, die Braut eines Büchsenmachers, die junge Frau eines Schiffszimmermanns oder Kahnbauers.
Eine kurze Rast wurde genommen, das Seidel »von gegenüber« geprobt; dann brachen wir wieder auf, mit einem Gruß gegen das graziöse Paar, das eben jetzt im Versteckspiel hinter den Bäumen sich neckte, und traten dann in jenen schon erwähnten, an der Grenzlinie von Wald und Wiese sich hinschlängelnden Weg ein, der, zumal in Apriltagen, wenn alles wieder See und Sumpf ist und jedes Elsengebüsch zu einer Insel wird, die alten Brieselang-Zeiten heraufbeschwört. Heute bot die Szenerie nichts von den Bildern jener Zeit. Links zwitscherten die Vögel im Wald, nach rechts hin dehnte sich die Wiese, mit Tausendschön, Ranunkel und rotem Ampfer gesprenkelt. Alles war Heiterkeit und Friede. Unser »Pfadfinder«, der während unsers kurzen Aufenthalts im Finkenkrug sich mehr meinem Reisegefährten als mir zu attachieren gewußt hatte, brach hier die rasch angeknüpften Beziehungen ebenso rasch wieder ab, gesellte sich mir aufs neue und antwortete eingehend und immer bereit auf meine hundert Fragen, die alsbald kreuz und quer gingen wie der Weg, den er uns führte.
Audio: Ausschnitt aus "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" gelesen von Wolfgang Büttner (Produktion des BR 1962)