Bootsanlegestelle in Karwe - dpa/Peter Zimmermann
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Bootsanlegestelle in Karwe | Bild: dpa/Peter Zimmermann

- Karwe

Mit Genuss erzählt Fontane, wie der hiesige Gutshausbesitzer Knesebeck seine Reichtümer einmauert, um sie vor dem König zu verstecken.

Trotz dieser Farbenpracht macht alles einen ernsten und beinah düstern Eindruck und läßt uns auch ohne praktische Probe glauben, daß das Karwer Herrenhaus ein Spukhaus sei

Theodor Fontane

Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Band I "Grafschaft Ruppin":

Wir haben den Park seiner Länge nach passiert und stehen jetzt vor dem Herrenhause. Es ist einer jener Flügelbauten, wie sie dem vorigen Jahrhundert eigentümlich waren, und erinnert in Form und Farbenton an das Radziwillsche Palais in Berlin. Nur ist es kleiner und ärmer an Rokokoschmuck. Auch das Eisengitter fehlt. Eine hohe Pfauenstange mit einem Pfauhahn darauf überragt vom Wirtschaftshofe her das Dach, und der vorgelegene Grasplatz steht in Blumen; aber trotz dieser Farbenpracht macht alles einen ernsten und beinah düstern Eindruck und läßt uns auch ohne praktische Probe glauben, daß das Karwer Herrenhaus ein Spukhaus sei.

Karwe gehört den Knesebecks in der vierten Generation. Der Urgroßvater des jetzigen Besitzers kaufte es im Jahre 1721 von dem Vermögen seiner Frau und errichtete das Wohnhaus, das wir, wenn auch verändert und erweitert, auch jetzt noch vor uns sehen. Die Umstände, die diesen Kauf und Bau begleiteten, sind zu eigentümlicher Art, um hier nicht erzählt zu werden. Der Urgroßvater Karl Christoph Johann von dem Knesebeck, zu Wittingen im Hannoverschen geboren, trat früh in preußische Kriegsdienste. Er war ein großer, starker und stattlicher Mann, aber arm. Die Regierungszeit Friedrich Wilhelms I. indes war just die Zeit, wo das Verdienst des Großseins die Schuld des Armseins in Balance zu bringen wußte und gemeinhin noch einen Überschuß ergab. Karl Christoph Johann war sehr groß, und so erfolgte denn eine Cabinetsordre, worin die reiche Witwe des Generaladjutanten von Köppen, eine geborne von Bredow, angewiesen wurde, den Oberstlieutenant von dem Knesebeck zu ehelichen. Die Hochzeit erfolgte, und Karwe wurde, wie schon erwähnt, erstanden. Aber die Huldbeweise gegen den stattlichen Oberstlieutenant hatten hiermit ihr Ende noch nicht erreicht. Im Kopfe des Königs mochte die Vorstellung lebendig werden, daß die reiche Witwe bis dahin eigentlich alles und die Gnade Seiner Majestät nur erst sehr wenig getan habe, und so versprach er denn dem jungen Paare, das neue Wohnhaus in Karwe einrichten und sogar zum Aufbau desselben die Balken und den Kalk liefern zu wollen. Und wirklich, bald stand das Haus da, und die zugesagte Möblierung erfolgte mit einer Munifizenz, die bei dem sparsam gewöhnten Könige überraschen mußte. Selbst königliche Familienportraits, zum Teil von der Meisterhand Pesnes, wurden geliefert und in einem Empfangssaale des ersten Stocks in das Mauerwerk fest eingefügt. Wir werden gleich sehen, wie wichtig es für den neuen Besitzer von Karwe war, diese stattliche Bilderreihe nicht aufgehängt, sondern eingemauert zu haben. Denn kaum noch, daß einige Monate ins Land gegangen waren, als ein großer Planwagen vor dem Knesebeckschen Hause vorfuhr und den Befehl überbrachte, das durch königliche Munifizenz erhaltene Ameublement wieder zurückzuliefern. Es waren nicht die Zeiten, um solcher Ordre nicht sofort zu gehorchen, und so versanken denn sämtliche Spiegel, Kommoden und Tische, die der gebornen von Bredow bereits lieb und teuer geworden waren, in die Heu- und Strohbündel des draußen harrenden Wagens. Was zu dieser Ordre geführt, ob einfach Laune oder aber die ökonomische Erwägung, »daß der von Knesebeck au fond reich genug sei, um nunmehro sich auch ohne geschenkte königliche Möbel behelfen zu können«, ist nie bekannt geworden. Der Planwagen fuhr ab und ließ nichts zurück als die eingemauerten Bilder und einen alten Eichentisch, den sehr wahrscheinlich seine Unscheinbarkeit gerettet hatte.

Video: „Die Entdeckung der Heimat  - Fontanes Ruppiner Land (1/5)" - gesendet am 17.12.2019. Autor: Johannes Unger