Blick auf die Zermützel Brücke
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Blick auf die Zermützel Brücke | Bild: picture alliance/arkivi

- Zermützel - Alter Friedhof

Friedhöfe sind für Fontane Fenster in die Vergangenheit: große Namen neben Alltagsschicksalen. Und manchmal auch eine ganz besondere Stimmung - wie hier am Zermützelsee.

Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Band I "Grafschaft Ruppin":

Die Kärglichkeit unserer märkischen Scholle kann nicht leicht irgendwo besser studiert werden als an dieser Stelle. Hundert Jahr Arbeit sind gewesen wie ein Tag, und eine Ziege, ein Kirschbaum und ein Streifen Roggenland, über das der alte Beherrscher dieser Gegenden, der Strandhafer, immer wieder Lust zeigt, als Sieger herzufallen, diese drei sind nach wie vor der einzige Reichtum dieser Ansiedlung. Und wenn noch ein Zweifel daran wäre, so würd ihn die Begräbnisstätte lösen, die zu diesem Etablissement Stendenitz gehört.

Da, wo die Bäume hart an den See treten, ist ein quadratisches Eckstück aus dem Walde herausgeschnitten und von vier tiefen Furchen umzogen worden. Auf diesem Eck- und Waldstück wird nun begraben, und umherstehende Krüppelkiefern tuen ihren Zypressen- und Trauertannendienst. In hundert Jahren stirbt sich was zusammen, auch da, wo die Lebendigen nur vier Büdnerfamilien sind, und so drängen sich denn die Gräber hier, eingefallene Hügel, von denen die meisten schon wieder zu bloßen Moosplätzen mit ein paar verspätet blühenden Erdbeeren geworden sind. Nur zwei Grabtafeln ragen auf, schräg gedrückt vom Westwind, und nicht ohne Müh entziffern wir das Folgende:

»Hier ruht in Gott der Schneidergesell Andreas Laudon, Kanonier von der 3. Garde-Compani der Attolerie-Bregarde, gestorben 3. April1836.« Und ihm zur Seite der Namen eines siebzehnjährigen Mädchens, und darunter:

Vielgeliebte, weinet nicht,
Seht mir nach und lebt in Segen,
Gott ist euer Trost und Licht –
Ich habe mich zur Ruh geleget.

Wohl auf manchem Begräbnisplatze hab ich gestanden, aber auf keinem, der mich tiefer erschüttert hätte. Welche Mischung von groteskem Humor und erschütternder Poesie. Schneidergeselle Laudon, Kanonier, und daneben:

Gott ist euer Trost und Licht,
Ich habe mich zur Ruh geleget.

Zur Ruhe hier!

Die Bahre, die diesem Begräbnisplatze dient, hing an dem abgebrochenen Ast einer alten Kiefer, und Baum und Bahre waren gleichmäßig mit Flechten überdeckt; dazu gurgelte das Wasser im Röhricht, und über uns in den Kronen ging der Wind.

Alles Klage. Nur zwischen den Bäumen leuchtete das ewige Blau.

 

Audio: Ausschnitt aus "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" gelesen von Gert Westphal (Produktion des SWR 1982-1985)

Wohl auf manchem Begräbnisplatze hab ich gestanden, aber auf keinem, der mich tiefer erschüttert hätte.

Theodor Fontane