Löwenapotheke in Neuruppin - imago/Manja Elsässer
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Gedenktafel an der Löwenapotheke in Neuruppin | Bild: imago/Manja Elsässer

- Neuruppin - Löwenapotheke

Fontanes Vater kaufte die Löwenapotheke und zog mit seiner Familie nach Neuruppin. In "Kinderjahre" beschreibt der Autor die Lebensgeschichte seiner Eltern.

„An einem der letzten Märztage des Jahres 1819 hielt eine Halbchaise vor der Löwen-Apotheke in Neu-Ruppin ….“

Theodor Fontane

Theodor Fontane "Kinderjahre":

An einem der letzten Märztage des Jahres 1819 hielt eine Halbchaise vor der Löwen-Apotheke in Neu-Ruppin und ein junges Paar, von dessen gemeinschaftlichem Vermögen die Apotheke kurz vorher gekauft worden war, entstieg dem Wagen und wurde von dem Hauspersonal empfangen. Der Herr – man heirathete damals (unmittelbar nach dem Kriege) sehr früh, – war erst dreiundzwanzig, die Dame einundzwanzig Jahr alt. Es waren meine Eltern. Ich gebe zunächst eine biographische Skizze Beider.

Mein Vater Louis Henri Fontane, geb. am 24. März 1796, war der Sohn des Malers und Zeichenlehrers Pierre Barthélemy Fontane. Was dieser, mein Großvater, als Maler leistete, beschränkte sich vorwiegend auf Pastell-Copieen nach englischen Vorbildern, als Zeichenlehrer aber muß er tüchtig gewesen sein, denn er kam zu Beginn des neuen Jahrhunderts an den Hof und wurde mit dem Zeichenunterricht der ältesten königlichen Prinzen betraut. Dies leitete sein Glück ein. Königin Luise wohnte gelegentlich dem Unterrichte der Kinder bei und alsbald an dem gewandten und ein sehr gutes Französisch sprechenden Manne Gefallen findend, nahm sie denselben als Kabinetssekretär in ihren persönlichen Dienst. Vielleicht geschah es auch auf Vorschlag des um jene Zeit überaus einflußreichen Kabinetsraths Lombard, der dabei den Zweck verfolgen mochte, seine auf ein Bündniß mit Frankreich hinarbeitende Politik, durch bei Hofe verkehrende Persönlichkeiten verstärkt zu sehen. Die Gegner waren von dieser Ernennung wenig erbaut und der national gesinnte Gottfried Schadow, damals noch nicht der „alte Schadow,“ schrieb in sein Tagebuch: „ein Herr Fontane, seines Zeichens Maler, ist Kabinetssekretär der Königin geworden; er malt schlecht, aber er spricht gut französisch.“ Ob Pierre Barthélemy, mein Großvater, in seiner Stellung Einfluß geübt oder nicht, entzieht sich meiner Kenntniß, jedenfalls, wenn ein solcher Einfluß da war, war er von kurzer Dauer; denn dem Sturze Lombard’s, der nicht lange mehr auf sich warten ließ, folgte die Katastrophe von Jena, der Hof, flüchtig werdend, ging nach Königsberg und Pierre Barthélemy, dessen Dienste keine weitere Verwendung mehr finden konnten, erhielt, in Berlin zurückbleibend, wohl als eine Art Abfindung, das Amt eines Kastellans von Schloß Nieder-Schönhausen. Dorthin übersiedelte er nun und von hier aus besuchte mein Vater, drei Jahre lang, also wahrscheinlich bis Herbst 1809, das Gymnasium zum Grauen Kloster. Es waren harte Schuljahre, denn der weite, wenigstens anderthalb Stunden lange Weg nach Berlin erforderte, daß jeden Morgen um spätestens sechs Uhr aufgestanden werden mußte. „Winters froren wir bitterlich und es wurde erst besser, als wir, mein älterer Bruder und ich, blaue mit postorangefarbenem Kattun gefütterte Mäntel als Weihnachtsgeschenk erhielten. Aber es erwuchs uns daraus keine reine Freude. Jedesmal wenn sich der Wind in den mit einem gleichfarbigen Kattun gefütterten großen Kragen setzte, stand uns der postorangefarbene Kragen wie ein Heiligenschein zu Häupten und der Spott der Straßenjungen war immer hinter uns her.“ Es war dies eine Lieblingsgeschichte meines Vaters, der an ihr bis in sein Alter hinein festhielt und nichts davon wissen wollte, wenn ich ihm lachend von meinen eigenen, dem Vorstehenden sehr verwandten Schicksalen erzählte. „Ja, Papa,“ begann ich dann wohl „so bin ich, als ich so alt war wie Du damals, auch gequält worden. Mama ließ mir um jene Zeit, ich war eben mit ihr in Berlin angekommen, Rock, Weste und Beinkleid aus einem milchfarbenen Tuchstoff machen, es war ein billiger Rest, und in der Klödenschen Schule hieß ich dann, ein ganzes Jahr lang, der „Antiquar aus der alten Post“. Der trug nämlich gerade solchen milchfarbenen Anzug und war überhaupt eine Karrikatur.“ „Kann schon sein“ schmunzelte mein Vater „so ’was ist mitunter erblich; aber Postorange war doch schlimmer, dabei muß ich bleiben. Es schrie förmlich in die Welt hinein.“ 

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