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Drogenabhängige sind krank! Lange hat die Politik gebraucht, diese Tatsache zu akzeptieren. Seit 2002 wurden in einem Modellprojekt Heroinabhängige nach einer neuen Methode behandelt: mit Diamorphin, synthetischem Heroin. Obwohl die Ergebnisse positiv sind, stoppt die Unions-Fraktion im Bundestag die Ausweitung des Projektes und setzt weiter auf Methadon. Heroin auf Rezept – für Drogenpolitiker der Union noch immer ein Tabu-Bruch.
Eine ganz nüchterne Zahl aus der Statistik: 173 Drogentote gab es im vergangenen Jahr in Berlin. Viele von ihnen waren heroinabhängig. Vielleicht könnten einige noch leben. Wenn sie Heroin auf Rezept bekommen hätten. Das gibt es in einigen anderen deutschen Städten – als Modellversuch. Ein sehr erfolgreiches Projekt, so die einstimmige Bilanz von Experten und Betroffenen. Doch das Modell ist umstritten. Darf der Staat als Dealer auftreten? Ulrich Krätzer und Marika Mettke berichten.
Berlin-Kreuzberg, Kottbusser Tor. Treffpunkt der Heroin-Szene der Hauptstadt.
Mitarbeiter des Vereins Fixpunkt versorgen die Süchtigen mit dem Nötigsten. Etwas Essen, sauberes Spritzbesteck. Der Stoff kommt vom Dealer. Meist ist er gestreckt, giftige Zusatzstoffe und Krankheitserreger inklusive.
Elisabeth Rosenkranz, Ärztin „Fixpunkt“
„Wir wundern uns oft, mit welchen Krankheitserscheinungen die Leute hier zu Fuß auf der Straße noch unterwegs sind, mit großen Wunden, mit akuten Abszessen, mit Vereiterungen. Sehr viele haben chronische innere Erkrankungen wie Hepatitis C, hier sind auch HIV-positive Patienten.“
In Berlin leben etwa 8.000 Heroinabhängige. Rund die Hälfte wird mit dem Heroin-Ersatzstoff Methadon behandelt. Das Medikament kann helfen, von der Sucht loszukommen. Doch gerade bei Schwerstabhängigen funktioniert das oft nicht.
Heroinabhängige
„Das Suchtpotential ist viel höher, man wird nie satt.“
Heroinabhängiger
„Man ist nie zufrieden, man kriegt davon nicht genug, also man denkt immer da könnte noch mehr sein.“
Heroinabhängige
„Die Leute, so lange sie Heroin genommen haben, hat keiner Alkohol getrunken, jetzt wird dazu kräftig getrunken und kräftig Tabletten dazu genommen, um diesen Kick zu erreichen.“
Die Ersatzdroge Methadon. Ein Wundermittel gegen die Heroin-Abhängigkeit – so dachte man Anfang der 90er Jahre.
Das Problem: Methadon wirkt benebelnd, das schnelle Glücksgefühl wie bei Heroin fehlt. Doch genau danach sind viele Schwerstabhängige süchtig. Bei ihnen scheiterte die Methadon-Therapie.
In Hamburg hat man das Problem erkannt. Um die Schwerstabhängigen zu erreichen, werden sie mit dem Originalstoff behandelt: mit Heroin, pharmazeutisch hergestellt und – anders als der Stoff aus der Drogenszene – frei von giftigen Zusatzstoffen. Auch dieses Heroin ist ein Suchtstoff, aber - sofern es kontrolliert verabreicht wird - weniger schädlich als meist angenommen.
Die Heroinvergabe läuft seit 2002 in sieben Städten. Berlin ist nicht dabei.
Einer der Teilnehmer des Modellprojekts: Matthias Wirtz, seit rund 15 Jahren Heroin-abhängig. Auch er versuchte es mit Methadon. Doch auch ihm fehlte das Heroin-typische Glückgefühl. Das holte er sich mit Kokain, landete im Knast.
Jetzt kommt er zweimal täglich in die Hamburger Heroin-Ambulanz, wird betreut, setzt sich seine Spritze. Die Dosis wurde immer geringer und: Es geht ihm besser als bei der Methadon-Therapie.
Matthias Wirtz, Teilnehmer Modellprojekt „Heroinvergabe“
„Ich glaube vor vier Jahren hätte ich gar nicht erwartet, heute noch hier zu sitzen. Ich hätte erwartet, dass ich inzwischen gestorben wär. Weil hätt ich mein Leben so weitergeführt, dann wär das auch die Folge gewesen. Ich war teilweise auf 57 Kilo runter abgemagert bei 1,83.“
Die meisten Heroin-Patienten empfinden nach der Spritze keinen Rausch mehr. Die Behandlung ist für sie ein Schritt zu einem Leben ohne Drogen.
Ali, Teilnehmer Modellprojekt „Heroinvergabe“
„Auf Methadon war ich nicht fähig zu arbeiten. Das bin ich jetzt auf jeden Fall. Der Umgang mit Menschen, der war auch überhaupt nicht auf Methadon, was ich jetzt natürlich auch wieder hab. Ich kann auf Leute zugehen, ich kann meine eigenen Sachen erledigen.“
Die Heroin-Behandlung kostet pro Patient 18.000 Euro im Jahr, dreimal so viel wie die Methadon-Behandlung. Doch die Erfolge rechtfertigen die Mehrkosten.
Der Gesundheitszustand verbesserte sich in der Heroingruppe bei 80 Prozent der Patienten, in der Methadonvergleichsgruppe bei nur 74 Prozent.
Der Beikonsum illegaler Drogen ging bei 69 Prozent der Heroin-Patienten zurück. In der Methadongruppe bei nur 55 Prozent der Teilnehmer.
Besonders auffällig: Der unterschiedliche Rückgang der Kriminalitätsrate.
In der Heroingruppe sank sie von 55 auf 39 Prozent. In der Methadongruppe von 58 auf nur 55 Prozent.
Fazit der Studie:
Zitat:
„Die Heroinbehandlung erweist sich als langfristig ausgesprochen erfolgreiche Therapie schwerstabhängiger Heroinkonsumenten.“
Wie die meisten Bundespolitiker hält auch die Berliner Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher die neue Behandlungsmethode für sinnvoll und fordert die bundesweite Ausweitung der Heroinvergabe.
Katrin Lompscher (Linkspartei.PDS), Gesundheitssenatorin Berlin
„Die Alternative für diese Menschen ist eben ein kürzeres, schlechteres Leben. Und sozusagen in dem ganzen Dunstkreis der illegalen Drogen gefangen zu sein. Weil eine Methadonbehandlung hilft denen schlicht und einfach nicht mehr. Die würden schlicht früher sterben.“
Für die bundesweite Ausweitung der Heroin-Vergabe für Schwerstabhängige müsste der Bundestag das Betäubungsmittelgesetz ändern. Doch die CDU sperrt sich. Die Modellprojekte sollen zwar weiterlaufen, doch Heroin als Medikament zuzulassen – das lehnt die Bundestagsfraktion ab.
Volker Kauder, (CDU), Vorsitzender Bundestagsfraktion
„Die SPD wollte, dass dieses Programm zum Regelprogramm wird. Das, haben wir gesagt, machen wir nicht mit. Und insofern gibt es keinerlei Ausweitung. Der Staat wird nicht Dealer, die Union bleibt bei ihren festen Zielen, bei ihrem festem Programm.“
Die Verlängerung des Heroin-Projekts in Städten wie Hamburg ist ein Zugeständnis. Damit beendet die CDU die Debatte. Und behält ihr Image als Anti-Drogenpartei.
Und die Berliner CDU? Die Erfolge der Heroin-Therapie bestreitet die Partei nicht, meint aber: Die Zulassung als Medikament wäre ein falsches Signal.
Mario Czaja (CDU), Mitglied des Abgeordnetenhauses
„Und aus dieser Abwägung heraus sind wir der Auffassung, dass man das Betäubungsmittelgesetz, um was es ja hier geht, nicht erweitern sollte um eine neue Droge, die im Grunde in Teilen legalisiert wird.“
Prof. Christian Haase, der Leiter der Heroin-Studie kann die Argumente der CDU nicht nachvollziehen. Denn bei der kontrollierten Heroin-Vergabe geht es nicht um die Legalisierung einer Droge.
Christian Haasen, Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung
„Es geht um die Zulassung eines Medikamentes und die Einführung einer neuen Behandlungsmethode für eine Gruppe von Schwerstabhängigen, die intensivmedizinisch behandelt werden müssen. Insofern gibt es hier keine Signalwirkung in die Drogenszene, dass irgend etwas verharmlost wird.“
Doch die CDU hat sich festgelegt. In Berlin ändert sich also nichts. Die Drogen-Szene bleibt, die Beschaffungskriminalität bleibt, die Dealer bleiben. Und den Abhängigen wird eine wirksame Behandlung vorenthalten.
Heroinabhängiger
„Irgendwann hörst du wieder: Ach der, der ist tot oder die ist tot. Ja, das ist einfach der Mehrfachkonsum, manchmal kannst du es nicht abschätzen, du kriegst was Besseres oder du kriegst so einen Müll, dass du an dem Müll draufgehst. Klar, es tut weh, wenn du dann jemanden auch noch persönlich kanntest.“
Berlin-Kreuzberg, Kottbusser Tor. Treffpunkt der Heroin-Szene der Hauptstadt.
Mitarbeiter des Vereins Fixpunkt versorgen die Süchtigen mit dem Nötigsten. Etwas Essen, sauberes Spritzbesteck. Der Stoff kommt vom Dealer. Meist ist er gestreckt, giftige Zusatzstoffe und Krankheitserreger inklusive.
Elisabeth Rosenkranz, Ärztin „Fixpunkt“
„Wir wundern uns oft, mit welchen Krankheitserscheinungen die Leute hier zu Fuß auf der Straße noch unterwegs sind, mit großen Wunden, mit akuten Abszessen, mit Vereiterungen. Sehr viele haben chronische innere Erkrankungen wie Hepatitis C, hier sind auch HIV-positive Patienten.“
In Berlin leben etwa 8.000 Heroinabhängige. Rund die Hälfte wird mit dem Heroin-Ersatzstoff Methadon behandelt. Das Medikament kann helfen, von der Sucht loszukommen. Doch gerade bei Schwerstabhängigen funktioniert das oft nicht.
Heroinabhängige
„Das Suchtpotential ist viel höher, man wird nie satt.“
Heroinabhängiger
„Man ist nie zufrieden, man kriegt davon nicht genug, also man denkt immer da könnte noch mehr sein.“
Heroinabhängige
„Die Leute, so lange sie Heroin genommen haben, hat keiner Alkohol getrunken, jetzt wird dazu kräftig getrunken und kräftig Tabletten dazu genommen, um diesen Kick zu erreichen.“
Die Ersatzdroge Methadon. Ein Wundermittel gegen die Heroin-Abhängigkeit – so dachte man Anfang der 90er Jahre.
Das Problem: Methadon wirkt benebelnd, das schnelle Glücksgefühl wie bei Heroin fehlt. Doch genau danach sind viele Schwerstabhängige süchtig. Bei ihnen scheiterte die Methadon-Therapie.
In Hamburg hat man das Problem erkannt. Um die Schwerstabhängigen zu erreichen, werden sie mit dem Originalstoff behandelt: mit Heroin, pharmazeutisch hergestellt und – anders als der Stoff aus der Drogenszene – frei von giftigen Zusatzstoffen. Auch dieses Heroin ist ein Suchtstoff, aber - sofern es kontrolliert verabreicht wird - weniger schädlich als meist angenommen.
Die Heroinvergabe läuft seit 2002 in sieben Städten. Berlin ist nicht dabei.
Einer der Teilnehmer des Modellprojekts: Matthias Wirtz, seit rund 15 Jahren Heroin-abhängig. Auch er versuchte es mit Methadon. Doch auch ihm fehlte das Heroin-typische Glückgefühl. Das holte er sich mit Kokain, landete im Knast.
Jetzt kommt er zweimal täglich in die Hamburger Heroin-Ambulanz, wird betreut, setzt sich seine Spritze. Die Dosis wurde immer geringer und: Es geht ihm besser als bei der Methadon-Therapie.
Matthias Wirtz, Teilnehmer Modellprojekt „Heroinvergabe“
„Ich glaube vor vier Jahren hätte ich gar nicht erwartet, heute noch hier zu sitzen. Ich hätte erwartet, dass ich inzwischen gestorben wär. Weil hätt ich mein Leben so weitergeführt, dann wär das auch die Folge gewesen. Ich war teilweise auf 57 Kilo runter abgemagert bei 1,83.“
Die meisten Heroin-Patienten empfinden nach der Spritze keinen Rausch mehr. Die Behandlung ist für sie ein Schritt zu einem Leben ohne Drogen.
Ali, Teilnehmer Modellprojekt „Heroinvergabe“
„Auf Methadon war ich nicht fähig zu arbeiten. Das bin ich jetzt auf jeden Fall. Der Umgang mit Menschen, der war auch überhaupt nicht auf Methadon, was ich jetzt natürlich auch wieder hab. Ich kann auf Leute zugehen, ich kann meine eigenen Sachen erledigen.“
Die Heroin-Behandlung kostet pro Patient 18.000 Euro im Jahr, dreimal so viel wie die Methadon-Behandlung. Doch die Erfolge rechtfertigen die Mehrkosten.
Der Gesundheitszustand verbesserte sich in der Heroingruppe bei 80 Prozent der Patienten, in der Methadonvergleichsgruppe bei nur 74 Prozent.
Der Beikonsum illegaler Drogen ging bei 69 Prozent der Heroin-Patienten zurück. In der Methadongruppe bei nur 55 Prozent der Teilnehmer.
Besonders auffällig: Der unterschiedliche Rückgang der Kriminalitätsrate.
In der Heroingruppe sank sie von 55 auf 39 Prozent. In der Methadongruppe von 58 auf nur 55 Prozent.
Fazit der Studie:
Zitat:
„Die Heroinbehandlung erweist sich als langfristig ausgesprochen erfolgreiche Therapie schwerstabhängiger Heroinkonsumenten.“
Wie die meisten Bundespolitiker hält auch die Berliner Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher die neue Behandlungsmethode für sinnvoll und fordert die bundesweite Ausweitung der Heroinvergabe.
Katrin Lompscher (Linkspartei.PDS), Gesundheitssenatorin Berlin
„Die Alternative für diese Menschen ist eben ein kürzeres, schlechteres Leben. Und sozusagen in dem ganzen Dunstkreis der illegalen Drogen gefangen zu sein. Weil eine Methadonbehandlung hilft denen schlicht und einfach nicht mehr. Die würden schlicht früher sterben.“
Für die bundesweite Ausweitung der Heroin-Vergabe für Schwerstabhängige müsste der Bundestag das Betäubungsmittelgesetz ändern. Doch die CDU sperrt sich. Die Modellprojekte sollen zwar weiterlaufen, doch Heroin als Medikament zuzulassen – das lehnt die Bundestagsfraktion ab.
Volker Kauder, (CDU), Vorsitzender Bundestagsfraktion
„Die SPD wollte, dass dieses Programm zum Regelprogramm wird. Das, haben wir gesagt, machen wir nicht mit. Und insofern gibt es keinerlei Ausweitung. Der Staat wird nicht Dealer, die Union bleibt bei ihren festen Zielen, bei ihrem festem Programm.“
Die Verlängerung des Heroin-Projekts in Städten wie Hamburg ist ein Zugeständnis. Damit beendet die CDU die Debatte. Und behält ihr Image als Anti-Drogenpartei.
Und die Berliner CDU? Die Erfolge der Heroin-Therapie bestreitet die Partei nicht, meint aber: Die Zulassung als Medikament wäre ein falsches Signal.
Mario Czaja (CDU), Mitglied des Abgeordnetenhauses
„Und aus dieser Abwägung heraus sind wir der Auffassung, dass man das Betäubungsmittelgesetz, um was es ja hier geht, nicht erweitern sollte um eine neue Droge, die im Grunde in Teilen legalisiert wird.“
Prof. Christian Haase, der Leiter der Heroin-Studie kann die Argumente der CDU nicht nachvollziehen. Denn bei der kontrollierten Heroin-Vergabe geht es nicht um die Legalisierung einer Droge.
Christian Haasen, Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung
„Es geht um die Zulassung eines Medikamentes und die Einführung einer neuen Behandlungsmethode für eine Gruppe von Schwerstabhängigen, die intensivmedizinisch behandelt werden müssen. Insofern gibt es hier keine Signalwirkung in die Drogenszene, dass irgend etwas verharmlost wird.“
Doch die CDU hat sich festgelegt. In Berlin ändert sich also nichts. Die Drogen-Szene bleibt, die Beschaffungskriminalität bleibt, die Dealer bleiben. Und den Abhängigen wird eine wirksame Behandlung vorenthalten.
Heroinabhängiger
„Irgendwann hörst du wieder: Ach der, der ist tot oder die ist tot. Ja, das ist einfach der Mehrfachkonsum, manchmal kannst du es nicht abschätzen, du kriegst was Besseres oder du kriegst so einen Müll, dass du an dem Müll draufgehst. Klar, es tut weh, wenn du dann jemanden auch noch persönlich kanntest.“