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Seit August erschüttert die brandenburgische Stadt Neuruppin ein Skandal. Es geht um Drogenhandel, osteuropäische Zwangsprostituierte, illegales Glücksspiel. Die Ermittler glauben, dass die inhaftierten Bandenmitglieder Verbindungen in die Politik, die Verwaltung und die Polizei hatten. Bilanz einer mafiösen Struktur.
Es fing klein und ganz harmlos an. Vor drei Jahren in Frankfurt/Oder: ein Drogendealer wurde verurteilt, Spuren führten ins Städtchen Neuruppin. Heute stellt sich heraus: in Neuruppin geht es zu wie in Sizilien, eine regelrechte Mafia hat die Stadt fest im Griff: Kriminelle, Unternehmer, Politiker – alle sitzen mit im Boot. Der Kopf der Bande: ein einstiger Imbissbesitzer mit Blitzkarriere in der CDU, bis vor kurzem saß er im Wirtschaftsausschuss der Stadt. Gabi Probst über italienische Verhältnisse im Brandenburger Land.
Olaf Kamrath, 38 Jahre aus Neuruppin. Ein sozial engagierter Unternehmer und Kommunalpolitiker. Zwar war so manchem Bürger sein Geschäft mit Glücksspielautomaten und Bordellen suspekt, doch dem erfolgreichen Geschäftsmann kam in der Fontanestadt keiner in die Quere. Schließlich sanierte Olaf Kamrath auch marode Häuser, war gerade dabei einen Hafen für zehn Millionen Euro zu bauen. Er sorgte für Arbeit in der Stadt und war bei Politikern gern gesehen.
Reinhard Sommerfeld, Stadtverordneter Initiative Neuruppin
"Herr Kamerath war mir bekannt als Investor, hat Arbeitsplätze geschaffen - nicht wenig sogar - und war sehr spendenfreudlich."
Margarethe zum Jungblut, Bürgermeisterin Neuruppin
“Er war bei mir auch im Sozialausschuss, hat dort, wenn es zum Beispiel um Jugendarbeit ging, er hat ja auch die Fischbüchse unterstützt, also seine Jugendeinrichtung bei uns."
Seit dem 18.August spricht die Stadt über Olaf Kamrath nun vom „Paten von Neuruppin“. Seit dem Tag, als Polizei und Staatsanwaltschaft ihn verhafteten und während einer Großrazzia in seinen Geschäfts- und Wohnräumen Unterlagen beschlagnahmten. Und Kamrath war nicht der Einzige: Sieben Verhaftungen gab es bislang, rund 100 Bürger der Kleinstadt sind inzwischen im Visier der Staatsanwaltschaft. Wegen Bestechung unter Verdacht: auch zwei Mitarbeiter aus dem Rathaus, die direkt an ihrem Arbeitsplatz verhaftet wurden.
Margarethe zum Jungblut, Bürgermeisterin Neurupping
“Das war für alle unglaubhaft, auch bei uns hier im Haus, bei allen Mitarbeitern, die konnten sich das nicht vorstellen, weil Herr Groth wurde ja auch direkt mit Handschellen abgeführt.“
In Neuruppin spricht man von Kamrath und Co von der XY-Bande benannt nach ihren ausgewählten Autokennzeichen, die sie für jeden in der Stadt erkennbar machten. Ermittelt wird wegen illegalen Glückspiels, illegaler Prostitution, aber vor allem wegen Kokainhandels in großen Mengen. Und das ist der Hauptbelastungszeuge: Mario Liszka. Sein Leben ist bedroht. Er ist im Zeugenschutzprogramm der Justiz, wird von vermummten SEK-Beamte bewacht. Und das selbst im Gerichtssaal, der der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. Mario Liszka half Kamrath und Co. bei ihren Drogengeschäften. In seinem Haus, bei Neuruppin und in einer Wohnung in Neustadt wurde er monatlich mit einem Kilogramm Kokain beliefert. Die Droge hat er dann gestreckt und in der Bar von Olaf Kamrath abgeliefert. Liszka erklärt exclusiv für Klartext, wie das Geschäft funktionierte:
Mario Liszka
“Das erste Mal kamen Kamrath und Dumrath rüber. Da wurde mir gezeigt, wie das zusammengemischt wird“.
KLARTEXT
„Wo haben Sie dann das Zeug hingebracht?“
Mario Liszka
„In Frankys Bar.“
KLARTEXT
„In dem Blue Banana?“
Mario Liszka
„Genau, also damals Frankys Bar. Hab’s versteckt auf dem Klo und bin dann wieder abgehauen. Auf dem Damenklo, hinter dem Spülkasten. So ein abnehmbarer Spülkasten war das. Dafür habe ich dann monatlich 3000 Mark gekriegt.“
Auch ein Anwalt dieser Neuruppiner Kanzlei soll nach Auffassung der Staatsanwaltschaft mit der XY-Mafia verbandelt sein. Der Kronzeuge kann sich an die Eröffnungsparty der Büroräume erinnern:
Kronzeuge
"Ich war nur ein paar Minuten da gewesen. Ich habe ‚ne Bestellung hingebracht.“
KLARTEXT
„Welche Bestellung?“
Kronzeuge
„Na, 100 Gramm Kokain.“
Die Staatsanwaltschaft durchsuchte auch die Büros. Gegenüber Klartext will er sich der Anwalt nicht äußern. Im Januar 2002 kommt Mario Liszka schließlich ins Gefängnis. Durch einen Zufall wird er mit 1,3 kg Kokain erwischt. Doch Liszka verrät seine Geschäftspartner nicht. Das war so vereinbart.
Mario Liszka
“Wenn mal irgendwas sein sollte, das ich die Schuld da auf mich nehme. Und dafür kriege ich dann 100.000 DM.“
Als die Polizei am 18. August die XY-Bande hochgehen lässt, bricht er sein Schweigen. Der Grund statt der vereinbarten 100.000 DM Schweigegeld wurde er nur mit ein paar hundert Euro abgespeist. Nun sitzt auch sein ehemaliger Auftraggeber, Olaf Kamrath im Gefängnis. Doch trotz Untersuchungshaft: die Macht des Paten aus Neuruppin scheint ungetrübt. Der Kronzeuge Mario Liszka fühlt sich durch anonyme Drohungen unter Druck. Er vermutet, dass Olaf Kamrath mit gestreuten Informationen in den Medien versucht, ihn unglaubwürdig zu machen. Der Vorwurf: Mario Liszka wäre ein Totschläger. Doch die Staatsanwaltschaft bestätigt das nicht, hat am Freitag die mutmaßlichen Täter verhaftet.
Joachim Desens, Staatsanwaltschaft
“Gegen die XY-Bande wird wegen Handels mit Betäubungsmitteln ermittelt. Ein Zusammenhang mit dem Neuruppin-Totschlagverfahren besteht nicht. Soweit es in den vergangenen Tagen in Presseberichten anders lautende Auskünfte gegeben hat, basieren die nicht auf Auskünften der Staatsanwaltschaft.“
Neuruppin und die XY-Bande – über 100 Verdächtige, sieben Verhaftungen und das alles in einer Brandenburgischen Kleinstadt. Der Prozess gegen Olaf Kamrath und die XY-Bande beginnt im Februar nächsten Jahres - wenn der Kronzeuge bis dahin durchhält.
Olaf Kamrath, 38 Jahre aus Neuruppin. Ein sozial engagierter Unternehmer und Kommunalpolitiker. Zwar war so manchem Bürger sein Geschäft mit Glücksspielautomaten und Bordellen suspekt, doch dem erfolgreichen Geschäftsmann kam in der Fontanestadt keiner in die Quere. Schließlich sanierte Olaf Kamrath auch marode Häuser, war gerade dabei einen Hafen für zehn Millionen Euro zu bauen. Er sorgte für Arbeit in der Stadt und war bei Politikern gern gesehen.
Reinhard Sommerfeld, Stadtverordneter Initiative Neuruppin
"Herr Kamerath war mir bekannt als Investor, hat Arbeitsplätze geschaffen - nicht wenig sogar - und war sehr spendenfreudlich."
Margarethe zum Jungblut, Bürgermeisterin Neuruppin
“Er war bei mir auch im Sozialausschuss, hat dort, wenn es zum Beispiel um Jugendarbeit ging, er hat ja auch die Fischbüchse unterstützt, also seine Jugendeinrichtung bei uns."
Seit dem 18.August spricht die Stadt über Olaf Kamrath nun vom „Paten von Neuruppin“. Seit dem Tag, als Polizei und Staatsanwaltschaft ihn verhafteten und während einer Großrazzia in seinen Geschäfts- und Wohnräumen Unterlagen beschlagnahmten. Und Kamrath war nicht der Einzige: Sieben Verhaftungen gab es bislang, rund 100 Bürger der Kleinstadt sind inzwischen im Visier der Staatsanwaltschaft. Wegen Bestechung unter Verdacht: auch zwei Mitarbeiter aus dem Rathaus, die direkt an ihrem Arbeitsplatz verhaftet wurden.
Margarethe zum Jungblut, Bürgermeisterin Neurupping
“Das war für alle unglaubhaft, auch bei uns hier im Haus, bei allen Mitarbeitern, die konnten sich das nicht vorstellen, weil Herr Groth wurde ja auch direkt mit Handschellen abgeführt.“
In Neuruppin spricht man von Kamrath und Co von der XY-Bande benannt nach ihren ausgewählten Autokennzeichen, die sie für jeden in der Stadt erkennbar machten. Ermittelt wird wegen illegalen Glückspiels, illegaler Prostitution, aber vor allem wegen Kokainhandels in großen Mengen. Und das ist der Hauptbelastungszeuge: Mario Liszka. Sein Leben ist bedroht. Er ist im Zeugenschutzprogramm der Justiz, wird von vermummten SEK-Beamte bewacht. Und das selbst im Gerichtssaal, der der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. Mario Liszka half Kamrath und Co. bei ihren Drogengeschäften. In seinem Haus, bei Neuruppin und in einer Wohnung in Neustadt wurde er monatlich mit einem Kilogramm Kokain beliefert. Die Droge hat er dann gestreckt und in der Bar von Olaf Kamrath abgeliefert. Liszka erklärt exclusiv für Klartext, wie das Geschäft funktionierte:
Mario Liszka
“Das erste Mal kamen Kamrath und Dumrath rüber. Da wurde mir gezeigt, wie das zusammengemischt wird“.
KLARTEXT
„Wo haben Sie dann das Zeug hingebracht?“
Mario Liszka
„In Frankys Bar.“
KLARTEXT
„In dem Blue Banana?“
Mario Liszka
„Genau, also damals Frankys Bar. Hab’s versteckt auf dem Klo und bin dann wieder abgehauen. Auf dem Damenklo, hinter dem Spülkasten. So ein abnehmbarer Spülkasten war das. Dafür habe ich dann monatlich 3000 Mark gekriegt.“
Auch ein Anwalt dieser Neuruppiner Kanzlei soll nach Auffassung der Staatsanwaltschaft mit der XY-Mafia verbandelt sein. Der Kronzeuge kann sich an die Eröffnungsparty der Büroräume erinnern:
Kronzeuge
"Ich war nur ein paar Minuten da gewesen. Ich habe ‚ne Bestellung hingebracht.“
KLARTEXT
„Welche Bestellung?“
Kronzeuge
„Na, 100 Gramm Kokain.“
Die Staatsanwaltschaft durchsuchte auch die Büros. Gegenüber Klartext will er sich der Anwalt nicht äußern. Im Januar 2002 kommt Mario Liszka schließlich ins Gefängnis. Durch einen Zufall wird er mit 1,3 kg Kokain erwischt. Doch Liszka verrät seine Geschäftspartner nicht. Das war so vereinbart.
Mario Liszka
“Wenn mal irgendwas sein sollte, das ich die Schuld da auf mich nehme. Und dafür kriege ich dann 100.000 DM.“
Als die Polizei am 18. August die XY-Bande hochgehen lässt, bricht er sein Schweigen. Der Grund statt der vereinbarten 100.000 DM Schweigegeld wurde er nur mit ein paar hundert Euro abgespeist. Nun sitzt auch sein ehemaliger Auftraggeber, Olaf Kamrath im Gefängnis. Doch trotz Untersuchungshaft: die Macht des Paten aus Neuruppin scheint ungetrübt. Der Kronzeuge Mario Liszka fühlt sich durch anonyme Drohungen unter Druck. Er vermutet, dass Olaf Kamrath mit gestreuten Informationen in den Medien versucht, ihn unglaubwürdig zu machen. Der Vorwurf: Mario Liszka wäre ein Totschläger. Doch die Staatsanwaltschaft bestätigt das nicht, hat am Freitag die mutmaßlichen Täter verhaftet.
Joachim Desens, Staatsanwaltschaft
“Gegen die XY-Bande wird wegen Handels mit Betäubungsmitteln ermittelt. Ein Zusammenhang mit dem Neuruppin-Totschlagverfahren besteht nicht. Soweit es in den vergangenen Tagen in Presseberichten anders lautende Auskünfte gegeben hat, basieren die nicht auf Auskünften der Staatsanwaltschaft.“
Neuruppin und die XY-Bande – über 100 Verdächtige, sieben Verhaftungen und das alles in einer Brandenburgischen Kleinstadt. Der Prozess gegen Olaf Kamrath und die XY-Bande beginnt im Februar nächsten Jahres - wenn der Kronzeuge bis dahin durchhält.