Matthias Platzeck und Klaus Wowereit (Quelle: rbb)
(Quelle: rbb)

- Berlin und Brandenburg in der Beziehungskrise

Die Fusionsbemühungen zwischen Berlin und Brandenburg sind auf dem Tiefststand angekommen. Vor dem Verwaltungsgericht streiten die Länder kosten- und personalintensiv über die Entsorgungskosten eines klärschlammverseuchten Grundstücks, das Berlin von Brandenburg übernommen hat. Mediation, kleiner Dienstweg - keine Spur: Jeder beharrt auf seinem Recht. Die gemeinsame Wirtschaftsförderung wurde schon Anfang des Jahres aufgegeben. Politischer Theaterdonner und wechselseitige Schuldzuweisungen, dabei ist doch allen Experten klar: Die beiden Länder bilden eine gemeinsame Wirtschaftsregion.

Heutzutage ist die romantische Liebe das große Ideal. Heiraten ist Herzenssache. Doch das birgt Risiken. Die Scheidungsquoten steigen seit Jahren. Vielleicht ist das alles Quatsch mit der Romantik. Vielleicht hätte eine Ehe nach dem Vernunftprinzip mehr Zukunft. So hatte man sich das auch bei der „Länder-Ehe“ zwischen Berlin und Brandenburg gedacht. Nicht aus Liebe, sondern aus Vernunft. Aber auch da kracht es andauernd, und zwar schon in der Verlobungsphase. Mittlerweile kämpft man sogar schon vor Gericht gegeneinander. Das ist nicht nur schade, sondern richtig ärgerlich. Katrin Aue und Sascha Adamek über die neueste Beziehungskrise – noch vor der Hochzeit – falls es überhaupt noch eine gibt.

Klaus Wowereit (SPD), Regierender Bürgermeister Berlin
„Wo ist die Braut?“

Berlins Regierender auf Brautschau, kürzlich in Potsdam. Eine einträchtige Bootsfahrt ist die Idee. Der inszenierten Versöhnung soll nichts mehr im Wege stehen.

Doch das Lächeln wirkt gequält. Denn eigentlich sind die Länder Berlin und Brandenburg einander schon seit Ewigkeiten versprochen. Nur Platzecks Landeskinder zieren sich. Angeblich.

Matthias Platzeck (SPD), Ministerpräsident Brandenburg
28.06.2007

„Versuchen wir doch mal, alle zusammen, die Menschen, gerade in Brandenburg, nicht jeden Tag mit der Frage: „Wann gibtŽs den nächsten Fusionstermin?“ zu verschrecken, zu verstören, sondern lasst einfach gute Ergebnisse mal wirken. Einfach mal wirken lassen. Die Arbeit, die wir weiter gemeinsam machen wollen, auch mal mit ein bisschen Zeit versehen, dass Menschen spüren: Jawoll, die wollen hier zusammen was wuppen. Und das muss man einfach mal erdulden, dass das nicht innerhalb von Monaten geht, sondern schon Jahre braucht.“

Arm ist sexy!

Ein schwarzer Tag für Berlin, im vergangenen Oktober. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe beschließt das Unvorstellbare: Berlin darf nicht mehr betteln gehen. Dabei hat der Regierende kurz vorher noch kokettiert, seine Stadt sei „arm, aber sexy“.

Die Braut in spe wiederum findet das angesichts des Berliner Schuldenbergs gar nicht witzig und sagt die Hochzeit ab.

Matthias Platzeck (SPD), Ministerpräsident Brandenburg:
19.10.2006

„Also im Moment sehe ich die nicht, und das muss jedem, der sich die Finanztableaus anguckt, wirklich klar sein: Wir brauchen eine Mehrheit bei einer Volksabstimmung, und die kriegt man mit 60 Milliarden Schulden nun wahrlich nicht.“

Bloß nicht zusammenziehen!

Dabei war schon das Vorspiel viel versprechend. Um die Reize der Hauptstadtregion für Investoren aus nah und fern herauszustellen, wollte man sich zusammentun.

Diesen Job erledigen zurzeit noch zwei getrennte Agenturen, in Brandenburg die Zukunftsagentur und in Berlin die Gesellschaft Berlin Partner. Jede für sich natürlich mit Steuergeldern finanziert. Immerhin: die ZAB kassiert 5,2 Millionen Euro jährlich, die Berlin Partner 2,4 Millionen. Doch angesichts des Zauderns in Potsdam pokert seit kurzem auch der Kavalier aus Berlin.

Klaus Wowereit (SPD), Regierender Bürgermeister Berlin 05.06.2007
„Die Wirtschaftsfördergesellschaften zusammenzubringen macht aus meiner Sicht zum jetzigen Zeitpunkt wenig Sinn, weil es gibt noch eine Konkurrenzsituation, und ich möchte Einfluss haben auf unsere Wirtschaftsförderorganisation.“

Wir suchen Trauzeugen, die sich auskennen mit den Brautleuten. Hartmann Kleiner von der Unternehmervereinigung Berlin-Brandenburg macht sich Sorgen über das Hü und Hott. Er hält das voreheliche Drama schlicht für geschäftsschädigend.

Hartmann Kleiner, Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg
„Ich habe das Gefühl, dass es gegenwärtig möglicherweise auf beiden Seiten der Havel etwas zu viel persönliche Strömungen gibt, die dann auf die gemeinsame Sache unglücklicherweise abfärben. An der Richtigkeit eines Zusammenschlusses der beiden Wirtschaftsfördergesellschaften hat sich ja eigentlich überhaupt nichts geändert.“

Vor allem, weil Menschen und Unternehmen die Landesgrenzen längst überwunden haben: eine Abstimmung mit Füßen und Rädern.

Hartmann Kleiner, Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg
„Berlin und Brandenburg bilden eine einheitliche Wirtschaftsregion. Sie haben im Wesentlichen einheitliche Rahmenbedingungen und Unternehmen, die in diese Regionen kommen wollen, denen ist es eigentlich völlig egal, ob es eine Stadtgrenze gibt oder nicht.“

Auf in die Schlammschlacht!

Und hier vor dem Landgericht Potsdam spielt das jüngste Kapitel in der Beziehungskrise. Dabei handelt es sich um eine Gütertrennung der besonderen Art.

Im Jahr 2003 hat das Land Berlin dieses Grundstück von Brandenburg zurückerklagt. Doch es wittert Verrat: Denn kaum hatte Berlin das Stück Land in Großbeeren zurück, musste es für gut eine halbe Million Euro Klärschlämme entsorgen, die ein Unternehmen vorher hier hinterlassen hatte. Eine böse Überraschung für den jetzigen Eigentümer.

Jetzt klagt Berlin gegen Brandenburg, will die halbe Million für die Beseitigung des Klärschlamms zurück. Dabei sitzen doch in den Büros beider Landesregierungen hoch bezahlte Juristen, die so einen Streit vielleicht hätten klären können. Auch ohne Gerichts- und Anwaltskosten von jetzt schon gut 40.000 Euro. Doch die Streithähne wollen partout nicht einlenken.

Peter Hecktor, Betriebsgesellschaft Stadtgüter Berlin mbH
„Uns waren ab einem bestimmten Zeitpunkt die Hände gebunden, es drohte der Anspruch zu verjähren, und dann hätten wir auch gar keine Möglichkeiten mehr gehabt, über die Sache zu verhandeln.“
KLARTEXT
„Das heißt: Das Land Brandenburg hat blockiert?“
Peter Hecktor, Betriebsgesellschaft Stadtgüter Berlin mbH
„Das Land Brandenburg hat immerhin dazu beigetragen, dass wir irgendwann Klage einreichen mussten.“

Bernhard Remde, Umweltministerium Brandenburg
„Wir haben dem Land Berlin sehr deutlich gemacht, dass wir hier keine Ansprüche seitens des Landes erkennen können. Deswegen ist es schon etwas unverständlich, dass dann doch Klage eingereicht wurde.“

Der Karren ist im Dreck, meint Anwalt Martin Karnetzki. Eine Klage wie diese sei typisch für eine zerrüttete Beziehung.

Martin Karnetzki, Scheidungsanwalt
„Normalerweise ist so etwas geeignet für die außergerichtliche Streitbeilegung, die so genannte Mediation, die auch gerade von den Justizministerien beider Bundesländer immer wieder befürwortet wird. Wenn die jetzt hier selber betroffen sind, schaffen die das offenbar nicht. Das erinnert mich sehr stark an ein familienrechtliches Verfahren. Wenn eine Ehe kaputtgeht, dann setzt der Verstand aus, und dann wird alles knallhart durchgezogen.“

Die Verlobung – ist sie gescheitert? Dabei würde sie, so schätzen Experten, jährlich bis zu 500 Millionen Euro Verwaltungskosten sparen – viel Geld für Schulen, Krankenhäuser und Jugendclubs.

Sollte das Brautpaar die Hochzeit vermasseln, käme das ihre Landeskinder teuer zu stehen.