Ralf Christoffers (Die Linke), Quelle: rbb

- Brandenburgs wunderliche Förderpolitik - Millionen Steuergelder für dubiose und vorbestrafte Betrüger

Ein Wirtschaftsminister legt sich ins Zeug und die landeseigene Bank ILB versäumt offenbar die genaue Überprüfung des Fördergeldempfängers. Nun sind 6,5 Millionen Steuergeld weg.

Anmoderation
In der vergangenen Sendung haben wir darüber berichtet, dass der brandenburgische Wirtschaftsminister Ralf Christoffers offenbar Druck auf die landeseigene Investitionsbank ausgeübt hat, um einem dubiosen Unternehmen in Luckenwalde Fördergelder auszahlen zu lassen. Bisher hat der Minister das immer bestritten. Doch bei unseren Recherchen, die uns bis in die USA führten, stießen wir nun auf weitere abenteuerliche Details, die diesen Verdacht zu bestätigen scheinen. Gabi Probst

Der Wirtschaftsminister Ralf Christoffers lädt nicht zur Pressekonferenz in sein Haus ein, nein, nur zum Hintergrundgespräch. Das ist ein Gespräch, bei dem eigentlich Klartext geredet wird, der Journalist die Informationen aber nicht veröffentlichen darf. Der Journalist soll mit Hintergrundwissen versorgt werden, um die Entscheidungen des Ministers besser zu verstehen.

Eigentlich ging es ausschließlich um die KLARTEXT-Sendung zur Fördermittelvergabe an die seit eineinhalb Jahren im Visier der Staatsanwaltschaft stehenden Firma Human BioSciences, kurz HBS, aus Luckenwalde und darum, ob der Minister – wie zuvor KLARTEXT berichtete – bei dieser Entscheidung Druck auf die Landesbank, ILB geübt habe. Aber mit uns Klartext reden, wollte er nicht. Wir waren nicht eingeladen, sind aber trotzdem hingegangen.

Doch leider gab es auf unsere konkreten Fragen keine Antworten. Man könne sich nicht
an alle Details erinnern, hieß es hinter der verschlossenen Tür. Stattdessen
Rechtfertigungen und im Anschluss ein offizielles Statement vom Minister:

Frage
"Haben Sie in irgendeiner Form persönlich auf diesen Förderfall Einfluss genommen?
Waren Sie damit vertraut?"

Ralf Christoffers (Die Linke)
Minister für Wirtschaft und Europaangelegenheiten
"Nein, ich bin mit dem Verfahren selbstverständlich nicht persönlich vertraut. Es gab
keine Weisung, es gab auch keinen Druck meinerseits oder aber von Mitarbeitern des
Wirtschafts- und Europaministeriums gegenüber der ILB, in irgendeiner Form eine
Entscheidung zu priorisieren."

Kein Druck auf die ILB seinerseits? Und auch nicht aus seinem Ministerium in
irgendeiner Form? Das recherchieren wir anders.

HBS wollte 40 Millionen Euro in ein Werk in Luckenwalde investieren, um besonders
heilsame Wundpflaster herzustellen. Eine absolute Neuheit hieß es. Dafür wollte das
Wirtschaftsministerium 13,6 Millionen Euro spendieren, Steuergeld. Im April 2011 zahlte
die ILB 3,3 Millionen Euro.

Doch die nächsten Gelder wollte die ILB nicht mehr an die HBS zahlen. Von dem schon gezahlten Geld seien angeblich so genannte Gefriertrockner zur Herstellung der Wundpflaster gekauft worden sein. Die Rechnungen dafür kamen der ILB aber gefälscht vor. Sie verhing Anfang 2012 einen Zahlungsstopp und informierte sogar die Staatsanwaltschaft über einen eventuellen Betrug.

Im Sommer 2012 eskalierte jedoch der Förderfall. Obwohl HBS für alle Beteiligten
sichtbar nach dem Richtfest im Juni 2012 nicht mehr weiterbaute, weil kein avisierter
Investor da ist, schaltete sich die Büroleiterin des Ministers, Frau Dr. Heuser ein, und
schickte einen Beamten aus dem Haus in die Spur, um bei der ILB Druck zu machen.
So schrieb dieser Beamte den Verantwortlichen bei der ILB, unter anderem an Frau Dr.
Sebbin, Zitat:

"..dass sich Herr Rechtsanwalt Eggers von der HBS über die schleppende Arbeitsweise
der ILB beschwert habe und die anstehende Auszahlung der Fördermittel anmahne."
und weiter:
"Ich bitte auf die Hinweise von Herrn Eggers einzugehen und einen weiteren Vorschlag
zum weiteren Vorgehen bis heute 15h."

Bis heute 15 Uhr! Damit wurden der ILB sogar Fristen gesetzt! Aber wie war das
noch einmal?

Ralf Christoffers (Die Linke)
Minister für Wirtschaft und Europaangelegenheiten
"Es gab auch keinen Druck meinerseits oder aber von Mitarbeitern des Wirtschafts- und Europaministeriums gegenüber der ILB."

Doch Frau Dr. Sebbin von der ILB antwortete und blieb zunächst hart, Zitat:
"….die bisher vorliegenden Gutachten …lassen uns zu dem Schluss kommen,…dringend von weiteren Zahlungen Abstand zu nehmen."

Und so musste der Beamte Keil der Büroleiterin Frau Dr. Heuser leider mitteilen, dass die ILB "Herrin des Verfahrens ist und er keine Möglichkeit" sehe, den Vorgang zu beschleunigen.
Der genannte Rechtsanwalt Karsten Eggers von der HBS und die Chefs, der Inder Manoj K. Jain und der Holländer Michael de Mari, hatten dann mehr Glück bei Minister Christoffers selbst. Drei Mal nimmt der Minister sich Zeit für ein persönliches Treffen.
Das letzte Mal, am 26. September 2012, sogar während der Landtagsitzung. Ihm war
der Fall wohl so wichtig, dass er den Saal verlässt und sich Zeit für die Herren nahm,
obwohl Landtagssitzungen ganztätig sind. Von diesem Termin gibt es sogar ein
Protokoll. Nur zwei Tage später wies die ILB 3,2 Millionen Euro an. Wie war das noch
einmal?

Ralf Christoffers (Die Linke)
Minister für Wirtschaft und Europaangelegenheiten
"Nein, ich bin mit dem Verfahren selbstverständlich nicht persönlich vertraut."

Trotzdem! Sowohl bei dem Hintergrundgespräch für die Journalisten als auch vor ein
paar Tagen in der Sondersitzung vom Wirtschaftsausschuss des Landtages nimmt der
Chef der ILB, Tillmann Stenger, den Minister in Schutz und bestätigt, dass die ILB nicht
unter Druck gesetzt worden sei. Merkwürdig! Doch wir ahnen vielleicht warum:
Wir recherchieren nämlich, dass die ILB auch Fehler gemacht hat und zumindest die
letzten 3,2 Millionen Fördergelder – ob mit oder ohne Druck – nie hätte auszahlen
dürfen. Aus mehren Gründen.

Erstens: die HBS war insolvent. Das erfahren wir auf Nachfrage beim
Insolvenzverwalter. Insolvent und das schon zum Zeitpunkt der Auszahlung der zweiten
Fördermillionen. Mehr als zwei Jahre lang bezahlte HBS schon nicht mehr seine Baufirmen rechtzeitig, Projektleiter und Architekten.

KLARTEXT
"Seit wann kann man davon ausgehen, dass die insolvent waren?"
Joachim Voigt-Salus
Insolvenzverwalter Human BioSciences

"Die Insolvenzreife muss nach den objektiven Umständen Mitte 2012 eingetreten sein, es bestanden insbesondere Werklohnansprüche der Bauunternehmen. Diese haben wegen ihren Ansprüchen Sicherungshypotheken im Grundbuch mittels der Vormerkung eintragen lassen."

Also noch vor September 2012 zahlungsunfähig! Demnächst wird gegen HBS wegen
Insolvenzverschleppung ermittelt. Für Experten unverständlich, dass Ende September
2012 das Steuergeld von der ILB angewiesen wurde.

Prof. Hans-Peter Schwintowski
Wirtschafts- und Bankenrechtsexperte, HU
"Also wenn Insolvenz eingetreten ist, dann kann ja der Förderzweck nicht mehr
erreicht werden. Dann fällt, so nennen es die Juristen, die Geschäftsgrundlage für die
Zahlung weg. Es darf der Fördergeldgeber dann auch nicht zahlen. Nach meiner Meinung müssen in so einer Situation die Alarmglocken läuten, weil es ja überhaupt keine Erklärung dafür gibt, dass ein Unternehmen, ein Richtfest, ich glaube im Juni feiert und dann bis Ende September überhaupt nicht weiter baut, obwohl das die Zeit ist, wo man sinnvoller Weise Fabriken baut."

Nach unseren Recherchen hatte HBS von Anfang an kein gesichertes Eigenkapital und
auch keine Bankbürgschaften nachgewiesen. Zweitens: Der Firmengründer ist verurteilter Steuergeldbetrüger.

Wir recherchieren, dass der Firmengründer und Geschäftspartner der ILB, Dr. Jain, ausgerechnet wegen Fördermittelbetruges in den USA vorbestraft ist. Nur ausgesetzt auf neun Monate Bewährung, weil er geständig war.

Das alles findet man im Internet. Sein Geständnis bei der Staatsanwaltschaft kann man
vom Gericht in den USA problemlos anfordern. Auf Nachfrage im Ausschuss muss der
ILB-Chef zugeben, dass er von der Verurteilung vor der Auszahlung gewusst habe. Und
der Minister sei seit 2011 über alle Vorgänge informiert worden. Unglaublich.

Übrigens soll Dr. Jain auch Abgeordnete in den USA bestochen und sich so
Fördergelder erschlichen haben, recherchieren wir ausführlich in einer Zeitung. Warum
vertraut man so einem Mann nun ausgerechnet Millionen Brandenburger Steuergelder
an? Kein Interview von der ILB für uns.

Drittens. Wundpflaster offenbar ein Fake. Vor ein paar Tagen hatten wir den Geschäftsführer von HBS in Luckenwalde, Michael de Mari gefragt, was die Weltneuheit an diesen Wunderpflastern sei.

Michael de Mari
Human BioSciences
"Wenn man eine Wunde hat, dann wird das geheilt, hier haben wir ein Produkt, was Heilung mithilft, so dass da die Zellen ganz einfach in die Matrix einwachsen können und deswegen einen schnelleren Heilungsprozess hat."

Wir haben dieser Erklärung misstraut und recherchieren eher Gegenteiliges.

Ende 2011 nahm ein Beamter der Gesundheitsbehörde in den USA das Unternehmen und das Produkt unter die Lupe und warnte danach öffentlich vor den Versprechungen von HBS zu den Wundpflastern. Die Behörde erteilte Verbote. Sie untersagte HBS, dass sie nicht behaupten dürfen, Zitat:

"dass die Nutzung der Pflaster zur schnelleren Wundheilung führt, dass sie nicht als künstliche Haut oder zum langfristigen Gebrauch benutzt werden dürfen (und) dass ihre Pflaster überhaupt nicht als 'Behandlungsmittel oder Heilmittel für jegliche Art von Wunde' bezeichnet werden dürfen…"

Auch unglaublich.

Gestern waren wir in der angeblichen Fabrik in den USA. Hier produzieren übrigens genau zwei Mitarbeiter, acht verpacken lediglich die Pflaster. Das alles haben wir an einem Tag recherchiert. Hat die ILB das nicht auch überprüft? Kein Interview für uns!
Sie halten nun zusammen, der Minister und der ILB-Chef. Offensichtlich haben sie gute Gründe. Wir fragen uns vor allem, warum sich der Minister insgesamt drei Mal mit
dubiosen Fördermittelempfängern trifft und ihnen auch noch hilft.

Jain und die Mari sitzen jetzt jedenfalls in einem brandenburgischen Gefängnis. Vor ein paar Tagen durchsuchte die Staatsanwaltschaft Potsdam auch die Kanzlei des Rechtsanwalts Karsten Eggers und beschlagnahmte Akten. Gegen ihn wird – genauso wie gegen die anderen – wegen Betruges im besonders schweren Fall ermittelt. Na dann Adieu, 6,5 Euro Millionen Steuergelder…

Abmoderation
Vor wenigen Stunden hat die Investitionsbank des Landes Brandenburg nun erklärt, sowohl der Bank als auch dem Wirtschaftsministerium hätten Ende September 2012 keine Anzeichen vorgelegen, dass das Unternehmen insolvent war. Wäre dies der Fall gewesen, hätte es keine Auszahlung gegeben. Unsere Empfehlung: da hätte man schon lange vorher mal gründlicher hinschauen müssen!

Beitrag von Gabi Probst