Pressekonferenz linker Gruppierungen (Quelle: rbb)
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- Mai-Krawalle - Wer stoppt die linksradikalen Gewalttäter?

Nach den Mai-Krawallen ist klar: die Autonomen schrecken auch vor schwerer Körperverletzung nicht zurück. Hat die Politik die Gefahr unterschätzt? Gehören solche Demonstrationen verboten?

Die heftigen Krawalle am 1. Mai in Berlin haben gezeigt: Linksextreme Gruppierungen schrecken auch vor schwerer Körperverletzung nicht mehr zurück. 289 Randalierer wurden bei den Auseinandersetzungen am 1. Mai festgenommen, vier von ihnen wirft die Staatsanwaltschaft versuchten Mord an Polizisten vor. Das Gewaltpotential durch linke Extremisten hat bedenklich zugenommen. Andrea Everwien und André Kartschall mit einer Analyse.

Der 1. Mai 2009 in Kreuzberg: Am Anfang ein friedliches Myfest – danach Krawall wie schon lange nicht mehr. Die Bilanz dieses Jahres: angeblich über 600 Verletzte.

Was ist passiert?

Kirill Jermak ist 21 Jahre alt, Mitglied der Partei „Die Linke“. Jermak hat die 1. Mai-Demonstration offiziell angemeldet und sie geleitet.

Kirill Jermak, Demonstrationsanmelder
„Ich will das gute Leben für alle. Das ist der Grund, warum ich Politik mache.“

Pressekonferenz zur Vorbereitung des 1. Mai: angeblich der Grund, warum es das „gute Leben für alle“nicht gibt: der Kapitalismus.

Jonas Schiesser, Revolutionäres 1. Mai-Bündnis
„Die revolutionäre1. Mai-Demonstration findet in diesem Jahr in einem aufgeladenen politischen Klima statt. Angesichts der kapitalistischen-ökonomischen Krise und damit verbundener drohender Massenentlassungen.“

Die Krise kommt gerade recht – nur zu gern bemüht Schiesser den Vergleich mit der Weltwirtschaftskrise von 1929.

Jonas Schiesser, Revolutionäres 1. Mai-Bündnis
„Erinnern wollen wir mit der Demonstration jedoch auch an den Berliner Blutmai vor 90 Jahren, 1929, damals – während der letzten großen kapitalistischen Wirtschaftskrise – ließ ein sozialdemokratischer Polizeipräsident die Maidemonstration der kommunistischen Partei verbieten und richtete ein Massaker an Arbeiterinnen und Arbeitern an, die trotzdem auf die Straße gingen.“

Was Schiesser nicht sagt: Die Kommunistische Partei trug damals einen Großteil der Verantwortung für die Toten selbst. Denn sie verschwieg ihren Mitgliedern, dass die Demonstration verboten war – nahm so in Kauf, dass 30 Menschen von der Polizei erschossen wurden.

Die Verhältnisse 2009 sind nicht vergleichbar mit damals. Natürlich hat die Polizei in Kreuzberg in diesem Jahr nicht geschossen. Auch demonstrierten hier weder Arbeiter noch Arbeiterinnen.

Toni S. ist Fotograf. Er hat die Demonstration von Anfang an beobachtet. Sein Eindruck:

Toni S., Fotograf
„Nach den ersten 100 Metern der Demo war es schon ziemlich bewusst, dass die Leute das – glaube ich – von vornherein darauf angelegt haben, da eine ziemliche Gewaltorgie abzufeiern. (…) Also der schwarze Block ist ja schon fast komplett vermummt losmarschiert und hat auf den ersten 20 Metern angefangen, Steine und Flaschen zu sammeln und das sehe ich dann doch schon als Abfeiern von irgendeiner Gewaltorgie als irgendwie noch mit politischem Hintergrund.“

Die Verantwortlichen für die Demonstration behaupten wie jedes Jahr: Die Polizei war schuld an der Gewalt. Schon kurz nach dem Auszug aus dem Myfest hätten Beamte die Demonstranten völlig grundlos angegriffen.

Kirill Jermak, Demonstrationsanmelder
„Ich war ja ganz vorne an der Demonstrationsspitze und habe gesehen, wie nach dem Ausgang aus dem Myfest eben ein Angriff der Polizei auf die Demonstrationsspitze stattgefunden hat und eben die Demonstrationsspitze komplett auseinander geschlagen hat.“
KLARTEXT
„Wann und wo war das?“
Kirill Jermak, Demonstrationsanmelder
„Muskauer Straße Ecke Manteuffelstraße.“

Millert, Polizei Berlin
„Es gab durch die Polizei zu keinem Zeitpunkt Angriffe auf den Demozug. Wir haben insbesondere an diesem Punkt mehrfach versucht, auch mit dem Versammlungsleiter in Kontakt zu treten. (…) Es ist so, dass der Aufzug gegen 19.30 Uhr etwa das Myfest verlassen hat. Da flogen schon Steine auf die Einsatzkräfte, das war genau 19.29 Uhr. Da waren zu dem Zeitpunkt an der Demospitze etwa 500 bis 800 vermummte Personen.“

Der rbb hat den Zug begleitet. Die Bilder der Fernsehkamera zeigen eindeutig: Der Polizeisprecher hat recht. Zuerst flogen Gegenstände aus dem Demonstrationszug auf die Polizei, erst dann stürmten die Beamten den Zug.

Die Demonstrationsveranstalter leugnen jede Verantwortung für diese Gewalt – und das notorisch schon seit Jahren, wie der Publizist Henryk M. Broder beobachtet hat. Er nimmt den Demonstranten ihre politische Unschuld schon lange nicht mehr ab.

Henryk M. Broder, Publizist
„Wir haben den Ausbruch der reinen Lust an der Gewalt gesehen, der hinterher dann eingefallen ist, dass sie ein politisches Alibi braucht.“

Den Fotografen Toni S. hat diese Gewalt unmittelbar getroffen: Er trug eine schwere Kopfverletzung davon. Abends kurz vor 21 Uhr ist er am Kottbusser Tor. Plötzlich fliegen zwei Steine – einer davon trifft den völlig Unbeteiligten an der Schläfe – er schreit in Todesangst.

Mann
„Sanitäter, Sanitäter!“

Toni S., Fotograf
„Realisiert habe ich es, glaube ich, erst, als ich meine Hand voller Blut gesehen hab’ und die ganzen Leute, die über mir gestanden haben.“

Passant
„Was hat er denn?“
Mann
„Na, er hat ’nen Stein an den Kopf gekriegt von den Arschlöchern. Schickt einen Sanitäter her!“


Wir führen die Szene dem Anmelder der Demonstration, Kirill Jermak, vor.

Kirill Jermak, Demonstrationsanmelder
„Ja, das ist natürlich schlimm, dass so was passiert. Wenn es Unbeteiligte trifft, das ist natürlich sehr schade und schlimm.“
KLARTEXT
„Fühlen Sie sich da irgendwie verantwortlich?“
Kirill Jermak, Demonstrationsanmelder
„Ich habe keinen Stein geschmissen und ich denke auch – wie gesagt – man muss die Verantwortung – letztendlich der 1. Mai ist ein Tag, an dem in Kreuzberg traditionell demonstriert wird und es wird immer wieder da Demonstrationen geben. Man muss sich eben fragen, wie das Polizeikonzept dazu beigetragen hat, dass so eine Eskalation stattfand.“

Das alte Lied: Die Polizei ist schuld– auch wenn die Bilder eine ganz andere Sprache sprechen.

Jedes Jahr inszenieren sich die 1. Mai-Demonstranten wieder als Opfer von Polizeigewalt. Doch für ihre eigenen Opfer bringen sie weder Mitgefühl noch Verantwortungsbewusstsein auf. Henryk M. Broder nennt das faschistoid.

Henryk M. Broder, Publizist
„Es sind Rechte, es sind linke Rechte oder rechte Linke, völlig egal. Vom Habitus her, von der Ideologie, von der Verachtung des Gegners, von der Bereitschaft, wirklich bis hin zu tödlichen Mitteln alles einzusetzen – ein Stein ist eine Waffe - das ist keine Puderquaste, das ist keine Seifenblase, das kann eine tödliche Waffe sein. Von der ganzen Bereitschaft her, wirklich den Tod anderer Menschen zu riskieren, sind das rechte, oder wenn Sie so wollen, totalitäre Ideologien. Und totalitär ist links oder rechts zugleich, oder keins von beiden, jedenfalls totalitär.“


Andrea Everwien, André Kartschall