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In der Sendung „Christiansen“ hat der Bürgermeister von Guben seine Stadt lautstark verteidigt, „No-go-areas“ seien in Guben kein Thema. Doch KLARTEXT hat nachgeschaut. Guben ist eine ganz normale Stadt in Brandenburg – von deren Alltag der Bürgermeister scheinbar wenig weiß.
Die Zahlen des Brandenburger Verfassungsschutzes, die sprechen eine andere Sprache. Der Bericht warnt vor ganzen Landstrichen, in denen rechtsextremistische Cliquen die Jugendkultur dominieren. Die Gewalt richte sich, so wörtlich, „gegen alles Fremdartige“. Trotz dieser Fakten stößt die Warnung vor so genannten „no go Areas“ vor Regionen in Brandenburg also, die Ausländer besser meiden sollten, auf helle Empörung. Viele fühlen sich beleidigt, so wie Gubens Bürgermeister. Katrin Aue berichtet.
Sonntag vor einer Woche. In der Sendung „Sabine Christiansen“ geht es um die Warnung des ehemaligen Regierungssprechers Karsten-Uwe Heye vor angeblich ausländerfeindlichen, sogar lebensgefährlichen Regionen in Brandenburg. Mit im Publikum: der Bürgermeister von Guben.
Klaus-Dieter Hübner, Bürgermeister Guben
„Also, diese Äußerung von Herrn Heye hat mich schon sehr , sehr betroffen gemacht.“
Sabine Christiansen
„Warum denn, wird hier nicht der Bote geschlagen?“
Klaus-Dieter Hübner, Bürgermeister Guben
„Das heißt, diese Pauschalierung. Wissen sie, ich bin Brandenburger, bin Bürgermeister der Stadt Guben. Und wir sind sehr gut in allen Entwicklungsthemen in der Stadt. Wir haben 21.000 Einwohner, über 600 Ausländer. Und haben diese Probleme im Moment überhaupt nicht.“
Guben, eine Stadt, die keine Probleme mit Rechtsextremisten hat? Tatsächlich: In Guben hat sich viel getan in den letzten Jahren. Frisch renovierte Fassaden, ein Hauch von Aufschwung – und auch die Statistik stimmt: Offiziell gab es im letzten Jahr keinen fremdenfeindlichen Übergriff. Dennoch, wer nachfragt, der bekommt den Eindruck: so ganz genau scheint der Bürgermeister seine eigene Stadt nicht zu kennen.
Frau
„Warum sagt das dieser Mann? Ich meine, gut, der will seine Stadt gut reden. Das ist seine Sache. Aber das ist nicht… das ist überhaupt nicht wahr. Das ist doch Schönrederei.“
Mann
„Gestern war ich hier, da waren 15 Rechtsradikale hier vorne am Norma, da traut man sich nicht mal vorbei, wenn man die nicht kennt. Ich hatte zum Glück, dass ich welche in meiner Klasse mal hatte, so dass ich mit denen quatschen konnte. Aber ich habe Kumpels, die sind dunkelhäutig, die werden jedes Mal von denen fertig gemacht, zusammengeschlagen und so. … Der Bürgermeister glaube ich hat keine Übersicht über die Stadt hier glaube ich. Also was es hier an Rechtsradikalen gibt, das will er gar nicht glauben.“
Bei unseren Recherchen in Guben haben wir auch diesen jungen Mann getroffen. Er hat die rechtsextreme Szene kennen gelernt. Offen möchte er über seine Erfahrungen nicht reden, es geht ihm vor allem um seine Sicherheit.
Mann
„Nach der Schule wurde ich dann direkt vor der Schule überfallen. Und das Jochbein- und der Kiefer wurden mir gebrochen. Und ich wurde auf die Knie gezwungen und ich wurde genötigt, mich selber als Nazi zu betiteln.“
KLARTEXT
„Wie das?“
Mann
„Aus Provokation. Die haben zu fünft um mich rum gestanden und gesagt: Schrei, du bist ein Nazi!“
KLARTEXT
„Und, hast duŽs gemacht?“
Mann
„Ja, weil ich Angst hatte, dass ich noch mal in die Fresse kriege.“
Seine Konsequenz: obwohl der Vorfall schon zwei Jahre her ist, meidet er seitdem bestimmte Stadtteile.
Das Asylbewerberheim am Stadtrand. Viele Bewohner fürchten nicht nur einzelne Stadtteile. Sondern für sie ist die ganze Stadt eine No-Go-Area, also eine Gegend, in der sie sich nicht sicher fühlen. Immer wieder hören sie ausländerfeindliche Sprüche, werden angepöbelt. Der Inder Awal Sanien ist schon als 16-jähriger hergekommen – das Heim verlässt er nur selten.
Awal Sanien
„Ich habe Angst raus zu gehen. Und ganz besonders allein raus zu gehen. Disko oder unser Spaß gibt es überhaupt nicht mehr. Und wir wollen manchmal auch einkaufen gehen. Dann gehen wir meistens mit der Gruppe, oder ich schicke jemanden, der für mich was holt. Also, ich gehe alleine gar nicht mehr raus.“
Für Gubens Bürgermeister Klaus-Dieter Hübner scheint das alles neu zu sein. Konkrete Fälle von Belästigungen kennt er nicht. Schon gar nicht von rechts.
Klaus-Dieter Hübner (FDP), Bürgermeister Guben
„Ich glaube, in Deutschland ist es im Moment schick, über das Thema ‚Rechts’ zu reden. Ich sagŽs mal so. Wir haben in den nächsten Tagen eine Fußball-WM. Überschrift: Bei Freunden. Finde ich toll, diese Überschrift. Und ich habe was dagegen, alles jetzt in diese Thematik zu schieben, und in dieser Form Verdächtigungen oder Empfindungen einfließen zu lassen, wo immer wieder das Wort „Rechts“ eine Rolle spielt.“
Dabei weiß der Bürgermeister, dass es schon seit Jahren eine rechtsextremistische Kameradschaft in Guben gibt: die Lausitzer Front. Aktiv bei Aufmärschen und Neonazi-Demonstrationen. Vor ihnen warnt auch der jüngste Verfassungsschutzbericht.
Mitglieder der Lausitzer Front sind in der Vergangenheit als Gewalttäter aufgefallen. Zum Beispiel bei der Hetzjagd auf Farid Guendoul, alias Omar Ben Noui 1999. Damals sprang der Algerier auf der Flucht vor Neonazis in Panik durch eine Glastür und verblutete.
Dieser Gedenkstein für Farid Guendoul ist mittlerweile der sechste. Alle Vorangegangenen wurden geschändet. Er liegt heute unauffällig am Rande der Plattenbausiedlung Obersprucke. So manchen Gubener stört er selbst hier.
Mann
„Dieser Grabstein… ich kriege keinen Grabstein, ich werde verscharrt. Ich kann mir das nicht leisten. Aber ich finde das nicht in Ordnung, da vorne. Und das werde ich dem Bürgermeister bei Gelegenheit zum Frühlingsfest auch sagen. Dieser Stein muss da weg.“
Die Stadt schmückt sich damit, seit der Hetzjagd viel in Sachen Jugendarbeit getan zu haben. Erst letztes Jahr wurde dieser Jugendclub eröffnet. Rund 2 Millionen Euro flossen in den Gebäudekomplex. Allerdings: Der Jugendclub wird nicht so recht angenommen. Kein Wunder: Am Wochenende ist er geschlossen. Ausgerechnet dann, wenn die Konflikte eskalieren.
Außerdem: Der Treff ist weit weg von dem Viertel, das viele Jugendliche meiden. Selbst manche Bewohner haben hier Bedenken, sich abends frei zu bewegen:
Frau
„Mein Bruder jetze da so, der ist ja behindert. Und man sieht das. Den würde ich abends hier nicht laufen lassen. Das würde ich nicht machen.“
KLARTEXT
„Dann ist das hier eine No Go Area für Behinderte?“
Frau
„Das weiß ich nicht, aber hätte einfach dieses Gefühl der Angst, ich wäre mir nicht sicher, dass ich ihn rauslassen könnte.“
Guben – statistisch keine Hochburg der rechten Gewalt. Vielleicht kein Wunder, wenn potentielle Opfer es von vornherein vermeiden, in die No Go Areas zu gehen. Wenn es also gar nicht erst zu Konfrontationen kommt. Guben, irgendwie eine ganz normale Stadt in Brandenburg, auch wenn der Bürgermeister das nicht wahrhaben will.
KLARTEXT
„Gibt es aus ihrer Sicht in Guben No Go Areas in der Form, dass bestimmte Gruppen, zu einer bestimmten Uhrzeit an einem bestimmten Wochentag, da nicht hingehen sollten?“
Klaus-Dieter Hübner (FDP), Bürgermeister Guben
„Nein.“
KLARTEXT
„Weil sie sonst Angst haben müssten, Opfer zu werden?“
Klaus-Dieter Hübner (FDP), Bürgermeister Guben
„Nein, diese Stadtteile oder diese Bereiche in der Stadt Guben gibt es nicht.“
Übrigens: Erst letzte Woche wurde die Gubener Anlaufstelle für Opfer rechter Gewalt beschmiert – mit Hakenkreuzen.
Guben: eine ganz normale Stadt in Brandenburg, so sagt der Bürgermeister und wahrscheinlich hat er damit sogar Recht...
Sonntag vor einer Woche. In der Sendung „Sabine Christiansen“ geht es um die Warnung des ehemaligen Regierungssprechers Karsten-Uwe Heye vor angeblich ausländerfeindlichen, sogar lebensgefährlichen Regionen in Brandenburg. Mit im Publikum: der Bürgermeister von Guben.
Klaus-Dieter Hübner, Bürgermeister Guben
„Also, diese Äußerung von Herrn Heye hat mich schon sehr , sehr betroffen gemacht.“
Sabine Christiansen
„Warum denn, wird hier nicht der Bote geschlagen?“
Klaus-Dieter Hübner, Bürgermeister Guben
„Das heißt, diese Pauschalierung. Wissen sie, ich bin Brandenburger, bin Bürgermeister der Stadt Guben. Und wir sind sehr gut in allen Entwicklungsthemen in der Stadt. Wir haben 21.000 Einwohner, über 600 Ausländer. Und haben diese Probleme im Moment überhaupt nicht.“
Guben, eine Stadt, die keine Probleme mit Rechtsextremisten hat? Tatsächlich: In Guben hat sich viel getan in den letzten Jahren. Frisch renovierte Fassaden, ein Hauch von Aufschwung – und auch die Statistik stimmt: Offiziell gab es im letzten Jahr keinen fremdenfeindlichen Übergriff. Dennoch, wer nachfragt, der bekommt den Eindruck: so ganz genau scheint der Bürgermeister seine eigene Stadt nicht zu kennen.
Frau
„Warum sagt das dieser Mann? Ich meine, gut, der will seine Stadt gut reden. Das ist seine Sache. Aber das ist nicht… das ist überhaupt nicht wahr. Das ist doch Schönrederei.“
Mann
„Gestern war ich hier, da waren 15 Rechtsradikale hier vorne am Norma, da traut man sich nicht mal vorbei, wenn man die nicht kennt. Ich hatte zum Glück, dass ich welche in meiner Klasse mal hatte, so dass ich mit denen quatschen konnte. Aber ich habe Kumpels, die sind dunkelhäutig, die werden jedes Mal von denen fertig gemacht, zusammengeschlagen und so. … Der Bürgermeister glaube ich hat keine Übersicht über die Stadt hier glaube ich. Also was es hier an Rechtsradikalen gibt, das will er gar nicht glauben.“
Bei unseren Recherchen in Guben haben wir auch diesen jungen Mann getroffen. Er hat die rechtsextreme Szene kennen gelernt. Offen möchte er über seine Erfahrungen nicht reden, es geht ihm vor allem um seine Sicherheit.
Mann
„Nach der Schule wurde ich dann direkt vor der Schule überfallen. Und das Jochbein- und der Kiefer wurden mir gebrochen. Und ich wurde auf die Knie gezwungen und ich wurde genötigt, mich selber als Nazi zu betiteln.“
KLARTEXT
„Wie das?“
Mann
„Aus Provokation. Die haben zu fünft um mich rum gestanden und gesagt: Schrei, du bist ein Nazi!“
KLARTEXT
„Und, hast duŽs gemacht?“
Mann
„Ja, weil ich Angst hatte, dass ich noch mal in die Fresse kriege.“
Seine Konsequenz: obwohl der Vorfall schon zwei Jahre her ist, meidet er seitdem bestimmte Stadtteile.
Das Asylbewerberheim am Stadtrand. Viele Bewohner fürchten nicht nur einzelne Stadtteile. Sondern für sie ist die ganze Stadt eine No-Go-Area, also eine Gegend, in der sie sich nicht sicher fühlen. Immer wieder hören sie ausländerfeindliche Sprüche, werden angepöbelt. Der Inder Awal Sanien ist schon als 16-jähriger hergekommen – das Heim verlässt er nur selten.
Awal Sanien
„Ich habe Angst raus zu gehen. Und ganz besonders allein raus zu gehen. Disko oder unser Spaß gibt es überhaupt nicht mehr. Und wir wollen manchmal auch einkaufen gehen. Dann gehen wir meistens mit der Gruppe, oder ich schicke jemanden, der für mich was holt. Also, ich gehe alleine gar nicht mehr raus.“
Für Gubens Bürgermeister Klaus-Dieter Hübner scheint das alles neu zu sein. Konkrete Fälle von Belästigungen kennt er nicht. Schon gar nicht von rechts.
Klaus-Dieter Hübner (FDP), Bürgermeister Guben
„Ich glaube, in Deutschland ist es im Moment schick, über das Thema ‚Rechts’ zu reden. Ich sagŽs mal so. Wir haben in den nächsten Tagen eine Fußball-WM. Überschrift: Bei Freunden. Finde ich toll, diese Überschrift. Und ich habe was dagegen, alles jetzt in diese Thematik zu schieben, und in dieser Form Verdächtigungen oder Empfindungen einfließen zu lassen, wo immer wieder das Wort „Rechts“ eine Rolle spielt.“
Dabei weiß der Bürgermeister, dass es schon seit Jahren eine rechtsextremistische Kameradschaft in Guben gibt: die Lausitzer Front. Aktiv bei Aufmärschen und Neonazi-Demonstrationen. Vor ihnen warnt auch der jüngste Verfassungsschutzbericht.
Mitglieder der Lausitzer Front sind in der Vergangenheit als Gewalttäter aufgefallen. Zum Beispiel bei der Hetzjagd auf Farid Guendoul, alias Omar Ben Noui 1999. Damals sprang der Algerier auf der Flucht vor Neonazis in Panik durch eine Glastür und verblutete.
Dieser Gedenkstein für Farid Guendoul ist mittlerweile der sechste. Alle Vorangegangenen wurden geschändet. Er liegt heute unauffällig am Rande der Plattenbausiedlung Obersprucke. So manchen Gubener stört er selbst hier.
Mann
„Dieser Grabstein… ich kriege keinen Grabstein, ich werde verscharrt. Ich kann mir das nicht leisten. Aber ich finde das nicht in Ordnung, da vorne. Und das werde ich dem Bürgermeister bei Gelegenheit zum Frühlingsfest auch sagen. Dieser Stein muss da weg.“
Die Stadt schmückt sich damit, seit der Hetzjagd viel in Sachen Jugendarbeit getan zu haben. Erst letztes Jahr wurde dieser Jugendclub eröffnet. Rund 2 Millionen Euro flossen in den Gebäudekomplex. Allerdings: Der Jugendclub wird nicht so recht angenommen. Kein Wunder: Am Wochenende ist er geschlossen. Ausgerechnet dann, wenn die Konflikte eskalieren.
Außerdem: Der Treff ist weit weg von dem Viertel, das viele Jugendliche meiden. Selbst manche Bewohner haben hier Bedenken, sich abends frei zu bewegen:
Frau
„Mein Bruder jetze da so, der ist ja behindert. Und man sieht das. Den würde ich abends hier nicht laufen lassen. Das würde ich nicht machen.“
KLARTEXT
„Dann ist das hier eine No Go Area für Behinderte?“
Frau
„Das weiß ich nicht, aber hätte einfach dieses Gefühl der Angst, ich wäre mir nicht sicher, dass ich ihn rauslassen könnte.“
Guben – statistisch keine Hochburg der rechten Gewalt. Vielleicht kein Wunder, wenn potentielle Opfer es von vornherein vermeiden, in die No Go Areas zu gehen. Wenn es also gar nicht erst zu Konfrontationen kommt. Guben, irgendwie eine ganz normale Stadt in Brandenburg, auch wenn der Bürgermeister das nicht wahrhaben will.
KLARTEXT
„Gibt es aus ihrer Sicht in Guben No Go Areas in der Form, dass bestimmte Gruppen, zu einer bestimmten Uhrzeit an einem bestimmten Wochentag, da nicht hingehen sollten?“
Klaus-Dieter Hübner (FDP), Bürgermeister Guben
„Nein.“
KLARTEXT
„Weil sie sonst Angst haben müssten, Opfer zu werden?“
Klaus-Dieter Hübner (FDP), Bürgermeister Guben
„Nein, diese Stadtteile oder diese Bereiche in der Stadt Guben gibt es nicht.“
Übrigens: Erst letzte Woche wurde die Gubener Anlaufstelle für Opfer rechter Gewalt beschmiert – mit Hakenkreuzen.
Guben: eine ganz normale Stadt in Brandenburg, so sagt der Bürgermeister und wahrscheinlich hat er damit sogar Recht...