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Inferno Cottbus - unter diesem Namen firmieren Fans von Energie. Gegner bezeichnen sie als „Juden", legen Wert auf ihre „weiße Abstammung" - und in der Fankurve geben sie den Ton an. Seit mehr als zehn Jahren prägt diese circa 100 Mann starke Fangruppe das Image des Vereins mit. Ein Problem? Nein, alles Einzelfälle, meint Energie Cottbus.
Einerseits sind sie einige der treuesten Fans, die Energie Cottbus hat, andererseits auch ein permanentes Problem für den Verein. Die Gruppe mit dem Kürzel „IC 99" – IC für Inferno Cottbus, die Zahl für das Gründungsjahr 1999 – ist bereits unzählige Male mit rechtsradikalen Aktionen in Erscheinung getreten.
Nur einige Beispiele: Vergangenes Jahr: Auswärtsspiel beim FC St. Pauli: Von dem unverfänglichen Schriftzug „Ein Sieg heilt unsere Wunden" wird – kurz bevor dieses Foto entsteht – für eine Weile nur der Ausschnitt „Sieg heil" hochgehalten.
2006: Auswärtsspiel bei Sachsen Leipzig: Für Leipzig spielt auch Ade Ogungbure. Der Nigerianer wird von gegnerischen Fans regelmäßig rassistisch beschimpft. Sachsen Leipzig startet eine Solidaritätsaktion. Der Slogan: „Wir sind Ade". Inferno kontert mit: „Ihr seid Ade – Wir sind Weiß".
Ein Jahr zuvor: Inferno bezeichnet die Fans von Dynamo Dresden als „Juden": nach dem Verständnis von Inferno offenbar ein Schimpfwort.
Mit dieser und anderen Aktionen brüstet sich die Gruppe auch im Internet: Zum zehnjährigen Jubiläum wurde eine Art „Best Of"-Video mit rechtsradikalen Inferno-Auftritten produziert, zu sehen auch auf Youtube.
Video
„? … wunderbare Jahre … ?"
Passend dazu kommt die Musik von Sleipnir, einer rechtsextremen Band.
Beim Brandenburger Verfassungsschutz beobachtet man vor allem in Südbrandenburg eine Ballung von Rechtsextremen – auch beim Fußball. Das soll nicht heißen, dass alle Energie-Fans rechtradikal sind, aber:
Winfriede Schreiber
Verfassungsschutz Brandenburg
„Es gibt eine Fangruppierung, Inferno Cottbus. Und in dieser Fangruppierung sind Rechtsextremisten, ungefähr bis zu 50. Und das macht uns schon Sorgen."
Wir wollen von Energie Cottbus wissen, wie sie die Sache sehen. Die Mannschaft ist seit Montag im Trainingslager in der Türkei. Der Präsident ist angeblich schon vorher abgeflogen und kann uns deshalb kein Interview mehr geben.
Stattdessen trifft sich der Pressesprecher von Energie mit uns in Berlin. Ein paar Stunden vor dem Abflug gibt er uns in Tegel ein Interview. Und während wir am Flughafen stehen …
… dreht in Cottbus ein Kamerateam des rbb zufällig, wie Präsident Lepsch – der doch schon in der Türkei sein sollte – in den Mannschaftsbus steigt. Das erfahren wir aber erst später.
In Tegel ist Pressesprecher Töffling derweil damit beschäftigt, das Problem „Inferno" möglichst klein zu reden.
Lars Töffling
Energie Cottbus
„Aus unserer Sicht sind es Einzelne. Wir sind ja mit denen im Gespräch. Und die Menschen von Inferno, mit denen wir sprechen, die sagen uns jedes Mal: Nein, wir sind nicht im rechtsextremen Milieu unterwegs. Die können auch nicht ausschließen, dass es Einzelne sind dort in dieser Gruppierung."
Energies Strategie im Kampf gegen Rechts: man fragt Neonazis, ob sie Neonazis sind. Und die Einschätzung, es handele sich um „Einzelne", hat der Verein auch exklusiv.
Winfriede Schreiber
Verfassungsschutz Brandenburg
„Das sind keine Einzelnen, nein, nein. Wer in der Gruppe auftritt, der ist nicht mehr einzeln. Sie treten als eine Gruppierung auf, die geschlossen hinter Bannern steht, Bannern, die dann in Buchstaben ‚Sieg Heil' propagieren. Oder letztlich auch Sprüche machen: ‚Unterwegs im Reich'."
„Unterwegs im Reich": Rechtslastig ist Inferno wohl von Anfang an. Einer der Mitbegründer ist Markus Walzuck, hier bei einer sogenannten „20er/30er-Jahre-Party" im vergangenen Jahr. Der Mann trägt SA-Uniform.
Winfriede Schreiber
Verfassungsschutz Brandenburg
„Jemand, der junge Menschen in die Bewegung zieht. Insofern hat er eine besondere Rolle. Auch wenn er nicht der geistige Kopf ist, aber ein Organisator und Macher der Neonaziszene ist er schon."
Außerdem soll Walzuck laut Verfassungsschutz Mitglied im mittlerweile verbotenen „Widerstand Südbrandenburg" gewesen sein.
Die Gruppe veranstaltete nächtliche Fackelzüge in SA-Manier und demokratiefeindliche Plakataktionen.
Zur aktuellen Generation von Inferno gehört dieser junge Mann: Er nennt sich Willi und gibt am Megafon den Einpeitscher für die gesamte Fankurve. Auch er ist einschlägig bekannt, bei der Cottbuser Polizei wie beim Verfassungsschutz.
Ines Filohn
Polizeidirektion Süd
„Er ist polizeilich bereits in Erscheinung getreten wegen verschiedener Delikte."
Winfriede Schreiber
Verfassungsschutz Brandenburg
„Der Einpeitscher ist ein Neonazi, der auch zu der Vereinigung Widerstand Südbrandenburg gehört. Dieser Einpeitscher gehört zum inneren Zirkel."
Ines Filohn
Polizeidirektion Süd
„Er ist aufgefallen auch Ende letzten Jahres hier beim Spiel gegen Dresden in Cottbus, sodass ihn die Cottbuser Polizei als Gewalttäter Sport aufgenommen hat."
Winfriede Schreiber
Verfassungsschutz Brandenburg
„Also es ist ein Neonazi, der für die Bewegung, den Nationalen Widerstand mit der Zielsetzung, praktisch wieder ein Drittes Reich zu errichten, eintritt."
Obwohl bereits vor einem knappen halben Jahr vieles davon in der Zeitung stand, zog Energie Cottbus bisher keine Konsequenzen. Kein Stadionverbot für einzelne Mitglieder, kein sogenanntes „Auftrittsverbot" für „Inferno“. Wenn es das gäbe, dürfte sich die Gruppe nicht mehr namentlich im Stadion präsentieren. Doch passiert von alldem ist nichts. Warum auch – die Neonazis sagen ja immer wieder, sie seien keine Neonazis.
Lars Töffling
Energie Cottbus
„Wir haben natürlich unmittelbar nach diesem Zeitungsbericht den Herrn und auch andere Mitstreiter vorgeladen, konkret die Dinge abgefragt, das wurde verneint, von allen. Und auch dann gilt wieder: bis uns was anderes vorliegt und wir auch beweisen können, dass der quasi ein Neonazi ist oder sein soll, bis dahin können wir nichts tun. Wir können uns ja nur darauf verlassen, was uns mitgeteilt und gesagt wird und was wir schriftlich vorzuliegen haben – und das ist bis heute nicht geschehen."
KLARTEXT
„Wenn Energie Cottbus sagt, Sie sind nicht darüber informiert worden, was Inferno betriff, was da einzelne Personen betrifft. Was sagen Sie dazu?"
Ines Filohn
Polizeidirektion Süd
„Dem kann ich nur aus polizeilicher Sicht widersprechen, da ihnen wie gesagt, von uns ein dezidierter Bericht vorliegt zu Personen und Sachverhalten."
Genauer gesagt seit Mitte Dezember liegt der Bericht in der Geschäftsstelle. Energie bestreitet das – doch vielleicht muss der Präsident nach der Rückkehr aus dem Trainingslager einfach noch mal die Post durchsehen.
Dass der Verein dieses Problem so feige verharmlost, darüber kann man sich nur wundern. Überhaupt haben wir uns gefragt, warum es eigentlich nicht mehr Proteste der Cottbusser Bürger gegen diese rechtsextreme Fangruppe gibt! Denn der Kampf gegen Rechtsextremismus ist auch Aufgabe der Zivilgesellschaft.
Beitrag von Anne Holzschuh und André Kartschall