(Quelle: rbb)

- Rechtsradikales Gedenken: Halbe und die DVU

Sie geben sich gern bürgerlich und konservativ, die Abgeordneten der DVU im Potsdamer Landtag. Sie wenden sich gegen das Demonstrationsverbot auf dem Friedhof in Halbe, das im Brandenburger Landtag beschlossen wurde. Obwohl sie selbst dort nicht zu Demonstrationen aufgerufen haben, stärken sie anderen Rechtsradikalen den Rücken. Knapp tausend Demonstranten missbrauchten am Sonnabend die Kriegstoten von Halbe und demonstrierten in Seelow, um ihren aggressiven Militarismus zu feiern. Sinnloses Sterben wird von Rechtsextremisten immer noch zur Heldentat verklärt.

„Wer im Krieg getötet wurde, der ist nicht zu feiern, sondern aufs tiefste zu bedauern.“ Diesen Satz schrieb einst Kurt Tucholsky. Rechtsextreme sehen das ganz anders. Am Wochenende wollten sie die Toten nicht bedauern, sondern feiern. Auf dem größten deutschen Soldatenfriedhof. Der liegt in Halbe in Brandenburg. Doch daraus wurde nichts. Tausende Gegendemonstranten und das neue Versammlungsgesetz in Brandenburg hatten das verhindert. Also wichen sie aus. Nach Seelow. Katrin Aue und Ute Barthel berichten.

Seelow, am vergangenen Samstag. Mehr als tausend Rechtsextremisten aus ganz Deutschland treffen sich hier zum so genannten Heldengedenken. Das Ziel ihres Marsches: eine politische Inszenierung an der Seelower Kriegsgräberstätte, gesteuert von bundesweit bekannten Neonazis.

Demonstranten
„Ich rufe die Toten des Heeres!“
„Hier!“
„Ich rufe die Toten der Luftwaffe!“
„Hier!“
„Ich rufe die Toten der Waffen-SS!“
„Hier!“


Diese Kränze wollten die Neonazis eigentlich – wie seit Jahren - am Soldatenfriedhof in Halbe ablegen. Doch die Rechtsextremisten sind nach Seelow ausgewichen – nachdem ein Aufmarsch in Halbe verboten wurde.

Der Brandenburger Landtag hatte im Oktober ein neues Versammlungsgesetz verabschiedet. Innenminister Jörg Schönbohm wollte damit Neonaziaufmärsche speziell in Halbe verhindern. Nur die rechtsextremistische DVU war dagegen.

Siegmar-Peter Schuldt (DVU), Landesvorsitzender Brandenburg, 13. September 2006
„Mit dieser Anbiederei an den linken Zeitgeist wollen Sie, Herr Minister Schönbohm, ehrenhafte und vorbildliche Darstellungen von Leistungen deutscher Soldaten im 2. Weltkrieg als ehemaliger Bundeswehrgeneral verbieten.“

Mit diesen Äußerungen sorgte die DVU im Landtag für einen Eklat – für die Partei sind die Soldaten der Wehrmacht nur patriotische Kämpfer gewesen. Herbert Brösemann war Soldat im Kessel von Halbe. Seine Kameraden liegen hier auf dem Friedhof. Doch als Held geehrt werden will er um keinen Preis.

Herbert Brösemann, ehemaliger Soldat in Halbe
„Ich hab’ da kein Verständnis. Das waren keine Helden! Die Landser, meine Kameraden, die wollten alle ihr Leben retten. Ich hab ja Glück gehabt, dass ich das überstanden habe hier, ja? Aber das sind keine Helden. Die Kameraden hier, die würden sich im Grabe umdrehen, wenn sie das sehen würden, wenn hier so Kahlköpfige aufmarschieren!“

Im Kessel von Halbe waren in den letzten Kriegstagen neben Waffen-SS- und Wehrmachtsoldaten auch Flüchtlinge, Frauen und Kinder eingeschlossen. Der verantwortliche General lehnte ein Kapitulationsangebot ab. Er wollte stattdessen den Durchbruch in Richtung Westen – aus Angst vor der Gefangennahme durch die Rote Armee. Rund 25.000 Soldaten und einigen Tausend Zivilisten gelang der Ausbruch aus dem Kessel. Doch den erbitterten Kampf bis zum Ende haben zehntausende Menschen mit dem Leben bezahlt.

Für die DVU sind die Soldaten Helden, weil sie sich angeblich für die Zivilbevölkerung geopfert haben.

Siegmar-Peter Schuldt (DVU), Landesvorsitzender Brandenburg
„Deshalb haben die gekämpft gehabt, und wollten nicht dort den russischen Soldaten ihre Frauen, ihre Kinder und diese ganzen Flüchtlingstrecks in die Hände der Russen geben.“

Doch die Zeit der großen Flüchtlingstrecks war im April 1945 seit Monaten vorbei. Militärhistoriker wie Rolf-Dieter Müller wissen: Mit den Soldaten, die gen Westen aus dem Kessel ausbrachen, flohen auch Ortsansässige aus der Region, die zu Hause besser geschützt gewesen wären.

Rolf-Dieter Müller, Militärhistoriker MGFA Potsdam
„Dadurch, dass man die Teile der Bevölkerung oder die Flüchtlinge bewegt hat, mitzukommen, hat man sie ja erst der Lebensgefahr ausgesetzt. Wären sie, jedenfalls die ansässige Bevölkerung, in ihren Kellern geblieben, in ihren Schutzmöglichkeiten, die sie doch in den Dörfern und Städten gehabt haben, dann wäre die Opferzahl auch unter der Zivilbevölkerung nicht so hoch gewesen. Menschen, Flüchtlinge, die auf die Straße gehen, die in die Wälder gehen, sich den Angriffen der feindlichen Luftwaffe aussetzen, und also in dieses mörderische Feuer sich hineinbegeben, die sind sozusagen in Gefahr.“

Doch von diesen historischen Fakten will man hier in Seelow nichts wissen. Der Aufmarsch ist nur ein Vorwand, um den Vernichtungskrieg zu verherrlichen.

Holger Apfel (NPD), Fraktionsvorsitzender Sachsen
„Bei Wehrmacht und Waffen-SS, bei unseren Soldaten, handelte es sich um die saubersten und anständigsten Truppen, die jemals auf den Schlachtkriegen der Welt gekämpft haben.“

Demonstranten
„Ruhm und Ehre der deutschen Wehrmacht! Ruhm und Ehre der deutschen Wehrmacht!“

Der ehemalige Soldat in Halbe, Herbert Brösemann, will von Ruhm und Ehre nichts wissen. Lobeshymnen auf angebliche militärische Leistungen sind für ihn unerträglich.

Herbert Brösemann, ehemaliger Soldat in Halbe
„Das war nur ein Massenmorden, sinnlos. Das waren keine Helden. Deshalb habe ich auch kein Verständnis dafür, wenn die Neonazis heute… Die haben doch die Schuld! Die haben doch den Krieg vom Zaun gebrochen! Die tragen doch die Schuld, dass hier 23.000 Landser liegen! Und heute kommen sie hierher und wollen Heldengedenken. Nee, dafür habe ich kein Verständnis. Und dann mit Reichskriegsflaggen und so weiter… Ruhm und Ehre den deutschen Frontsoldaten. Das ist für mich Kriegshetze.“

KLARTEXT
„Wie stehen Sie denn als DVU-Fraktion zu diesen Aufmärschen?“
Siegmar-Peter Schuldt (DVU), Landesvorsitzender Brandenburg
„Wie schon mal gesagt: Wir selber waren bei keinem der Aufmärsche jemals zugegen und wir werden es auch nicht tun.“

Trotzdem: Von den Organisatoren des Aufmarsches wird die DVU ausdrücklich gelobt. Der „parlamentarische Gegendruck“ gegen das neue Versammlungsgesetz – ein Zeichen der Solidarität mit den Neonazis. Dank an die DVU von den politischen Partnern.

Holger Apfel (NPD), Fraktionsvorsitzender Sachsen
„Das ist ein Ausdruck der gelebten Kameradschaft, ein Ausdruck des gelebten Deutschlandpaktes zwischen NPD und Deutscher Volksunion, und dafür fühlen wir uns natürlich unseren Freunden in Potsdam verbunden.“

Eine nützliche Verbindung zwischen DVU und anderen Rechtsextremisten. Hier zeigt sich, was der wirkliche Zweck dieses angeblich “ehrenden Gedenkens“ ist: Nazi-Propaganda.

Reinhold Leidenfrost, ehemaliger Jagdflieger
„Wir schreien es nun mit allem Nachdruck offen heraus: Es lebe die Auferstehung des Deutschen Reiches! Wir wissen heute, dass Deutschland unter Adolf Hitler keine Schuld am Ausbruch des 2. Weltkriegs trägt.“

Eine gezielte Provokation. Und dann auch schon die nächste: Alle drei Strophen der Nationalhymne werden gesungen. Die Polizei greift ein.

Demonstranten
„Hier marschiert der nationale Widerstand.“
„Ruhm und Ehre der Waffen-SS.“


„Ruhm und Ehre der Waffen-SS“? Auf der Straße war die DVU nicht dabei. Doch die Verherrlichung des Naziterrors fördert sie trotzdem – indirekt im Parlament.