Denkmalschutz, Quelle: rbb
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- Lascher Denkmalschutz: Einzigartige Bauwerke vor dem Verfall

Die Frauenklinik in Neukölln, die Eisfabrik in Mitte, das Kinderkrankenhaus Weißensee - all diese Gebäude stehen unter Denkmalschutz. Privatinvestoren haben sie erworben, doch keinen Cent investiert. Jetzt rotten sie vor sich hin - und KLARTEXT fragt nach, wie es dazu kommen konnte

Anmoderation
Sie sind schön, besonders und nicht selten erzählen sie eine Geschichte: denkmalgeschützte Gebäude in Berlin. Und wenn es um die Auflagen zur Erhaltung und Restaurierung dieser einzigartigen Bauwerke geht, sind die Behörden ziemlich streng und unnachgiebig. Aus dem einfachen Grund, weil sich nur so Wert und Substanz der historischen Gemäuer erhalten lassen. Warum aber rotten dann so viele historische Bauten in Berlin einfach vor sich hin? Helge Oelert hat für uns recherchiert und zeigt, dass hinter mancher Ruine Spekulanten und knallhartes Kalkül stecken.

Hier sehen wir: Ein hochmodernes Wissenschaftszentrum für Krebsforschung. Eröffnung: 2015 – das zumindest war der vollmundige Plan, als das ehemalige Kinderkrankenhaus Weißensee vor acht Jahren an einen russischen Medizininvestor verkauft wurde.

Doch acht Jahre später ist nichts passiert, obwohl im Kaufvertrag festgelegt ist, dass das denkmalgeschützte Gebäude gesichert werden muss. Doch der Zaun stand offen, Obdachlose zogen ein, 17 Mal hat es inzwischen gebrannt. Das Dach ist hin, das Denkmal verrottet.

Jens-Holger Kirchner (Bündnis 90/Die Grünen)
Baustadtrat Pankow

"Es bricht einem das Herz, zu gucken, wie dieses Ensemble, das ja auch wunderschön gelegen ist, zusehends verfällt, und wie keiner da ist, der sich wirklich drum kümmert."

Der zuständige Bezirksstadtrat bedauert, aber warum schreitet er nicht ein? Denn das Denkmalschutzgesetz sieht für solche Fälle Geldbußen vor. Bis zu 500.000 Euro sind möglich. Im Extremfall sogar Enteignungen. Denn die Versuchung für Investoren scheint groß, historische Bausubstanz zu opfern, um auf die frei werdenden Flächen größere und profitablere Neubauten zu setzen.

Wolfgang Illert
Deutsche Stiftung Denkmalschutz

"Ich glaube, dass es gezielt auch Eigentümer gibt, die sagen: 'Komm, lass es erstmal verrotten' und dann mit dem Argument, 'Jetzt ist es ja nicht mehr zumutbar', es zu erhalten, es abreißen zu können, weil vielleicht der Grund und Boden wesentlich mehr wert ist als die eigentliche Immobilie."

Umso wichtiger, dass die Behörden einschreiten, bevor irreparable Schäden entstehen. Wie beim Kinderkrankenhaus. Hier könnten so genannte "Ersatzvornahmen" auf den Weg gebracht werden, der Bezirk würde dann selbst Baufirmen beauftragen, weiteren Verfall abzuwenden. Das Geld könnte er sich später vom Investor zurückholen. Aber der Stadtrat streckt die Waffen.

Jens-Holger Kirchner (Bündnis 90/Die Grünen)
Baustadtrat Pankow

"Bei dem Zustand und der Größe dieses Gebäudes würde das schnell im Millionenbereich sein mit der Aussicht, dieses Geld nie zurück zu bekommen. Weil, wer Kaufverträge und Sanierungsvorgaben nicht einhält, der ist dann auch schnell weg, wenn er Geld bezahlen soll für 'ne staatliche Ersatzvornahme."

Und derart unzuverlässigen Firmen vertraut Berlin seine Denkmale an? Wir wollen den Investor, die "MWZ Bio-Resonanz GmbH", selbst befragen. Telefonnummern gibt es nicht, im Internet finden sich drei verschiedene Firmenadressen. Doch nirgendwo treffen wir jemanden an. An diesem Bungalow im Grunewald steht immerhin noch ein Schild mit dem Firmennamen. Aber Mitarbeiter gibt es auch hier nicht.

Sicher ein spezieller Fall, und doch gibt es etliche Beispiele in Berlin, wo Denkmale in privater Hand verfallen.

Auch die ehemalige Eisfabrik in Mitte gehört dazu, 2008 an einen Investor verkauft. Auch hier ist das Gelände nicht gesichert. Seit einem Jahr leben hier Obdachlose und haben alles, was sie herausreißen konnten, verheizt oder an Schrotthändler verscherbelt. Anwohner informierten die Behörden, aber weder die Polizei noch die Denkmalschützer schritten ein.

Peter Schwoch
Initiative zum Erhalt der Eisfabrik

"Das ist eigentlich unvorstellbar, dass hier seit über einem Jahr, wo klar ist, dass hier solche Zustände herrschen, nichts passiert und alle bewegungslos zugucken."

Und es gibt noch mehr Beispiele: Die Frauenklinik in Neukölln, 2008 von einem internationalen Immobilienkonzern gekauft – und dann Witterung und Vandalismus überlassen. Auch hier zerstörten Feuer das Dach. Der Bezirk bat und mahnte den Investor immer wieder – vergebens.

Thomas Blesing (SPD)
Baustadtrat Neukölln

"Sie müssen ihm nachweisen, dass das Wasser, was eindringt, tatsächlich schon begonnen hat, die Gebäudesubstanz zu zerstören. Solange Sie von der anderen Seite hören 'Das macht doch alles nichts, das bisschen Wasser, das legen wir dann schon wieder trocken', damit müssen Sie sich zunächst mal zufrieden geben."
KLARTEXT
"Warum?"
Thomas Blesing (SPD)
Baustadtrat Neukölln

"Sie müssen erst das Gegenteil beweisen, sie müssen eigentlich zeigen können, wenn es zu spät ist – Schimmelpilzbildung reicht nicht aus –, wenn Sie solche massiven Schäden haben, die ja schon fast irreparabel sind, erst dann haben sie auch eine Handhabe, mit Zwangsmaßnahmen gegen den Eigentümer vorzugehen."

Inzwischen wurde lose Plane aufs Dach gelegt – wie ein ernst gemeinter Versuch, das Gebäude zu retten, sieht das aber nicht aus. Doch auch in Neukölln erklärt sich der Denkmalschutz für bankrott.

Thomas Blesing (SPD)
Baustadtrat Neukölln

"Wir haben nur stumpfe Schwerter…"
KLARTEXT
"Macht Sie das traurig, wenn man sieht, wie das hier verfällt?"
Thomas Blesing (SPD)
Baustadtrat Neukölln

"Man hat natürlich in gewisser Weise 'ne Wut im Bauch, und sagt, das hat der alles planmäßig angesteuert, und wir wissen, wie das mal möglicherweise irgendwann endet…"

Doch die Schwerter hat man selbst stumpf gemacht, weil man die rechtlichen Möglichkeiten des Gesetzes aus lauter Angst vor Klagen gar nicht erst anwendet.

Wolfgang Illert
Deutsche Stiftung Denkmalschutz

"Ein spektakulärer Präzedenzfall ist mir nicht bekannt, wo man das wirklich mal durchgezogen hätte, einen Eigentümer zwangsverpflichtet, hier Maßnahmen durchzuführen.“
KLARTEXT
"Erstaunlich eigentlich, weil es doch um ein kulturelles Gut geht, das vom Verfall bedroht ist."
Wolfgang Illert
Deutsche Stiftung Denkmalschutz

"Ja."

Von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wollte niemand vor unserer Kamera über dieses Thema sprechen. Aber die Erfahrung mit dem Kinderkrankenhaus hat vielleicht wenigstens auf Bezirksebene ein Umdenken in Gang gesetzt. Weil allzu geduldige Nachsicht gegenüber untätigen Investoren am Ende dazu führt, dass der Gesellschaft statt erhaltener Baudenkmale nur noch Ruinen bleiben.

Jens-Holger Kirchner (Bündnis 90/Die Grünen)
Baustadtrat Pankow

"Was tatsächlich wünschenswert wäre: dass in dem einen oder anderen Fall mal 'ne härter Gangart vielleicht auch als Botschaft in die Stadt und an die Investoren, die ja durchaus auch 'ne schwierige Aufgabe übernehmen mit dem Erwerb einer denkmalgeschützten Immobilie. Aber als Botschaft, dass das ausgesendet wird: 'Achtung mit Denkmalschutz ist hier nicht zu spaßen und schon gar nicht mit irgendeiner Absicht, die spekulativ ist' und das Denkmal dann in Frage stellt.“

Beitrag von Helge Oelert