Wohnungen, Bild: rbb

- Das lukrative Geschäft mit den Eigentumswohnungen – Ist die Mieterstadt Berlin noch zu retten?

In Berlin wurden in den vergangen drei Jahren 20.000 Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt. Immer mehr Altmieter werden verdrängt. Dabei gäbe es ein schlagkräftiges Instrument um dies zu stoppen.

Anmoderation
Historisch niedrige Zinsen, günstige Immobilienpreise – der Run auf Eigentumswohnungen in Berlin ist zurzeit enorm. Doch es sind nicht nur Privatleute, die ihr Geld in eine eigene Wohnung stecken möchten, sondern vor allem auch geschäftstüchtige Investoren, die gezielt Miet- in Eigentumswohnungen umwandeln. Das Problem: Immer mehr Altmieter müssen raus aus ihren Wohnungen. Dabei gäbe es einen politischen Weg, diese Verdrängung zu stoppen. Doch dazu kann sich Berlin einfach nicht durchringen – zum Leidwesen vieler Mieter. Ute Barthel.

Den Hinweis, dass sie noch in ihrer Wohnung lebt, musste Cornelia Hentschel an ihre Fenster anbringen. Denn die Bauarbeiter waren überrascht, dass überhaupt noch Mieter in dem Haus wohnten, als sie vor einigen Wochen begannen zu modernisieren. Der neue Eigentümer will die Wohnungen in der Wisbyer Straße im Prenzlauer Berg als Eigentumswohnungen verkaufen.

Cornelia Hentschel
Mieterin
"Dann kommen hier die Kaufinteressenten: 'Was, Sie wohnen noch hier?'. Und dann sage ich zu denen: 'Was heißt hier noch? ' Ich wohne hier… Punkt. Ich wohne hier. Ich habe einen gültigen Mietvertrag und wieso soll der annulliert werden?"

Eine Mietaufhebungsvereinbarung hatte der neue Eigentümer mit anderen Mietern abgeschlossen. Mit Auszugsprämien von 150 bis 200 Euro pro Quadratmeter. Cornelia Hentschel ging nicht darauf ein und lebt seitdem mit Baulärm und Dreck.

Nur ein paar Straßen weiter in der Gleimstraße hat derselbe Eigentümer bereits ein Haus saniert und alle Wohnungen als Eigentumswohnungen verkauft. Nur zwei Altmieter sind geblieben: Oleg Myrzak ist einer. Die anderen haben aufgegeben und sind ausgezogen.

Oleg Myrzak
Mieter

"Früher haben hier ganz normale Menschen gewohnt, so wie ich. Arbeiter, Studenten, Bankangestellte sogar, alte Menschen, die nicht mehr arbeiten. Also, es war eine ganz bunte Mischung."

Die bunte Mischung in Prenzlauer Berg, wo der Künstler noch neben der Rentnerin wohnt. Junge Familien neben Bankern. Bisher konnten sich hier auch noch Menschen mit niedrigen Einkommen die Miete leisten und mussten nicht an den Stadtrand. Doch gerade in Prenzlauer Berg werden immer mehr Mieter verdrängt, denn nur die wenigsten können sich teuer sanierte Wohnungen kaufen.

Der Markt mit Eigentumswohnungen in Berlin boomt. Im Jahr 2011 wurden 4.744 umgewandelt, zwei Jahre später waren es schon 9.178 und davon die meisten im Prenzlauer Berg.

Bezahlbarer Wohnraum geht so verloren, mahnt der Berliner Mieterverein und fordert schon seit langem eine so genannte Umwandlungsverordnung.

Reiner Wild
Berliner Mieterverein

"Wir fordern vom Berliner Senat, dass er nun endlich diese Verordnung zum Schutz der Bevölkerung in Milieuschutzgebieten erlässt. Die Umwandlungsverordnung ist wichtig, weil das Verbot der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen gleichzeitig auch Einfluss auf die Investitionstätigkeit in diesen Quartieren hätte. Das heißt teure Luxusmodernisierungen – vielfach verbrämt mit Klimaschutz und Energieeinsparungen –, würden so in dieser Form nicht mehr stattfinden, weil der Motor dieser teuren Modernisierung, die anschließende Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnung nicht mehr möglich wäre."

In Hamburg existiert diese Verordnung schon. In so genannten Milieuschutzgebieten können die Behörden die Umwandlungen untersagen. 1998 wurde sie eingeführt und zeigte schnell Wirkung: drei Jahre vor der Verordnung wurden in den betreffenden Gebieten 1.700 Wohnungen umgewandelt, drei Jahre nach Inkrafttreten waren es nur noch 412."

Der Stadtforscher Sigmar Gude hält die Verordnung daher für sinnvoll.

Sigmar Gude
Stadtforscher

"Sie hält einen ganz bestimmten Typus von Investoren aus den Gebieten raus: Die die kurzfristig viel verdienen wollen, die durch eine schnelle Umwandlung und schnellen Verkauf an schnelles Geld kommen wollen."

Der Immobilienverband meint, es gäbe doch den zehnjährigen Kündigungsschutz für Mieter bei einer Umwandlung und hält die Verordnung für unnötig.

Dirk Wohltorf
Immobilienverband Deutschland

"Weil es ein Eingriff in den Markt und in das Eigentumsrecht ist. Wir müssen uns überlegen, ob wir weiterhin eine Marktwirtschaft wollen oder ob wir zur Planwirtschaft auch wieder rüber lenken wollen."
KLARTEXT

"In Hamburg gibt es das seit 15 Jahren und da ist auch nicht gleich der Sozialismus ausgebrochen."
Dirk Wohltorf
Immobilienverband Deutschland

"Ja, aber Hamburg hatte auch nie den Sozialismus und wir hatten den sehr in der Nähe und haben immer noch zu viele, die daran auch glauben."

Die Angst vor sozialistischen Verhältnissen in Berlin verhindert bisher die Verordnung. Dabei wäre es auch weiterhin möglich, die Wohnungen umzuwandeln. Mieter dürften zum Beispiel ihre Wohnung immer noch kaufen.

Und wie wenig Kündigungsschutz bei Umwandlung nutzt, zeigt ein weiteres Beispiel. Dieses Haus in der Kopenhagener Straße will der neue Eigentümer energetisch sanieren. Die Bewohner glauben, dass er das Haus entmieten will. Die Miete kann sich nach der Modernisierung keiner der jetzigen Bewohner mehr leisten.

Viele Mieter sind schon ausgezogen. Die noch hier sind, meinen, mit einer Umwandlungsverordnung, wären sie besser geschützt gewesen.

Christine Lüderitz
Mieterin

"Diese Umwandlungsverordnung würde durchaus Sinn machen, weil die das Geschäftsmodell von solchen Menschen, die jetzt die energetische Modernisierung nutzen, um Leute aus den Häusern raus zu kriegen… deren Geschäftsmodell wäre dadurch eigentlich auf Eis gelegt. Weil sie die Modernisierungsarbeiten normalerweise auch schon finanzieren mit dem Geld aus den Wohnungsverkäufen."

Nach Informationen der Mieter soll das Haus bereits in Eigentumswohnungen aufgeteilt sein. Für sie käme die Verordnung zu spät.

Für die Oppositionsparteien ist sie längst überfällig. Übrigens – auch der Stadtentwicklungssenator und die SPD sind dafür. Doch die CDU blockiert. Heute wollten die Grünen im Ausschuss für Stadtentwicklung einen Antrag zur Umwandlungsverordnung einbringen.

Katrin Schmidberger (Bündnis 90/ Die Grünen)
Wohnungspolitische Sprecherin

"Wir fordern auch von Herrn Müller ein, jetzt endlich Verantwortung zu übernehmen. Die SPD hat sich mehrfach auch im Sommer für die Umwandlungsverordnung ausgesprochen. Jetzt wird es Zeit, dass die SPD auch Farbe bekennt. Es kann nicht sein, dass die CDU auf dem Rücken der Mieterinnen und Mieter weiter blockiert und dass Herrn Müller die Koalitionsräson wichtiger ist als der Mieterschutz."

Zur Sitzung kamen heute auch viele Mieter. Doch sie wurden enttäuscht. Denn auf Antrag der SPD wurde das Thema Umwandlungsverordnung wieder vertagt. Jetzt schon zum vierten Mal. Die Mieter sind aufgebracht.

Mieter
"Wozu sind Sie denn da als Ausschuss, das ist doch alles eine Farce."
KLARTEXT
"Die Leute verstehen das nicht mehr: Herr Müller stellt sich hin und sagt er will's, Herr Stöß stellt sich hin und sagt, er will's. Es gibt einen klaren Beschluss des Landesvorstandes…und dann wird’s wieder vertagt."
Iris Spranger (SPD)
Wohnungspolitische Sprecherin

"Trotzdem ist das eben eine Koalition. Und deshalb weil wir es vertagt haben, haben wir noch mal die Möglichkeit, auch miteinander zu sprechen, innerhalb der Koalition. Ich kann nicht einen eigenen Antrag gegen meinen Koalitionspartner halten, deshalb heißt das Koalition."

Doch bei den Mietern verspielt die SPD ihre Glaubwürdigkeit. Sie fühlen sich von den Politikern allein gelassen.

Cornelia Hentschel
Mieterin

"Wir sind wütend, weil das der Stadtentwicklungsausschuss ist, der für die Stadt letzten Endes verantwortlich ist, wie in der Stadt gewohnt wird und das immer wieder und immer weiter vertagt und dadurch das über Jahre verzögert, bis die Eigentümer dann endlich diese Stadt in den Händen haben. Dann wird es möglicherweise diese Umwandlungsverordnung geben, obwohl sie dann nicht mehr relevant ist."

Beitrag von Ute Barthel