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Straße in Potsdam | Bild: rbb

- Potsdamer UNESCO-Erbe – Bauverwaltung in der Kritik

Die Gegend rund um die Bertinistraße war einst von Lenné als Parklandschaft gestaltet worden und gehört heute zum UNESCO-Schutzbereich, abgesichert durch den Bebauungsplan 60. Doch dessen Umsetzung ist umstritten.

Potsdam hat, was viele Städte gerne hätten: zahlreiche Parks und historische Gebäude und die stehen unter dem begehrten Schutz des UNESCO-Weltkulturerbes. Doch nun gibt’s Ärger: Die Unesco will Potsdam mahnen, weil die Stadt Fristen verstreichen ließ, um sogenannte Pufferzonen zum Schutz seiner Parks und Schlösser einzuführen. Unglaublich, dass die Stadt es soweit kommen lässt. Aber: Es passt ins Bild, finden Andrea Everwien und Andre Kartschall. Denn auch im Fall Bertinistraße ging es beim Potsdamer Bauamt offenbar bis vor kurzem nicht mit rechten Dingen zu. Wir haben zwar Kontakt zu etlichen Anwohnern aufgenommen, einige haben uns allerdings untersagt, ihren Namen zu nennen. Wundern Sie sich also nicht, wenn Sie jetzt teilweise nur Schattenrisse sehen.

Wer Potsdams königliche Garten- und Havellandschaft liebt, kommt hier ins Träumen: am Westufer des Jungfernsees. Hier wandelt man auf einem Höhenweg, lässt die Blicke schweifen über historische Villen, Gärten und den See. Der Weg ist ein echter Panoramaweg: Er führt über die Bertinistraße.

Ärgerlich nur: Jahrelang durften hier auch Autos fahren. Professor Jan Fiebelkorn-Drasen, ein Anwohner der Nauener Vorstadt, möchte die alte Promenade endgültig den Spaziergängern zurückgegeben wissen. .

Prof. Jan Fiebelkorn-Drasen
„Wenn man dort spazieren gehen will, da mit Kinderwagen und dort Rad fahren möchte, ist ein Autoverkehr allein von dieser Seite eigentlich ausgeschlossen.“

Der Jungfernsee und sein westliches Ufer gehören zum Denkmalbereich der UNESCO. Um den zu schützen, verabschiedete das Potsdamer Stadtparlament vor vier Jahren einen Bebauungsplan. Dort ist die Bertinistraße zu einem großen Teil als verkehrsberuhigte Zone ausgewiesen – hier gelb-weiß schraffiert. Deutlich davon getrennt: Die davor liegende allgemein zugängliche Straßenverkehrsfläche.

Die Begründung zum Bebauungsplan lässt die Absicht erkennen, den verkehrsberuhigten Teil für den Durchgangsverkehr zu sperren. Die Straße soll hier

Zitat
„…dem Anliegerverkehr sowie Müll- und Rettungsfahrzeugen vorbehalten bleiben.“

Weil die Straße hier nur drei Meter breit ist, wünschen viele Anwohner jetzt endlich die ständige Sperre für den Durchgangsverkehr.

Wolfgang von Witzleben
„Wir müssen uns im Klaren darüber sein,... dass hier ein Verkehr ist nicht nur von Personenwagen, sondern von Lieferwagen, Lieferfahrzeugen, von schweren Lastwagen...“

Doch gut vier Jahre lang setzte die Bauverwaltung den Bebauungsplan in puncto Straße nicht um. Die Folge: Vor wenigen Monaten musste sie hier notgedrungen sperren, weil schwere Baulaster die historische Straßendecke eingedrückt hatten. Kein Wunder: Unter dem Pflaster befinden sich ein historischer Tunnel und ein Eiskeller. Die gehören zur denkmalgeschützten Villa Gutmann, die direkt an der Bertinistraße liegt. Nicht nur der Eiskeller ist demoliert, auch andere Räume haben gelitten. Zum Beispiel das Arabicum, eine historische Inneneinrichtung aus Syrien. Durch den Fahrzeugverkehr brachen hier Hunderte Holzteilchen herunter.

Schäden, die nicht hätten sein müssen - hätte das Bauamt nur rechtzeitig den Bebauungsplan umgesetzt. Doch das hat es nicht nur in Sachen Straße versäumt. Auch hier ließ das Amt etwas zu, was es laut Bebauungsplan gar nicht geben dürfte: die Galerie Kunstkontor. Sie befindet sich in einem reinen Wohngebiet. Am Westufer des Jungfernsees, angrenzend an den Denkmalschutzbereich der UNESCO, wollten die Stadtverordneten eben keinen kommerziellen Handel – auch nicht mit Kunst.

Professor Axel Busch ist Stadtplaner. Er weiß: Das Baurecht lässt nur wenige Ausnahmen für kommerzielle Betriebe in einem reinen Wohngebiet zu.

Prof. Axel Busch, Stadtplaner
„Ein reines Wohngebiet dient ausschließlich dem Wohnen. Ausnahmsweise könnte zum Beispiel ein Kiosk zugelassen werden.“
KLARTEXT
„Warum könnte der zugelassen werden?“
Prof. Axel Busch, Stadtplaner
„Weil sich dort die lokale Bevölkerung eine Zeitung kaufen kann.“

Die lokale Bevölkerung braucht aber nicht täglich ein neues Bild oder eine neue Skulptur– und deswegen ist die kommerzielle Galerie hier nicht zulässig.

Dennoch existiert sie seit Januar 2007. Am Tag des Denkmals kam halb Potsdam vorbei. Sogar das lokale Fernsehprogramm berichtete ausführlich über Verkaufsausstellungen, die hier stattfinden.

Quelle: Potsdam TV
„Schwarz- weiß ist Farbe genug... In der Galerie werden Arbeiten von Barbara Klemm, eine der bedeutendsten Fotografinnen Deutschlands, ausgestellt.“

Weder die Galeristin noch der Bauherr der Galerie wollen genannt werden, und sie wollen sich auch nicht dazu äußern, dass die Galerie gegen geltendes Baurecht verstößt. Kein Wunder, denn der Bauherr hat bei Baubeginn gar nicht beantragt, hier eine Galerie zu betreiben, sondern hier zu wohnen.

Seltsam: Im Bauamt hat offenbar über Jahre niemand die nicht genehmigte Nutzung des Hauses als Galerie bemerkt. Das ist besonders verwunderlich, weil sie häufig zu den Gästen des Bauherrn gehört haben soll: Elke von Kuick Frenz, bis zum Sommer Baubeigeordnete der Stadt.

Nach Aussagen von Zeugen soll sie hier regelmäßig zu Besuch gewesen sein - bei Badefesten auf dem Terrassendach. Offenbar ist der Baudezernentin dabei auch nie aufgefallen, dass es dieses Terrassendach gar nicht geben dürfte. Die Dachaufbauten versperren nämlich den Nachbarn die Sicht auf den See, ein weiterer Verstoß gegen Bauvorschriften.

Prof. Axel Busch, Stadtplaner
„Das ist ein wunderbares Beispiel der Wirkung auf Nachbargrundstücke und auf die Einschränkung sozusagen der Rechte und der Lebensqualität nachbarschaftlicher Bewohner.“
KLARTEXT
„Hat das Bauamt da was mit zu tun oder müssten das die Bewohner untereinander klären?“
Prof. Axel Busch, Stadtplaner
„Das ist eine Nutzungsänderung. Da oben zu baden, hat ja nichts mit Garage zu tun. Also insofern hätte auch eine Genehmigung dafür eingeholt werden müssen.“

Was aber wohl nicht geschah. KLARTEXT liegen Dokumente der Bauverwaltung vor, aus denen hervorgeht: Eine Bauabnahme fand hier nicht statt. Das Amt hat offenbar beide Augen zugedrückt. Natürlich haben wir Frau von Kuick-Frenz zu den Vorwürfen befragt, aber sie wollte sich – auch schriftlich – nicht dazu äußern.

Übrigens machen die Galeriebetreiber schon gegen die augenblickliche Sperrung der Bertinistraße Stimmung - mit Plakaten an der Straße. Sie wollen auch die langfristige Sperrung an dieser Stelle verhindern. Dabei versucht der Bauherr anscheinend schon mal, Andersdenkende mit dem Hinweis auf seine Kontakte zu „höheren Stellen“ unter Druck zu setzen.

Prof. Jan Fiebelkorn-Drasen
„Zumindest wurde mir gegenüber bei unserem ersten Treffen gesagt, oder deutlich gemacht, dass man doch den B-Plan verändern könne oder wolle oder solle. Und dass das durchaus möglich sei, weil man ja die Möglichkeit hätte, oben bei höherer Stelle zu optieren.“

In einem Brief an KLARTEXT weist der Bauherr solche Vorwürfe weit von sich.

Zitat
„Absolut zurückweisen müssen wir Ihren intendierten Vorwurf der Druckausübung auf irgendwelche Nachbarn durch mir bekannte Persönlichkeiten.“

Immerhin: Mit Matthias Klipp hat Potsdam jetzt einen neuen Baubeigeordneten. Beim Amtsantritt kritisierte er indirekt die vorherige Amtsführung und ließ sich in der Zeitung damit zitieren, dass es mit ihm…

Zitat
„...’nicht mehr’ möglich sein werde, durch persönliche Bekanntschaften im Bauamt Vorteile zu erlangen. ‚Das läuft mit mir gar nicht’, so Klipp.“

Vielleicht setzt ja der Neue nun endlich den Bebauungsplan um. Wir sind gespannt.

Beitrag von Andrea Everwien und Andre Kartschall


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